Wo bin ich? Einfach Google fragen!
Wenn Tom Cruise in dem Film „Minority Report“ durch die Straßen läuft, tauchen in den Schaufenstern laufend Werbebotschaften auf, die an ihn ganz persönlich adressiert sind. So schön es wäre zu wissen, dass mein Käseladen am Eck meinen Lieblings-Stilton wieder rein bekommen hat, so fröstelt es mich dennoch bei dem Gedanken, irgendjemand (ein Ladenbesitzer, der Bundesnachrichtendienst, etc.) könnte theoretisch jederzeit wissen, wo ich mich gerade aufhalte.
In der Praxis finde ich Location-based Services dagegen ganz toll. Ich benutze sie ja ständig, um meinen Freunden über Foursquare zu sagen, in welchem Lokal ich gerade zu Mittag esse oder welches Museum in New York ich gerade besuche. Ich dachte allerdings bisher immer, dass dazu GPS-Empfang nötig sei, was in der Regel nur draußen funktioniert und auch da nicht immer. Was mir nicht klar war (und ich werde von manchen Leuten ja als „Internet-Experte“ bezeichnet) ist, dass „Minority Report“ ja längst Wirklichkeit ist, und zwar Dank Google.
Google hat eine Funktion für sein Kartensystem „Google Maps“ entwickelt, die den Standort des Benutzers über WLAN-Router feststellt und an Google meldet. Solche „Hotspots“ gibt es ja mittlerweile überall, und da die wenigstens von uns (ich zum Beispiel) wussten, dass wir damit lokalisierbar sind, hat sich keiner von uns darüber sonderlich aufgeregt. Im Gegensatz zu Jacob Kohnstamm, dem Chef der holländischen Datenschutzbehörde, der inzwischen erfolgreich bei Google interveniert hat. Ab sofort kann jeder von uns die Tracking-Funktion seines WLAN-Routers ausschalten. Ganz einfach: Ich muss nur die beiden Wörtchen „no map“ an die WiFi-Adresse meines Routers eingeben.
Es gibt nur ein kleines Problem. Vielleicht auch zwei.
Erstens: Ich habe keine Ahnung, wie man das macht. Wahrscheinlich steht das irgendwo in der Bedienungsanleitung, die ich aber gleich mit der Verpackung weggeschmissen habe, als ich meinen Router vor Jahren beim MediaMarkt kaufte und anschloss. Das ging ja auch ganz einfach, weil alles vorkonfiguiert war.
Das eigentlich viel größere Problem ist: So, wie Google sich das vorstellt geht es gar nicht. Das jedenfalls behauptet der IT-Journalist Wayne Rash auf eweek.com.
Um meinen Router für das Tracking-System Google unsichtbar zu machen, muss ich die so genannte SSID-Nummer verändern. Dieser „Service Set Identifier“ ist die Bezeichnung, unter der mein Router im Netzwerk angemeldet ist. Er ist frei wählbar und hat so tolle Namen wie „Thomson6048B2“, „delvo- 000B3B9BDC9B“ oder „Belkin4711“.
Um rauszufinden, wie Sie überhaupt an diese blöde SSID herankommen, schauen Sie bitte in Ihre Gebrauchsanleitung oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Dann tippen Sie einfach ans Ende der Kennung „no map“ und speichern Sie das Ganze ab. Aus, Schluss, Amen!
Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn damit haben Sie sich erfolgreich aus Ihrem eigenen Router ausgesperrt. Leider haben sich alle Ihre Computer und mobile Endgeräte die alte Kennung längst gemerkt und weigern sich deshalb von nun an hartnäckig, sich mit Ihrem Router zu verbinden. Bye bye, Internet!
Okay, das Problem lässt sich beheben, indem man einfach mit seinem Endgerät die vorhandenen Hotspots durchsucht und sich neu anmeldet bei der nunmehr veränderten SSID (der mit „no map“ in der Adresse). Das heißt: Vorausgesetzt, Sie haben nicht auch Ihr Passwort vergessen, das Sie ja nicht mehr benötigt haben, weil ja Ihre schlauen Endgeräte ihn sich ja gemerkt haben. Allerdings nur für die alte SSID…
Es wird sicher bald Tausende von frustrierten Router-Besitzern geben, die verzweifelt bei den Hotlines ihrer jeweiligen Hotspot-Hersteller anrufen und mit den Kundendienstlern heiße Diskussionen führen werden. Dabei wäre es doch so einfach: Statt ihren Kunden ein technisch schwieriges „Opt-Out“ anzubieten, müsste Google sein System umstellen auf „Opt-in“: Nur, wenn ich ausdrücklich zustimme, darf mein Router Angaben über meinen Aufenthaltsort sammeln und weiterleiten.
Warum macht Google das nicht? Nun, es ist ja eine amerikanische Firma, und die haben ein etwas anderes Verständnis von Datenschutz als wir Europäer (zu denen ich mich jetzt mal vorübergehend ehrenhalber zähle). Vor allem aber: Ohne eigene Daten müsste Google bei den Mobilfunkbetreibern betteln gehen, die natürlich auch unsere Geodaten im Angebot haben. Nur wollen sie dafür Geld haben.
Das alles zeigt immer klarer, dass ortsbezogene Daten sehr viel besser geschützt werden müssen, als das bisher der Fall ist. Leider gehen CSU-Politiker wie Hans-Peter Uhl und Beate Merk erneut mit schlechtem Beispiel voran, in dem sie Wiedereinführung der 2010 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Vorratsdatenspeicherung fordern, um „besser gegen Terrorakte gewappnet zu sein“.
Wir sollten alle mal rausfinden, wo sich die beiden gerade befinden, und dort vorbeischauen, um ihnen mal so richtig die Meinung zu geigen. Google weiß ja, wo sie sind.
Eine Antwort auf Wie uns Google vom Internet aussperren will