Wie gut ist die Billig-KI aus China wirklich? Diese Frage stellen sich viele nach dem „DeepSeek-Schock“, bei dem die Aktien von Nvidia einen Rekord-Absturz erleben mußte. Auch wenn die Verluste inzwischen zum Teil ausgeglichen wuirden, sitzt der Schock doch tief. Und fast täglich melden die Anbieter aus China neue, zum Teil revolutionäre Durchbrüche bei Energieverbrauch und Umweltbelastung durch KI.
Was ist nun wirklich der Unterschied zwischen DeepSeek und ChatGPT? Ist die chinesische KI tatsächlich um so viel besser und tatsächlich neu? Ich habe beide Programme gegeneinander einem Kurztest unterzogen. Dazu habe ich Ihnen eine Frage zu meinem Lieblingsthema römischer Geschichte gestellt, nämlich: Mit welchem römischen Kaiser würden Sie Donald Trump vergleichen – und warum?
Beide haben historisch korrekt geantwortet. Allerdings war die Antwort von ChatGPT viel länger und detaillierter. Während DeepSeek ihn nur mit zwei römischen Kaisern verglichen hat, nämlich Nero und Caligula, brachte ChatGPT einen dritten Kandidaten ins Rennen, nämlich Commodus. Das ist ja okay. Meiner Meinung nach hätten zwei genügt. Aber mein Fazit ist: Während ChatGPT mehr fürs Geld bietet, ist DeekSeek gratis – und gut genug für den Hausgebrauch. Also ich vermute, dass DeepSeek, das mit China ja in einem totalitären Land ansässig ist, dazu neigt, sich zurückzuhalten und eine weniger kontroverse Sicht auf die Welt zu bieten als ChatGPT, das immerhin in Amerika durch den ersten Verfassungszusatz geschützt ist.
DeepSeek lebt in einer anderen Welt
Die Frage ist natürlich alles andere als repräsentativ, aber die Resultate sind vergleichbar, wenn auch sehr unterschiedlich: ChatGPT geht vom Hundertsten ins Tausendste, während DeepSeek sich etwas zurückhält und auch eine wesentlich bürokratischere Sprache verwendet. Man merkt schon die Nähe zu China. Das gilt übrigens auch für andere KI-Suchmaschinen wie Qwent von Alibaba oder Duobao, das vom TikTok-Mutterkonzern ByteDance stammt. Die leben in einer anderen Welt und antworten auch anders. Das ist spürbar.
Die Frage bleibt: Sind diese chinesischen KIs auch verlässlich, wenn es um heikle Themen wie Demokratie und Pressefreiheit geht bzw. deren Verletzung, etwa in Form von Zensur? Das ist tatsächlich ein Problem. Sie dürfen sich nicht nach dem Massaker am Tiananmen-Platz von 1989 fragen. Da kriegen Sie eine komische Antwort. Aber im Grunde weigern sich die Programme nicht, zu antworten. Sie antworten nur im Grunde wie ein chinesischer Bürokrat.
Keiner ist wirklich künstlich intelligent
Sind solche KI-Programme bei uns im Westen noch sinnvoll einsetzbar oder verlieren sie da nicht an Qualität und Usability, wenn Sie zu vielen heiklen Fragen nichts sagen? Ich denke, für den Hausgebrauch langt es. Man darf ja eines nicht vergessen: Weder ChatGPT noch DeepSeek oder die anderen Programme sind wirklich künstlich intelligent. Das sind ja, salopp formuliert, nur aufgemotzte Suchmaschinen. Aber als solche haben sie definitiv ihren Platz in der geschäftlichen und privaten Nutzung. Es bleibt abzuwarten, ob ein solcher internationaler Wettbewerb die ohnehin schon überhitzte KI-Branche weiter befeuern wird oder nicht. Aber eigentlich ist klar: China will den KI-Markt von unten aufrollen – mit billigen, sparsamen Produkten, die KI für Milliarden von Menschen erschließen sollen.
Die benötigte Rechenleistung bei Entwicklung, Training und Nutzung einer Billig-KI könnte sogar noch wichtiger sein als die exakte Qualität des Ergebnisses, dass das Programm ausspuckt. DeepSeek hat hier eine komplett neue Dimension eröffnet. Sie haben es geschafft, die Kosten und den Energieverbrauch von KI dramatisch zu reduzieren.
Während die Amerikaner mit roher, brutaler Computer-Power das Problem lösen wollen, sind die Chinesen raffinierter und gehen ihren eigenen Weg: Sie erreichen eine Leistung auf ChatGPT-Niveau mit Entwicklungskosten von nur 5,6 Millionen US-Dollar im Vergleich zu 3 Milliarden Dollar für ChatGPT-4. Das schaffen sie mit billigeren Microchips. DeepSeek-Chef Liang Wenfeng hat sich rechtzeitig mit Hochleistungschips von Nvidia eingedeckt, angeblich besitzt er sogar mehr als 50.000 Stück davon, obwohl sie heute in China nicht mehr legal erhältlich sind. Ansonsten kommen sie mit weniger leistungsstarke Microchips aus, die viel billiger und umweltschonender sind. Außerdem kommt DeepSeek mit einem Bruchteil der Hardware aus: Sie verwenden für ihr Programm nur 2000 Chips im Vergleich zu den 16.000 von ChatGPT, was traditionelle KI-Modelle von ihrer Infrastruktur her massiv in Frage stellt.
In Europa gibt es schwere Datenschutzbedenken gegen DeepSeek. Was wäre, wenn die EU beim Thema Datenschutz einig gegen China vorgehen würde? Nach wie vor ist ja nicht wirklich klar, woher die hochwertigen Trainingsdaten, die für DeepSeek verwendet wurden, kommen und mit welchen Methoden sie beim Datentraining arbeiten. Italien hat deswegen eine Untersuchung gegen DeepSeek eröffnet und den Chinesen in der Zwischenzeit verboten, italienische Nutzerdaten zu verwenden. Wie sie dieses Verbot allerdings durchzusetzen wollen, weiß der Teufel. Frankreich hat auch eine Befragung von DeepSeek zum Thema Datensicherheit angekündigt. Deutschland und Großbritannien werden folgen. Aber wo soll das hinführen soll, denn DeepSeek sitzt in China? Wir als Europäer haben keinen Zugriff darauf, und wir wissen ja auch, das Internet lebt vom freien Austausch von Daten. Das, was jetzt in Europa passiert, ist eigentlich das Gegenteil von intelligent.
Es gibt ja ein altes Motto aus den Frühtagen des Internets: „Information wants to be free.“Das heißt, wenn sie einmal im Internet sind, wollen die Informationen frei fließen können. Dafür wurde das Internet ja ursprünglich gebaut. Jeder Versuch, den Informationsfluss zu unterbinden, wird als technische Blockade gesehen, und die Daten werden einfach drum herum geleitet. Ich weiß nicht, wie Europa das jetzt rechtlich auf den Kopf stellen will.
Ob das alles streng legal ist nach dem Buchstaben des Datenschutzes und sonstiger europäischer Gesetze, das steht in den Sternen. Ich weiß auch nicht, was man gegen Chinas Strategie tun soll. Daten sind da im Internet, die kann man sich frei holen. Es sei denn, sie sind technisch geschützt und stecken hinter einer Firewall.
Die Chinesen wollen nur Geschäft
Den chinesischen Konzernen wird unterstellt, es ginge ihnen eigentlich nur darum, mit ihren KI-Programmen sensible Daten aus dem Westen abzugreifen. Aber in erster Linie wollen sie einfach ein Geschäft machen und Geld verdienen. Das machen sie auch sehr gut.
Der Staatskonzern Huawei ist bisher auf dem KI-Sektor nicht so furchtbar präsent gewesen, aber dafür Firmen wie die TikTok-Mutter ByteDance, Qwen von Alibaba oder eben DeepSeek. Sie arbeiten alle mit der gleichen Methode: Wenig Computerleistung und wenig Umweltbelastung für den Hersteller aber viel Leistung für den Kunden. Die Frage der Finanzierung ist natürlich auch interessant: DeepSeek gibt seine aktuellen Versionen gratis her. ChatGPT verlangt für die Premium-Versionen aber Geld. Natürlich, wenn Sie mich fragen, welches ich besser finde, sage ich als Kunde natürlich: Jenes Produkt, das ich umsonst bekomme.
Ich habe auch Qwen meinem Test zur römischen Geschichte unterzogen. Sie haben nur Nero genannt. Die beiden anderen Kaiser hat die Software unter den Tisch gefegt; und im Übrigen war die Antwort viel zu lang: Die Antwort von Qwen hat 3500 Wörter umfasst, während sich DeepSeek mit 1700 Wörtern begnügte. Aber inhaltlich ist es vergleichbar mit ChatGPT und bringt eine ähnliche Leistung.
Drei neue KI-Programme bzw. Versionen aus China binnen weniger Tage haben die Aktie des US-Microchip-Herstellers Nvidia für wenige Tage abstürzen lassen und den Unternehmenswert um 600 Milliarden Dollar gedrückt. Die Frage stellt sich: Müssen wir uns jetzt öfter auf solche Berg- und Talfahrten an den Börsen gefasst machen oder war der „DeepSeek-Schock“ rückblickend betrachtet völlig überzogen?
Ich denke, das war eine einmalige Sache. Nvidia ist von der Ankündigung auf den falschen Fuß erwischt worden.Und es ist ja nicht so, dass Nvidia deswegen jetzt auf dem Zahnfleisch geht. Aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass aus China jetzt laufend hochinteressante KI-Anwendungen kommen. Die Amerikaner werden natürlich reagieren. OpenAI hat vorige Woche ein Tool veröffentlicht, mit dem man online Lebensmittel einkaufen oder einen Tisch in einem Restaurant reservieren kann. Am Sonntag haben sie ein neues Tool namens Deep Research vorgestellt, das in 30 Minuten komplexe Forschungsaufgaben erledigen kann, für die ein Mensch bis zu 30 Tage benötigt. Die Amerikaner und die Chinesen werden sich hier gegenseitig überbieten.
Die Frage ist, was wird aus Europa? Was müssten wir tun, um hier einigermaßen mithalten zu können? Europa hinkt bei KI eindeutig hinterher. Es gibt derzeit in Europa keine sogenannte Artificial General Intelligence, also generative KI-Modelle auf dem Niveau von OpenAI, wie es ChatGPT ist – oder auch DeepSeek bieten kann. Aus Europa gibt es zwar KI-Modelle wie Frankreichs Mistral AI oder Noema oder Deutschlands Aleph Alpha. Die sind alle in bestimmten Bereichen stark, aber nicht generell auf dem Niveau der Amerikaner oder Chinesen. Diese beiden Staaten werden sich diesen Markt zunächst einmal aufteilen – wenn Europa nicht aufwacht, und die Forschungs- und Finanzierungsbemühungen bei KI erhöht und versucht, zumindest halbwegs mitzuhalten.
Es fehlt in Europa an der Ausbildung der Fachkräfte an den Universitäten, und es wird zu wenig Geld investiert. Aber vor allem fehlt es am Mut. Die Europäer haben sich erst einmal um die Regulierung gekümmert und dann überlegt, was sie im Bereich KI technisch entwickeln können. Sie haben einfach Angst vor dem Thema KI und das lähmt. Das ist schade, denn Europa hätte natürlich genug talentierte junge Menschen. Aber: Wenn die eine gute Idee haben, dann gehen sie ins Silicon Valley. In der Heimat hört ihnen ja keiner zu. Das ist sehr schade, aber es ist so. Mangelnde Risikobereitschaft seitens der Investoren und der Regierungen, weil nicht genug in die Grundlagenforschung von KI gesteckt wird, ist sicher auch ein Thema. Aber es fehlen auch die StartUps: Es fehlen in Europa die mutigen, jungen Unternehmer, die bereit sind, alles auf eine Karte zu setzen und zu sagen: „KI ist es! Und ich mache jetzt etwas draus!“ Wenn wir das nicht überwinden, dann werden wir zwischen diesen riesigen Mühlsteinen Amerika und China zermahlen werden.
Die Europäer sind viel zu vorsichtig, zu zögerlicher. Die Amerikaner haben keine Angst, irgendetwas zu machen und dabei wirtschaftlich auf die Schnauze zu fallen. Dann stehen sie halt wieder auf und machen was Neues. Wenn du hier in Europa einmal scheiterst, dann hast du ein Stigma fürs Leben. Es fehlt in Europa eine positive Kultur des Scheiterns.
Ein Europäer, der seine eigene KI entwickelt hat, ist Professor Sepp Hochreiter von der Kepler Uni in Linz. Er sagt, auch seine KI sei viel energieeffizienter als ChatGPT und auch inhaltlich besser. Ich habe seine Software noch nicht ausprobieren können. Aber ich denke, wenn er das sagt, dann wird es auch stimmen. Wir wissen jetzt, dass es möglich ist, KI sozusagen „light“ zu machen, das haben uns vor allem die Chinesen vorgemacht. Das soll jetzt kein abwertendes Urteil sein, sondern meint einfach: Es gibt nun eine KI, die mit weniger Rechnerleistung auskommt. Man muss nur die richtige Idee dazu haben und es richtig umsetzen. Und ich denke, da sind die Linzer schon auf einem guten Weg.
In Linz soll auch noch eine vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zugesagte Digitaluniversität namens IT:U entstehen. Für das Projekt sollen im Endausbau pro Jahr 150 Millionen Euro nach Linz fließen. Allerdings fehlt im Moment noch ein Standort für das nötige Gebäude. Aber wir haben keine Zeit, jetzt erst einmal einen Bauplatz zu suchen und dann ein Gebäude hinzustellen. Bis wir fertig sind, ist das Rennen gelaufen. Es muss jetzt schnell etwas beim Thema KI passieren. Es muss gezielt gefördert werden. Projekte, die bereits im Entstehen sind oder die bereits vielleicht sogar abgeschlossen sind, aber bisher keiner hören wollte, müssen weitergehen. Es ist viel wichtiger, dass wir unser Geld konkret in KI-Anwendungen investieren als in ein Gebäude irgendwo auf einer Wiese in Linz.
US-Präsident Donald Trump und seinem Einflüsterer Elon Musk suchen noch nach einer adäquaten US-Antwort auf DeepSeek. Es gibt ja bereits eine Reaktion der US-Industrie, nämlich das Stargate-Programm. Da geht es um 500 Milliarden Dollar, die alleine in den Bereich KI investiert werden sollen. Der Forschungsschwerpunkt von Stargate ist, die Kosten für und die Energienutzung von KI zu senken. Da sind die Chinesen aber schon weit voraus. Das heißt aber nicht, dass die Amerikaner nicht aufholen können. Auf jeden Fall wird der Wettkampf zwischen den USA und China immer stärker.
Und was Trump betrifft: Ich rede nicht gerne über Trump, obwohl ich geborener Amerikaner bin. Ich schäme mich, dass wir ihn gewählt haben. Bei ihm weißt du ja von heute auf morgen nicht, was er denkt oder was er vorhat. Eindeutig wird es auch beim Thema KI auf stärkere Regulierung und eine stärkere Bevorzugung amerikanischer Firmen hinauslaufen, was unter Umständen für ChatGPT und andere noch einen größeren Vorsprung gegenüber Europa bedeuten wird.
Allerdings eröffnen Trump und Musk gerade, indem sie hochqualifizierte IT-Fachleute aus Silicon Valley verbannen wollen, weil sie schwul, lesbisch oder trans sind, Europa eine Riesenchance. Was wir jetzt tun müssten, wäre besonders verlockende Arbeits- und Aufenthaltsangebote für sie schaffen und sie massenweise zu uns rüberholen. Unterstützt sollte das durch einen dezidierten Fonds, der finanzielle Unterstützung bei der Umsiedlung anbietet. Sprache wird kein Problem sein – Englisch spricht in der IT-Branche jeder. Nur muss man die deutsche Bürokratie davon überzeugen, nicht auf die unsinnigen deutschen Sprachtests zu verzichten, die für alle Imigranten gelten. Aber das ist ein ganz anderes Thema…