Haben Banken eine Zukunft? Diese Frage, so ketzerisch sie klingen mag, gehört an den Anfang eines Diskurses, bei dem es um mögliche Zukunftsstrategien dieser Branche geht. Und dies nicht erst, seit sich Banken im Allgemeinen mit der weitgehend selbstverschuldeten Subprime-Krise wieder mal ins Schussfeld der öffentlichen Kritik manövriert haben.
Kein Zweifel: Banken haben gerade eine schlechte Presse. Das Vertrauen ist erschüttert – auch das Vertrauen der Banker selbst.
Das Internet hat auch in anderen Branchen Existenzängste ausgelöst: Musikindustrie, Filmstudios, Reisebüros, Zeitungsverlage und Fernsehsender stellen sich zum Teil seit Jahren intern und extern die Frage nach der eigenen langfristigen Überlebensfähigkeit. Sie alle sind von zum Teil katastrophaler Kunden- und Ertragserosion gekennzeichnet beziehungsweise müssen sich oft verzweifelt (und erfolglos) bemühen, überkommene Geschäftsmodelle vor den Folgen neuer Technologien, vor der weltweiten Vernetzung, vor neuartigen direkten Kommunikations- und Transaktionskanälen, vor branchenfremder Konkurrenz, vor verändertem Konsumverhalten und vor neuen Erwartungshaltungen seitens der Kunden zu schützen. Meistens handelt es sich erkennbar um Rückzugsgefechte, womöglich um ein letztes verzweifeltes Aufbäumen.
Ob Banken überleben werden, zumindest in ihrer heutigen Form, ist in den letzten Jahren immer wieder kritisch hinterfragt worden, sowohl von Beobachtern als auch von den Bankern selbst. Gewarnt wurde vor der Gefahr, die von so genannten „ near“ oder „non banks“ ausgehen sollte, ebenso wie vor Online-Portalen, die Kundenkredite unter Umgehung der klassischen Banken direkt zwischen Geldgeber und Kreditnehmer vermitteln. Als drohendes Schreckgespenst wartet in den Kulissen immer noch die Vorstellung alternativer Zahlungsmittel, etwa der „Microsoft-Dollar“, der nicht mehr durch staatliche Währungssysteme, sondern durch einzelne Unternehmen oder durch die globalisierte Privatwirtschaft selbst gedeckt wäre und sich somit der Kontrolle monetärer Politik sowie dem Einfluss der klassischen Banken entziehen würde.
Der Kampf um den Kunden hat in der Bankenwelt eine neue Dringlichkeit bekommen. Banken befinden sich in einem brutalen Verdrängungswettbewerb, auf die die meisten Banken nur schlecht vorbereitet sind.
Eine Studie der renommierten Unternehmensberatung Bain and Company, an der ich die Ehre hatte, mitwirken zu dürfen, kam bereits vor zwei Jahren zu einem vernichtenden Fazit:
„Die Phase der Anpassung und Unsicherheit in der Finanzwirtschaft nach den turbulenten Jahren des Internet-Hype war von Umsatzrückgang und strengem Kostenmanagement gekennzeichnet. Statt mit Wachstumsstrategien haben sich Bankmanager auf der ganzen Welt mit Personalabbau, Filialschließungen und schmerzhaften Wertberichtigungen beschäftigen müssen. Dieser einseitige Fokus auf Sparmaßnahmen hat in vielen Fällen den Blick verstellt für Wachstumschancen, die sich gerade in letzter Zeit wieder verstärkt anbieten.“
In diesem Zusammenhang hat Bain eine Umfrage von 1500 typischen Bestandskunden der deutschen Banken durchgeführt und die Weiterempfehlungsbereitschaft mit Hilfe des Net Promotor Score (NPS) evaluiert. Dabei stellt sich heraus, dass Banken (nicht nur in Deutschland) im Industrievergleich schlecht abschneiden. „Dadurch wird nicht nur die Profitabilität der bestehenden Kundenbeziehungen gefährdet. Es werden vor allem Chancen vergeben, die eigenen Kunden als Förderer und Wachstumsmotoren einzusetzen“, hieß es in der Studie weiter.
Banken, die überleben wollen, müssen sich heute ganz klar differenzieren. Ebenso klar ist, dass die größten Differenzierungsmöglichkeiten im Bereich der beratenden Interaktionen und in der Reaktion auf Notsituationen der Kunden liegen. Dies setzt allerdings voraus, dass Banken wissen, was ihre Kunden wollen. Erfolgreiche Banken haben komplette Transparenz über ihre Interaktionen mit den Kunden, sind in der Lage, zwischen wichtigen und unwichtigen Interaktionen zu unterscheiden, kennen ihre Performance bei den wichtigen Interaktionen und steuern ihren Ressourceneinsatz entsprechend.
Zwei Faktoren werden in der Zukunft entscheidend sein, wenn Banken diese ehrgeizigen Ziele erreichen wollen: Technologie und Kundenwissen. Bei genauem Hinsehen stellt sich nämlich heraus, dass viele Banken gar nicht wissen, was ihre Kunden wirklich wollen, beziehungsweise warum sie untreu werden und abwandern.
In der Bain-Studie wurde versucht, die ermittelte „Net Promotor Score“ (NPS), also die Bereitschaft der Kunden, „ihre“ Bank im Bekannten- oder Kollegenkreis weiter zu empfehlen, mit bestimmten Dienstleistungen der Banken sowie der Interaktionspunkte zwischen Bank und Kunde in Beziehung zu setzen. Daraus ergab sich eine „Hit-Liste“ möglicher Banken-Angebote, die sich leider in Teilen völlig von der Selbsteinschätzung mancher Bank-Profis unterscheidet.
So rangierte die Servicequalität bei Verlust der Kreditkarte in der Kundenbeurteilung gleich an zweiter Stelle hinter einer ordentlichen Anlageberatung. Entgegenkommen in Fragen der Vorfälligkeit von Festanlagen sowie beim Überschreiten der Kreditlinie sowie die Schnelligkeit, mit der Geldbeträge von einer Bank zur anderen überwiesen werden können, spielen bei der Empfehlungsbereitschaft des Kunden die größte Rolle. Dagegen beeindruckt die allfällige Glückwunschkarte zum Geburtstag offenbar kaum. Und Bankleistungen wie einfache Transaktionsführung oder kostenlose Kontoauszüge werden ebenso wie das Erscheinungsbild der Filiale eher als selbstverständlich erachtet, sind also als „Hygienefaktoren“ einzustufen.
Um den NPS zu ermitteln, befragte Bain im Rahmen der Studie 1500 typische Privatkunden deutscher Banken. Das Ergebnis: Banken schneiden in dieser Kategorie generell schlecht ab, vor allem im Vergleich mit anderen Branchen, die Bain in der Vergangenheit nach dieser Methode untersucht hat (siehe Abb. 5). So liegt der NPS von PC-Herstellern in den USA bei beachtlichen 33 Prozent. Ein Drittel aller PC-Käufer würden demnach ihren Freunden und Berufskollegen die von ihnen favorisierte Marke aktiv empfehlen. Die Bedeutung einer solchen Multiplikatorenschaft für Wachstum und Ertrag eines Unternehmens liegt auf der Hand. US-Fluggesellschaften hingegen, die landläufig als wenig kundenfreundlich oder serviceorientiert gelten, schneiden im Schnitt immer noch mit einer Empfehlungsrate von 16 Prozent relativ gut ab.
Neben dem absoluten Wert des NPS ist auch die Streubreite der Ergebnisse ein wichtiges Indiz für die relative Zufriedenheit von Kunden. So ist zum Beispiel im Fall eines als Discountbank in ganz Deutschland operierenden Filialisten jeder zweite Kunde bereit, seine Bank zu empfehlen, während bei den klassischen Großbanken der Wert deutlich niedriger ist, nämlich zwischen 4 und 12 Prozent (in einem Fall sogar bei -25 Prozent!). Das ist für die betroffene Bank ein potenziell katastrophaler Zustand und wohl auch einer der Gründe, weshalb dieses Institut mittlerweile nicht mehr selbständig im Markt agiert: Jeder vierte Kunde empfiehlt seinen Freunden und Bekannten aktiv, NICHT zu dieser Bank zu wechseln!
Gerade im Zeitalter des so genannten „Web 2.0“, vom Empfehlungs-Marketing und viraler Werbung, ist es wettbewerbs- und unter Umständen sogar existenzentscheidend, dass Banken ihre Bemühungen darauf konzentrieren, ihren Net Promoter Score zu verbessern. Kunden sind die besten Berater anderer Kunden. Diese Erkenntnis, die sich langsam in anderen Wirtschaftszweigen durchzusetzen beginnt, gilt für die Finanzwirtschaft in noch viel höherem Maße!
Wenn eine Bank erst einmal die wahren Wünsche ihrer Kunden erkannt hat, muss sie darauf reagieren können. Technologie bildet hier den Schlüssel. Der weltweit erfolgreiche Buchhändler Amazon beschäftigt nicht tausende von Buchhändler, um Millionen von Kunden gezielte persönliche Empfehlungen darüber zu geben, welche Bücher ihnen womöglich gefallen können, das besorgen selbstverständlich Computersysteme, so genannte „kollaborative Filter“ – schlaue Software, die anhand des Kundenprofils und seines vergangenen Kaufverhaltens erstaunlich genau vorhersagen können, was der Kunde in Zukunft zu kaufen bereit sein wird. Ein großer französischer Supermarktkonzern ist in der Lage, mit Hilfe ausgewerteter Daten aus ihrem Kundenbindungs/Kundenkarten-Programm das Kaufverhalten jedes einzelnen Kunden bis ins Detail zu analysieren und die Erkenntnisse daraus direkt in Sortimentsgestaltung, Preisfindung und sogar in die Layoutplanung einzelner Filialen einfließen zu lassen: Eine genauere Analyse ergab zum Beispiel, dass in Paris, wo der Anteil junger Singles sehr groß ist, erheblich mehr kleinere Tuben von Shampoo oder Duschgel verkauft werden. Im ländlichen Rennes dagegen, wo der Anteil von Familien mit niedrigem Einkommen überwiegt, ist der Anteil der großen Packungseinheiten sehr viel höher. Durch die Entscheidung, das Sortiment in jedem Supermarkt entsprechend dem tatsächlichen Kundenbedarf zu gewichten, spart der Konzern nach eigenen Angaben im Einkauf bis zu 50 Prozent – und schafft gleichzeitig zufriedenere Kunden.
Steve Gray, Geschäftsführer der Emnos GmbH, ein spezialisierter Anbieter von ganzheitlichen Marketinglösungen und Tochterunternehmen von Loyalty Partners (Betreiber von „Payback“) hat dafür den Ausdruck „Customer Insight“ erfunden – Kunden-Einblick, also Marktforschung auf der Ebene jedes einzelnen Kunden. Gray nennt dabei vier ebenso ehrgeizige wie konkrete Ziele:
- Transparenz über das unterschiedliche Kaufverhalten der wichtigsten Kundensegmente schaffen
- Tools und Prozesse entwickeln, um diese Erkenntnisse laufend und zeitnah in Management-Entscheidungen umsetzen zu können.
- So genannte „Key Performance Indicators“ (KPIs) als Richtgrößen schaffen, um die gewonnenen Kunden-Einblicke mit der Unternehmensstrategie abzugleichen.
- Umsatz und Gewinn durch einen stärkeren Kunden-Fokus der Produkte und Dienstleistungen
Wenn Banken ihre Kunden erfolgreich bei der Stange halten wollen, werden sie in viel stärkerem Maße als bisher solche und ähnliche Technologien einsetzen müssen. Die Voraussetzungen dafür könnten im übrigen kaum besser sein, denn nirgendwo dürften mehr „verborgene Schätze“ von Kundenwissen schlummern als in den Systemen der Banken sowie in den Köpfen ihrer Mitarbeiter. Leider haben sich Banken aber in der Vergangenheit außerordentlich schwer getan, diese Schätze zu heben und sie in verwertbare Erkenntnisse und konkrete Maßnahmen umzusetzen. Leider glauben viele Bankenmanager, mit dem Versand der jährlichen Glückwunschkarte zum Geburtstag hätten sie ihr Soll in Sachen Customer Relationship Management erfüllt.
Nicht, dass nicht die meisten Banken etwa verabsäumt hätten, sich rechtzeitig mit der entsprechenden CRM-Software einzudecken. Aber leider beschränken sich solche Systeme, wie der Name andeutet, auf das bloße Verwalten von Kundenbeziehungen. Es geht um mehr: um eine holistische Sicht auf den Kunden mit dem Ziel, dessen Wünsche und Bedürfnisse vorauseilend zu identifizieren.
CRM muss heute in Verbindung mit einem anderen, ebenfalls recht jungen Feld der IT-Technik gesehen werden, nämlich dem so genannten Identity Management (IM). Diese wird allerdings vor allem von der hauseigenen EDV oft nur im Zusammenhang mit Zugangskontrolle gesehen, also als eine Art verlängerten Arm der IT-Sicherheit. Das ist kurzsichtig und verkennt die enormen Möglichkeiten, die sich Banken damit bietebn, das Wissen um Kunden, Partner und Mitarbeiter aktiv zu nutzen, um neue Geschäftsfelder zu erschließen und neue Geschäftschancen am Schopf zu packen.
Auf der Jahreskonferenz „Digital ID World“ in Santa Clara hat der IM-Experte Phil Becker letztes Jahr den Begriff umgedreht und erweiter. Der sicht von „Management by Identity“ und behauptete: „Erst durch Management by Identity wird die eigentliche Power des Netzwerks entfesselt.“ Dies gilt insbesondere für Banken. Statt das reine Verwalten von Identitäten als routinemäßige Hausarbeit zu sehen, gilt es seiner Meinung nach, die Herausforderung aufzugreifen, Geschäfts- und IT-Prozesse mit Hilfe von Identitätsdaten so eng miteinander zu verzahnen, dass sich daraus völlig neue Business-Szenarien ergeben.
So verstanden ist Identity ist Management nicht mehr und nicht weniger als der konsequente nächste Schritt in der Evolutionsgeschichte der IT-Netzwerke. Diese waren ursprünglich nicht nur in der Bankenwelt geschlossene Systeme. Mit der Öffnung der Netze im Zeitalter der totalen Vernetzung wurden Firmennetze zunehmend Opfer von Spionage, Sabotage oder Vandalismus, und IT-Abteilungen reagierten fast panikartig, indem sie sich mittels elektronischer Brandschutzmauern von dem „unsicheren“ Internet abschotteten. Wobei ja schon der Begriff „Firewall“ sagt, worum es geht: Umzäunte Freiräume zu schaffen, in denen man sich in Sicherheit wähnen konnte, während draußen vor der Mauer allerlei Gefahren lauern.
Dieses Bild des Internet ist längst überholt. Die Sicherheitstechnik, wenn auch noch hier und da anfällig, ist im Grunde so ausgereift, dass Firmen und ja, auch Banken, getrost mit mehr Mut daran gehen könnten, ihre Kunden auch in sensible Geschäftsprozesse online einzubinden und ihnen noch mehr als bisher Zugang zu für sie als wichtig erkannte Informationen und Dienstleistungen zu gewähren.
„Business braucht Vernetzung – ohne Vernetzung kein Business“, sagte ein Sprecher auf der European Identity Conference vergangenen Mai in München. Man könnte in unserem Kontaxt noch einen Schritt weitergehen und sagen: Banken brauchen Vernetzung – und ohne Vernetzung keine Banken.“ Es geht darum, Geschäftsprozesse, Workflows, Kundenbeziehungen und Menschenführung durch Vernetzung zu verbessern und dynamisch an sich verändernde Situationen anzupassen. Identity Management hilft dabei, Vertrauen zu schaffen – und damit die Grundlage für wirtschaftliches Handeln in einer digitalen Welt.
Immer mehr Menschen lernen heute die Vorteile der Vernetzung über den Umgang mit Firmennetzwerken oder dem Internet kennen. Sobald sie erkannt haben, welchen Wert solche Informationen und Anwendungen für sie haben können, wächst ganz instinktiv der Wunsch, sie immer intensiver zu nutzen und so miteinander zu kombinieren, dass der größtmögliche Mehrwert für mich, dem Benutzer, entsteht. Es ist aber schlechterdings nicht möglich vorauszusagen, welche Kombinationen von Informationen und Anwendungen für den einzelnen Benutzer die richtige sein wird. Deshalb gehen Anbieter zunehmend dazu über, Anwendungsmodule zu bauen wie elektronische Lego-Bausteine und diese über das Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Das ist der Grund, weshalb Web Services heute eines der dynamischsten Marktsegmente überhaupt in der IT-Welt geworden sind.
Ist es erst einmal möglich, sich des Lego-Prinzips zu bedienen, dann wird als nächstes die Forderung laut, Anwendungen nahtlos und ohne Zeitverlust mit bestehenden Geschäftsprozessen zu verbinden. Anbieter wie IBM sprechen nicht umsonst in diesem Zusammenhang vom „On-Demand Business“. Solche Systeme müssen in der Lage sein, auf der Grundlage von Identitäten Daten und Anwendungen häufig über Unternehmensgrenzen hinaus zu verwalten, zu kontrollieren und mit anderen Anwendungen zu integrieren. Management by Identity steht also am Anfang einer neuen Art von IT-Architektur – dezentral, netzwerkübergreifend, dynamisch.
Solche Systeme müssen nahezu autonom arbeiten können. Dazu wird es nötig sein, dem heutigen Modell der „Identitäts-Silos“, in denen Identitäten intern gespeichert und verwaltet werden, ein Konzept der „Identitäts-Netzwerke“ entgegenzustellen.
Das in Bankenkreisen sattsam bekannte Stichwort „Allfinanzverbund“ beschreibt nach wie vor das Fernziel, das alle Banken im Visier haben müssen. Es geht darum, ein Netzwerk an Dienstleistungen und Produktangeboten um den Kunden herum so zu stricken, dass dieser gar nicht mehr auf die Idee kommt, womöglich die Bank zu wechseln oder es auch mal bei der Konkurrenz zu versuchen. Dieses Netz muss von tatsächlichen Kundenbedürfnissen ausgehen und diese möglichst umfassend erfüllen. Es geht also nicht nur um die üblichen Bankenleistungen, sondern um alle so genannten privaten und geschäftlichen Geldbedürfnisse des Kunden, also auch Versicherungen, Geldanlage, Immobilien, Asset oder Risiko Management.
Der genossenschaftliche Finanzverbund rühmt sich seit Jahren, dieses Versprechen beim Kunden einlösen zu können. Schaut man aber genauer hin, stellt man fest, dass auch innerhalb der „Familie“ unüberwindbare Barriere bestehen: inkompatible Hardware- und Software-Systeme, inkompatible Datenformate, Medienbrüche, nichtdigitalisierte Prozesse, die zu händischer Eingabe und damit zu Fehler und Mehrkosten führen, ganz zu schweigen von Zuständigkeitsgerangel und Besitzdenken seitens der Stakeholder, die ihr Herrschaftswissen möglichst bis zur anstehenden Pensionierung mit Klauen und Zähnen verteidigen wollen.
Banken sind da nicht anders als andere Unternehmen. Die Folgen solcher mangelnden Durchgängigkeit machen sich nur bei ihnen schlimmer bemerkbar als anderswo. Dazu kommen teilweise völlig überzogene Vorstellungen und Forderungen seitens des Datenschutzes, der sich in Deutschland langsam im internationalen Vergleich zu einem echten Standortnachteil auszuweiten droht. So ist es beispielsweise im genossenschaftlichen Verbund oft gar nicht erlaubt, Wissen um den Kunden des einen Teilunternehmens an ein anderes zu übertragen, also beispielsweise der Hausbank zu sagen, dass demnächst eine Lebensversicherung zur Auszahlung kommt und der Kunde deshalb in diesem Moment vielleicht Bedarf nach Anlagenberatung haben könnte.
Es gibt nicht nur bei den Genossen im Bankensektor unzählige solcher Wissen- und Identitäts-Silos. Dem müssen Banken in Zukunft ein Konzept des „Identitäts-Netzwerks“ entgegensetzen. In diesem Zusammenhang gewinnt das Schlagwort „Federated Identity“ eine immer größere Bedeutung: integrierte, datenschutzrechtlich unbedenkliche Nutzung von digitalen Identitätsdaten ohne die Notwendigkeit einer integrierten oder zentralen Identitätsverwaltung.
In der freien Wirtschaft gibt es immer mehr Fälle von Unternehmenspartnerschaften, so genannten „circles of trust“, die auf der Grundlage bestehender Industriestandards und herstellerneutraler Verfahren kunden- und benutzer-zentrische Netzwerke spinnen, die einzig dazu dienen, eine holistische Betreuung und Bedarfsbefriedigung durch mehrere ansonsten nicht miteinander verwandter Firmen zu ermöglichen. Die Verwendung solcher Standards – den Fachleuten werden Begriffe wie die „SAML“, „ID-FF“ oder WS_Federation“ etwas sagen – könnte eines nicht allzu fernen Tages dazu führen, dass der Traum vom Allfinanzverbund wahr wird. Meines Erachten sind genossenschaftliche und kommunale Finanzdienstleister aufgrund ihrer ohnehin vorhandenen Leistungs- und Angebotsbreite sowie ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem umfassenden Finanzsystem am allerbesten in der Lage, hier den Vorreiter zu spielen.
Die Details mögen die IT-Techniker ausknobeln – Hauptsache, es besteht der gemeinsame Wille aller, sich zu einem echten Netzwerk zusammen zu finden, in deren Mittelpunkt der Kunde steht. Wenn es ihnen gelingt, dann könnte der Diskurs um die Zukunft der Banken etwas weniger emotional geführt werden.