Es hat lange – viel zu lange – gedauert, aber so langsam scheinen die Deutschen ihre atavistische Angst vor Cloud Computing abzulegen. Es sind gar nicht so viele Jahre her, das wurde Martin Jetter, der damalige Deutschlandchef von IBM, von einem typischen schwäbischen Mittelständler gefragt: „Kennet Sie mir sage, wo meine Daten send, wenn ich sie in diese Cloud steck?“ Jetter verstand die Frage offenbar nicht, antwortete dann -typisch Techie – das sei doch egal, Hauptsache er, der Kunde könne jederzeit darauf zugreifen, und die Daten wären sicher.“ Mit ihm nicht, meinte der Schwabe: „I will immer ganz genau wisse, wo meine Daten send. Des mit der Cloud ischt nix für mi!“
Dabei ist Cloud Computing ja längst nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Die Ursprünge des „Distributed Computing“ reichen allerdings zurück in die Computer-Steinzeit. Bereits Ende der 60er Jahre machte das ARPANET der US-Militärs vor, wie man mit Hilfe von dezentraler Netzstruktur und Paketvermittlung ein weltumspannendes Kommunikationssystem bauen konnte, das auch noch sicher war! In den 70er war es möglich, per Ethernet-Verbindungen Computer über weite Distanzen zusammenzustecken. Das erste Symposium über die Prinzipien des Distribuierten Computings fand 1982 in Ottowa statt, und in den 90er Jahren tauchte dafür erstmals der Begriff des „Cloud Computing“ auf. John Burdette Gage, der berühmte Chefwissenschaftler von Sun Microsystems, prägte um diese Zeit den unsterblichen Satz: „Das Netzwerk ist der Computer!“
Es folgte, zumindest hierzulande, ein tiefes Jammertal. Statt mutig auf den Zug in die verteilte Computerzukunft aufzuspringen, zogen sich deutsche Unternehmer und Privatnutzer lieber zurück ins stille Kämmerlein. Hauptsache sicher, das war ihnen viel wichtiger.
Doch inzwischen scheint ein Umdenken einzusetzen „Beim Speichern privater Daten in der Cloud ist Deutschland gespalten in zwei etwa gleich große Lager von Befürwortern und Skeptikern. Doch es ist ein Pro-Cloud-Trend zu beobachten: Das zeigt eine exklusive Umfrage, die das Marktforschungsunternehmen forsa im Auftrag von STRATO durchgeführt hat,“ schreiben die Autoren einer aktuellen Studie, die vom Internet-Provider Strato in Auftrag gegeben wurde und der nun vorliegt. 1.003 deutsche Internetnutzer im Alter von 18 bis 75 Jahren wurden befragt, und die Ergebnisse geben wenigsten zu Hoffnung Anlass.
Immerhin hat sich bei nunmehr drei Viertel von ihnen herumgesprochen, dass die Cloud sicher ist: 78% geben „Schutz vor Datenverlust“ als Hauptgrund dafür an, dass sie Cloud-Anwendungen nutzen. 76% möchten unabhängig sein von physischen Speichermedien sein – Festplatten-Absturz, das war gestern!
Aber ein Rest an Skepsis bleibt. Benutzer sind eher bereit, weniger sensitive Daten wie Fotos (90%) oder Kalenderdaten (76%) in der Cloud zu hosten als Gesundheitsinformationen (29%) oder Finanzdaten (19%). Und überhaupt ist dem deutschen Nutzer wohler wenn er weiß, dass seine Daten wenigstens im eigenen Land aufbewahrt werden. 52% unterschreiben den Satz: „Ich bin bereit, Geld für einen Cloud- bzw. Online-Speicher zu bezahlen, wenn meine Daten ausschließlich auf Servern in Deutschland gespeichert werden“. Nur 35% ist es egal, in welchem Land ihre Daten liegen.
Dafür werden deutsche Nutzer in der Wahl ihres Cloud-Anbieters offenbar immer wählerischer. Immerhin gilt flexibler Zugriff mit mobilen Geräten wie Laptop und Smartphone als Hauptargument (82%), aber gleich danach kommt als Auswahlkriterium die Möglichkeit, die Daten verschlüsselt in der Cloud ablegen zu können (64%). Nur 53% schauen zu allererst auf den Preis,
Bis sich Cloud-Nutzung im Land der Dichter und Denker ganz durchsetzt, wird aber wohl noch viel Zeit vergehen. So haben bis heute 49% der Internetnutzer keine Cloud, doch immerhin jeder dritte Nicht-Nutzer denkt wenigsten darüber nach, sich dem Zug der Zeit anzuschließen. Auch hier sind der flexible Zugriff und der Datenschutz die wichtigsten Argumente.
Nur auf eine Frage gibt die neue Studie leider keine Antwort, nämlich auf die landsmannschaftliche Verteilung der Cloud-Nutzer. Ich würde so gerne wissen, ob unser alter Schwabe inzwischen seine Meinung geändert und zum überzeugten Cloud-Anhänger geworden ist. Aber so wie ich die kenne, könnte es noch lange dauern…