Es ist das Zeichen schlechthin für die neue Zeitrechnung, das „Internet-Zeitalter“, das unsere Welt so gründlich auf den Kopf gestellt hat wie zuvor allenfalls die Erfindung der Druckerpresse. Die Rede ist vom „@“, vulgo auch „Klammeraffe“ oder „Affenohr“ genannt. Im offiziellen Umgang hat sich der Begriff „At-Zeichen“ eingebürgert, der dem Englischen entlehnt ist, wo er in der Kaufmannsprache als „commercial at“ bekannt ist und den Preis pro Einheit einer Ware bezeichnet („300 apples @ 3 cents = $9,00“).
Der Legende nach ist es im Mittelalter als so genannte Ligatur entstanden, also als die handschriftliche Verschmelzung der Buchstaben „ad“, das lateinische Wort für „und“. Die guten Mönche hatten es auch schon eilig, und so verlängerten Sie einfach den Abwärtsstrich beim „a“ zu einem Kringel, den sie um den Buchstaben herumzogen, um sofort beim nächste. Buchstaben weitermachen zu können.a
Anfang der 1970er Jahre war Ray Tomlinson, der Erfinder von E-Mail, auf der Suche nach einem möglichst ungenutzten Zeichen im Schriftsatz amerikanischer Fernschreiber (der so genannte ASCII-Code), und er entschied sich für das „@“. Das passte ja auch gut zum Syntax, da nach dem Namen des Benutzers der Servername folgen sollte, was man sich auch im übertragenen Sinn als den Ort vorstellen konnte, an dem der Empfänger auch physisch erreichbar war, damals meistens irgendeine Universität (timcole at marylandu.com).
Getreu dem Motto: „was gut ist für Amerika ist gut für die Welt“ haben die frühen Internetanbieter auch die Bezeichnung „at“ in ihren kulturkolonialistischen Reisegepäck in andere Länder hinausgetragen, aber sie haben es nicht ganz geschafft, alle damit zu überzeugen. Bei uns im Salzburger Außergebirg treibt nämlicher der Klammeraffe munter seinen Schabernack, und auch das Affenohr trifft man hin und wieder an.
Aber wie sieht es in anderen Ländern aus? Auf diese Frage brachte mich Sam Borden, seines Zeichens Sportreporter für die New York Times und als solcher viel in aller Welt unterwegs. Er berichtete von einem Telefonat mit einer Kollegin aus Dänemark, die er um ihre Mail-Adresse bat, woraufhin sie ihm etwas von „Snabel-a“ vorfaselte. Wie sich herausstellte, bedeutet „Snabel“ in den meisten nordischen Sprachen „Rüssel“, wie in „Elefantenrüssel“ – woran das At-Zeichen ja auch irgendwie erinnert. Kollege Borden brauchte aber ziemlich lange, bis er das verstand.
Mich hat das neugierig gemacht, und ich bin bei Google deshalb auf Sprachforschungsreise gegangen und kann vermelden, dass in punkto @ eine geradezu babylonische Sprachverwirrung herrscht. Der Italiener sagt dazu „chicciola“’ also „Schnecke“, während das Ding in Finnland „Katzenschwanz“ und in Griechenland „Entenküken“ heisst. Für den Chinesen ist es die „kleine Maus“, die Tschechen und Slovaken nennen ihn „Rollmops“ und die Ungarn erkennen darin wahlweise einen „Wurm“ oder eine „Fliegenlarve“. Die offizielle Bezeichnung in Portugal lautet „Aroba“, was aus dem Arabischen stammt,, und die Franzosen haben sich ihnen angeschlossen und nennen ihn „arobas“. Für den Armenier ist er ein „junger Hund“, nebenan in Russland nennen sie ihn nur einfach „Hund“. Die Norweger haben noch einen zweiten Begriff dafür neben „Elefantenrüssel“ nämlich „krøllalfa“, was so viel bedeutet wie „Kringel“.
Was mir als Amerikaner ganz neu war, ist das meine Landsleute auch „Strudel“ sagen, eines von vielen Lehnwörtern, die deutsche Einwanderer mitgebracht haben und das eine durchaus übliche Bezeichnung für süßes Gebäck ist.
Ganz spannend wurde es auf meiner Reise aber, als ich auf ganz andere Verwendungen für das Zeichen“@“ stieß, etwa in verschiedenen Programmiersprachen, aber auch zur Herstellung von Geschlechterneutralitat in Spanisch und Portugiesisch. Die männliche „o“ am Ende vieler Hauptwörter wird von Feministinnen gerne mit dem Klammeraffen ersetzt , etwa analog der Binnenendung „Innen“ bei uns im Deutschen („StudentInnen“).
Das „@“ übt aber auch eine seltsame Anziehungskraft auf andere ExtremistInnen aus: In der Spackeria-Szene, so las ich, wird der Klammeraffe gerne als Ersatz für das Kringel-A der Anarchisten verwendet, da dieses Zeichen bei ASCII komplett fehlt. So behilft man sich eben, und macht dabei noch aus der Not eine Tugend: Selbst das ausgefeimteste Schnüffelprogramm der NSA wird wohl kaum merken, dass sich Anarchos mit einem fröhlichen „@“ gegenseitig Mut in ihrem mühsamen Kampf gegen das kapitalistische Establishment zusprechen. Die denken sich da allenfalls: „Die haben wohl eine. Affen…“.
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