Vom Wesen und vom Arbeiten des „Redakteurs“

Das kommt raus, wenn Redakteure versuchen zu schreiben...

Das kommt raus, wenn Redakteure schreiben

Das Frauenmagazin „Brigitte“ kürzt Stellen, was erwartungsgemäß zu einem heftigen Aufschrei unter den so genannten „Qualitätsjournalisten“ geführt hat. Die „Welt“ titelte gar: “Brigitte schafft ihre schreibenden Redakteure ab“.

Offenbar ist dem schreibenden Redakteur der „Welt“ gar nicht aufgefallen, was für einen Stuss er da abgesondert hat. Aber er ist alles andere als alleine damit.

Und es ist nicht vorausgesetzt, dass er überhaupt ein guter Schreiber sein muss: Spezialisierung ist unter journalistisch Tätigen ein alter Hut. Früher gab es noch Korrektoren bei der Zeitung, heute macht das Microsoft. Bei der „Bildzeitung“, wo ich in den 70ern die Ehre und das Vergnügen hatte, arbeiten zu dürfen hatten wir in der Hamburger Zentralredaktion Kollegen, deren einzige Aufgabe darin bestand, tolle (sprich: zugkräftige) Headlines zu texten wie diese: „Blauer Himmel. Es war kein Tag zum Sterben.“

Einen Grund für den schleichenden Niedergang des deutschen Journalismus sehe ich darin, dass Verleger von ihren angestellten Redakteuren verlangen, dass sie schreiben sollen. Das mag vielleicht auf den ersten Blick aus wie ein prima Geschäftsmodell, und es ist (zumindest in Deutschland) universell verbreitet: Der Redakteur ist gleichzeitig Schreiberling, also spart man sich die Kosten für gute Autoren. Es ist aber eines der Gründe, weshalb die meisten Autoren heute keine mehr sind. Sie können sich nämlich den Luxus, vom Schreiben zu leben, nicht mehr leisten. Sie sind gezwungen, sich durch Nebenbeschäftigungen über Wasser zu halten, etwa indem sie PR-Texte schreiben oder, wie ich, Bücher schreiben und Vorträge halten.

Ich hatte das große Glück, auf dem Höhepunkt des deutschen Qualitätsjournalismus als Freier tätig zu sein, also Mitte der 70er Jahren. Ich arbeitete viel für den deutschen „Playboy“ unter dem legendären Chefredakteur Fred Baumgärtl. In dieser Zeit bestand die Redaktion des Playboy aus einem guten Dutzend Leuten und einem riesigen Netzwerk von so genannten „Edelfedern“.

Die Edelfedern, zu denen meine Freunde Ossi Urchs und der spätere Prädikatswinzer und zeitweiliger Chefredakteur des „Gault-Millau Wein Guide“, Armin Diel gehörten, schrieben. Die Redakteure sorgten dafür, dass die richtigen Themen ins Blatt kamen und die richtigen Autoren die Aufträge (und ein gutes Honorar) bekamen.

Wir haben zusammen ein tolles Blatt gemacht, das in der Spitze über 800.000 Exemplare im Monat verkaufte und sogar „Spiegel“ und „Stern“ bedrohlich nahe kam. Davon können die heutigen Spieljungen ja nur träumen, aber das ist eine andere Geschichte und hat viel mit sich veränderndem Sexualverhalten, Aids und dem Aufkommen des Internets zu tun.

Ich habe später nochmal Erfahrungen mit der dezentralisierten Redaktionsform und der tayloristischen Teilung von Redaktionsaufgaben gemacht, nämlich als Chefredakteur des „Net Investor“, ein Wirtschaftsmagazin für die „New Economy“, das Ende der 90er Jahre von einem kleinen Verlag in Vaterstetten herausgegeben wurde. Die Verleger hatten wenig Geld, und wir konnten uns eine große Redaktion überhaupt nicht leisten.

Stattdessen haben wir ein Netzwerk von Fachautoren aufgebaut, die das Blatt vollgeschrieben haben. Die Redaktion bestand nur aus mir als Freiberufler und Teilzeit-Chefredakteur, einer tollen Chefin vom Dienst namens Britta Viets (die heute mit unserem damaligen – freien – Grafiker Ekkehard Schmider verheiratet ist) und einem Technikredakteur, Armin Karpf.

Natürlich half es, dass wir alle ausgesprochen internet-affin waren und das Netz für uns zu nutzen wussten. Wir haben Redaktionskonferenzen online abgehalten, Autorenbriefings per E-Mail gemacht und Korrekturen im Computer. Und wir haben als „Redakteure“ auch das Layout selbst gemacht: Ekkehard baute Vorlagen, und wir haben die Texte und Bilder selbst mit QuarkExpress montiert, gekürzt und Bildtexte geschrieben. So sparte sich der Verlag auch den ganzen Prepress-Aufwand.

Soll mir also keiner sagen, dass es nicht geht, nämlich mit einem Netz von Freien ein Heft zu bauen, das es in Sachen journalistischer Qualität mit jedem aufzunehmen kann! Man muss es nur wollen und intelligent genug sein zu erkennen, dass „Redakteure“ und „Autoren“ zwei verschiedene Wesen sind. Und natürlich braucht man die Weitsicht, seinen Autoren so viel zu zahlen, dass sie überleben können.

Ich wünsche jedenfalls der „Brigitte“ mit dem neuen Konzept viel Erfolg und alles Gute. Den beteiligten Journalisten auch, denn das Leben als Freier ist schön, wie ich aus 25jähriger Praxis weiss. Die Verleger sollen von mir aus gucken, wo sie bleiben. Sie haben uns diese ganze Schose nämlich eingebrockt.

 

PS: Mein Freund Franz-Peter Stohbücker ist ein richtig guter Redaktor – was man hier sieht: Er hat die Originalversion dieses Posts redigiert.

Das Frauenmagazin-1

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