Der beste Weg, mehr über seinen Kunden zu erfahren, ist es natürlich, Sie lassen ihn selbst erzählen, was er will. Das Problem dabei ist nur leider: Die meisten Leute hören nicht zu! Nun könnte man ja meinen, Zuhören sei ja wohl keine große Kunst. Weit gefehlt! Richtiges Zuhörern will gelernt sein.
Es gibt auf diesem Gebiet auch umfangreiche Forschungsarbeiten, und die Ergebnisse sind häufig ganz erstaunlich. Der amerikanische Soziologe Dr. Lyman K. Steil ist Leiter der International Listening Association und Berater vieler Konzerne sowie des US-Militärs. Dr. Steil hat die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen in den Industrienationen untersucht und kommt zu dem Schluss, dass der Durchschnittsmensch den weitaus größten Teil seiner wachen Momente mit Kommunikation verbringt, nämlich fast 80 Prozent. Fast die Hälfte dieses Kommunikations-Budgets wird aber nicht mit „aktiven“ Tätigkeiten wie Sprechen, Lesen oder Schreiben, sondern dem „passiven“ Zuhören verbracht (siehe Tabelle 1).
Tätigkeit | % |
Schreiben | 9 |
Lesen | 16 |
Sprechen |
30 |
Zuhören | 45 |
Tabelle 1: Prozentualer Verteilung der menschlichen Kommunika¬tionsfunktionen im Alltag (Quelle: Sperry Corp. / International Listening Association)
Diese Zahlen sollten uns nachdenklich machen. Denn während wir als junge Menschen in der Schule einen erheblichen Aufwand betreiben, um Schreiben, Lesen und Sprechen zu lernen, wird sozusagen vorausgesetzt, dass wir intuitiv wissen, wie man richtig zuhört. Ein Trugschluss, wie sich zeigt: Mehrere wissenschaftliche Studien aus den Nachkriegsjahren haben eindeutig bewiesen, dass der untrainierte Zuhörer nur einen klei-nen Teil dessen bewusst aufnimmt und speichert, was er hört. In Experimenten wurde nachgewiesen, dass nur rund 50 Prozent einer relativ kurzen und einfachen Botschaft beim Zuhörer unmittelbar im Anschluss an ein Gespräch „hängen geblieben“ ist. Nach 24 Stunden fällt der Anteil des Behaltenen auf etwa 25 Prozent. Noch schlimmer sieht es bei Botschaften aus, die wir ohne visuelle Unterstützung aufnehmen, etwa beim Telefonge-spräch.
In seinem Buch „Phone Power“ rät der Guru des amerikanischen Telefon-Marketings, George R. Walter, seinen Lesern, die Kunst des „aktiven Zuhörens“ zu erlernen. Die Unfähigkeit der meisten Menschen, einander richtig zuzuhören, ist seiner Meinung nach nicht nur für das Scheitern vieler Ehen verantwortlich, sondern auch für viele Probleme in der Unternehmen.
Aktives Zuhören ist erlernbar. Es geht dabei vor allem darum, darauf zu achten, was gesagt wird ebenso wie auf das, was nicht gesagt wird. Außerdem hat aktives Zuhören etwas mit persönlicher Organisation und mit Arbeitsgewohnheiten zu tun. Dazu ein paar Tips:
Bereiten Sie sich aufs Zuhören vor: Dazu müssen Sie umschalten in den Modus des aktiven Zuhörens. Wenn Sie sich mit einem Kunden treffen, sich zu einem Gespräch hinsetzen oder ein Telefongespräch vorbereiten, denken Sie daran: „Es geht nicht um mich und das, was ich zu sagen habe, sondern um das, was der andere sagen will – oder sagen soll.“ Machen Sie sich eine mentale Liste der Dinge, die Sie aus dem Gespräch mitnehmen wollen (oder schreiben Sie sie besser sogar auf…) und haken Sie sie während des Gespräches nacheinander ab.
Lassen Sie sich nicht ablenken: Keine Telefongespräche, keine anderen Besucher. Sagen Sie Ihrer Sekretärin, dass Sie bei diesem Gespräch nicht gestört werden möchten und machen Sie im Büro die Tür zu. Auf einer Messe sollten Sie versuchen, wichtige Gespräche in eine ruhige Besprechungsecke oder eine Be-sprechungskabine zu verlegen.
Nehmen Sie sich genügend Zeit: Wenn Sie unter Zeitdruck stehen, wird Ihre Aufmerksamkeit nachlassen. Klären Sie mit Ihrem Gegenüber am besten vorher ab, wie lange das Gespräch dauern soll und halten Sie sich an das Zeitbudget.
Lassen Sie den anderen ausreden: Die beste Methode, möglichst viel aus Ihrem Gegenüber herauszuholen besteht darin, ihn ausreden zu lassen. Neigt Ihr Gesprächspartner allerdings dazu, abzuschweifen oder viel zu weit auszuholen, dann versuchen Sie ihn sanft in die richtige Bahn zu lenken, in dem Sie das Gesagte hin und wieder kurz zusammenfassen oder die wichtigsten Punkte wiederholen („Wenn ich das jetzt alles richtig verstanden habe, dann geht es ja im Grunde um drei Dinge, nämlich…“).
Zeigen Sie, dass Sie zuhören: Beweisen Sie, dass Sie sich auf das konzentrieren, was der andere sagt, indem Sie von Zeit zu Zeit zustimmende Zwischenbemerkungen oder einfach nur aufmun-ternde Laute von sich geben („Ich verstehe…“, „Ja, stimmt…“, „Hmmm…“) – aber unterbrechen Sie damit nicht seinen Rede-fluss.
Machen Sie sich Notizen: Da wir – siehe oben – mehr behalten, wenn wir nicht nur hören, sondern auch sehen, dienen Notizen zur Gedächtnisunterstützung. Gleichzeitig zeigen Sie dem Gesprächspartner, dass Sie aktiv zuhören und interessiert sind.
Fassen Sie zusammen: Mit einem kurzen Resümee der wich-tigsten Punkte des Gesprächs erreichen Sie dreierlei: Sie setzen sich selbst unter Druck und verbessern damit Ihre Hör-Effizienz, Sie beugen späteren Missverständnissen vor – und Sie machen Ihrem Gegenüber ein großes Kompliment, denn er wird sich durch die Aufmerksamkeit, mit der Sie zugehört haben, geschmeichelt fühlen.
Zuhören ist also lernbar. Das setzt aber den Wunsch und den Willen voraus, anderen zuzuhören. Es mag vielleicht eine unausweichliche Folge unserer Medien- und Kommunikationsübersättigung sein. aber irgendwie scheint die Kunst des Zuhörens immer mehr verloren zu gehen. Achten Sie einmal darauf, wenn sich Menschen um Sie herum miteinander unterhalten: Der eine spricht, der andere wartet inzwischen ungeduldig darauf, dass er endlich an der Reihe ist.
Vielleicht lässt sich das ja ändern. In Gießen wurde im April 2002 die „Stiftung Zuhören“ gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch Veranstaltungen, Aufklärungsarbeit und die Gründung von „Hör-Clubs“ aktives Zuhören zu lehren. „Die Fähigkeit, zuhören zu können, ist eine unentbehrliche Voraussetzung für jede Kommunikation“, sagt Prof. Dr. Jutta Limbach, Präsidentin des Goethe-Instituts und Schirmherrin der Stiftung. „Ohne diese Fähigkeit, sich konzentriert auf das gesprochene Wort und den gestalteten Klang einzulassen, ist eine aktive Teilhabe an großen Teilen des Kultur- und Soziallebens nicht möglich.“
Erfolgsreiches Verkaufen, so möchte man hinzufügen, eben auch nicht…