Das einzige, was gefährlicher ist als Religion ist Religion, die sich als Nationalismus tarnt. So gesehen ist das Ergebnis der Volksabstimmung in der Schweiz über das Minarettenverbot eine echte Katastrophe. Nicht nur, weil es mit tödlicher (sic!) Sicherheit eine Welle der Repressalien in den islamischen Ländern auslösen wird, sondern weil es zeigt, wie dünn das Furnier der Aufklärung in unseren eigenen Breitengraden in Wahrheit ist.
Natürlich sind 57 Prozent der Schweizer Wähler Idioten! Aber das hat man aber eigentlich schon vorher gewusst. Die viel wichtigere Frage ist: Wie viel Prozent sind es bei uns? Was wäre, wenn Politiker wie Schäuble oder von der Layen nur ein bisschen skrupelloser wären und so offen den Fremdenhass und die religiöse Intoleranz predigen würden wie die Neonazis der Schweizer „Volkspartei“ SVP?
In den „New York Times“ berichtet Thomas Friedman heute von einem Gespräch, das er mit einem jungen Mann geführt hat, der in Jordanien geboren wurde und inzwischen in Amerika als Terroristenabwehrexperte arbeitet. Er erzählte ihm von „The Narative“, einer von Jihad-Websites, Mullahs, arabischen Intellektuellen, Nachrichtensendern und Büchern verbreitet wird und von den meisten mit den USA „befreundeten“ Regierungen stillschweigend geduldet wird, nämlich dass es einen christlich-jüdischen Komplott auf Regierungsbene gibt, die mehr oder weniger heimlich Krieg führt gegen den Islam und dafür sorgt, dass die Länder mit überwiegend islamischer Bevölkerung wirtschaftlich keinen Fuß auf den Boden bekommen. Diese Verschwörungstheorie sei so allgegenwärtig und werde von so vielen Menschen islamischen Glaubens als wahr akzeptiert, dass sie alle Versuche der Vereinigten Staaten, die „hearts and minds“ im Nahen Osten zu erobern, von vorne herein hoffnungslos machen.
„So ein Blödsinn!“, wäre normalerweise meine erste Reaktion bei Lesen gewesen. Nur habe ich zwei Minuten zuvor die Schlagzeile auf der Seite eins gelesen über die Schweizer und ihren Volksentscheid. Und da wurde ich auf einmal unsicher. Nicht, dass ich glaube, dass es irgendeine zionistische Kabale gibt, die sich heimlich trifft und nach bester „Illuminati“-Manier den nächsten Kreuzzug plant. Aber ja, es gibt in der breiten Bevölkerung durchaus eine Geisteshaltung, die von einem immer schärfer werdenden Konflikt zwischen der christlichen geprägten Kultur des Westens und dem Islam an sich ausgeht. Ich dachte nur, diese Leute seien eine Minderheit. In der Schweiz zumindest sind sie in der Mehrheit! Und das macht mir richtig Angst.
Es gibt nur eine Möglichkeit, diesen ganzen Schlamassel wieder zu entschärfen: Die Schweizer sollen ein zweites Referendum abhalten und ab sofort den Bau von Kirchtürmen verbieten. Das hätte mehrere Vorteile. Man könnte es als Friedensgeste gegenüber den Nachbarn im Süden und Osten verkaufen. Und es wäre das Ende der Kirchturmpolitik – etwas, auf das sich nicht nur die Schweizer gut verstehen.