Social Flying

Wer sagt, man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen

Fliegen ist schöner, aber nicht, wenn man wie ich neulich neben einer Quasselstrippe landet, die mir von Newark bis München sämtliche Einzelheiten ihres ziemlich kaputten Familienlebens einschließlich gewisser sexueller Neurosen ihres frisch in die Wüste entsandten langjährigen Lebensabschnittsbegleiters erzählen musste. Ich habe schließlich zur letzten letzten Waffe gegriffen, die einem im Gadget-Zeitalter verbleibt, um sich etwas Rückzugsraum zu verschaffen: Ich habe mir die Kopfhörer aufgesetzt und hatte endlich meine Ruhe!

In Zukunft werde ich mir überlegen, ob ich nicht von Lufthansa auf KLM umsteige. Die Käsköppe haben nämlich den endgültigen Social Media App erfunden: “Meet & Seat” erlaubt es mir, mich vorab per Facebook oder LinkedIn darüber zu informieren, wer bei meinem nächsten Flug alles mit an Bord ist und bei gegenseitigem Gefallen eine Art Platz-Partnerschaft zu beschließen. Umgekehrt kann ich vermutlich auch festlegen, neben wem ich auf gar keinen Fall sitzen möchte!

In der nächsten Ausbaustufe soll Meet & Seat dem Vernehmen nach zu einer Art basisdemokratischen Abstimmplattform ausgebaut werden. Dann können wir Businessreisende endlich gemeinsam beschließen, dass die Familie mit Schreikindern nach ganz hinten umgesetzt wird. Vielleicht können wir sie auch, wenn wir uns alle einig sind, auf eine andere Maschine umbuchen. Das Gleiche gilt für Ex-Ehefrauen, unsympathische Kollegen, ungeliebte Chefs und Poltiker jedweden Coleurs. Umgekehrt könnte ich mir vielleicht beim nächsten Mal die hübsche Blondine als Sitznachbarin aussuchen, die mich so aufreizend von ihrer Facebookseite anlächelt und dort eine gewisse Vorliebe für ältere Bartträger mit Bauchansatz sowie den Wunsch äußert, endlich mal Mitglied im “Mile High Club” zu werden, es also schon mal über dem Atlantik in einer Flugzeugtoilette getrieben zu haben. Was natürlich dann voll nach hinten losgehen würde, wenn die Dame in Wirklichkeit 75 Jahre alt ist und ein Hörgerät trägt – hey, on the Internet nobody knows you’re a dog!

Wahrscheinlich werde ich mich am Ende nur noch wundern, weil ich immer alleine sitze. Das heißt: Vielleicht ist das das Beste, was uns Meet & Seat bescheren kann. Ich werde jedenfalls schon mal über meine Facebookseite verbreiten lassen, dass ich leidenschaftlicher Knoblauchesser bin und an krankhafter Schwatzsucht leide. Wetten, ich hab’ bald das halbe Flugzeug für mich?

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