Ich habe es getan. Ich habe die Nabelschnur gekappt und mich auf die lange Reise in die Zukunft gemacht – ohne meinen Palm.
Mehr als ein Jahrzehnt waren die Produkte dieser Firma im wahrsten Sinne des Wortes meine engsten Begleiter, vom allerersten „Palm Pilot“, den ich 1996 in den USA erstand, über zahllose Gerätegenerationen, erst der Palm V, dann der formschöne „Tungsten“, zwischendurch den kleinen „Zire“, dann die erste Kombi Telefon/Organizer, der Treo 650 und zum Schluss der handliche kleine Centro, mit dem ich sogar ins Internet konnte und E-Mails ziehen.
Ich hab‘ sie alle durchgemacht, ich habe sie geliebt, ich habe sie verflucht. Eine Zweitlang hatte Palm furchtbare Qualitätsprobleme, und es stapelten sich zeitweise bis zu sechs kaputte PDAs gleicher Bauart auf meinem Schreibtisch. Aber ich bin der Marke trotzdem treu geblieben, weil sie eines besser verstanden hatten als jeder andere, nämlich ein einfaches, fast schon idiotensicheres Betriebssystem zu bauen. Ich sage „fast“, weil Idioten bekanntlich erfinderisch sind, und auch ich habe gelegentlich nur durch einen Anruf bei der stets exzellent funktionierenden Journalistenbetreuung von Palm heraus bekommen, was ich falsch gemacht habe.
Das heißt: Sie hat so lange funktioniert, bis Palm den neuen „iPhone-Killer“ namens „Pre“ herausbrachte und ich dort anfragte, ob ich mal so ein Ding zum Ausprobieren haben könnte. Natürlich hatte ich vor, darüber zu schreiben, aber noch viel mehr wollte ich wissen, ob der „Pre“ womöglich mein neuer Partner für den nächsten Lebensabschnitt sein würde. Leider habe ich nie wieder von denen gehört, und betteln will man als Mensch ja auch nicht.
Anderseits wurde der Druck ständig größer. Um mich herum liefen diese iPhone-Typen herum und zeigten mir stolz, wie man mit einem Fingerschnippen zwischen Hunderten von nützlichen oder auch nur verrückten „Apps“ hin und her wechseln kann, Videos und YouTube-Filme in erstaunlicher Qualität anschauen, im Auto navigieren, die Kinderwindeln wechseln, das Geschirr abspülen und weiß ich sonst noch so alles kann. Und ich stand völlig bedrömmelt daneben mit meinem Steinzeit-Palm und konnte nur mit den Zähnen knirschen.
Und dann habe ich es getan. Ich bin zum Media Markt gegangen und habe mir von einem freundlichen jungen Verkäufer ein iPhone samt Vertrag andrehen lassen. Ich konnte gar nicht anders. Das Ding liegt ja so weich in der Hand, es sieht so sexy aus, es macht so tierisch Spaß, mit dem Zeigefinger lässig runter zu scrollen oder mit einem kurzen Antippen mit dem Fingernagel die Funktion zu wechseln. Ich ertappe mich dabei, wie ich in der Straßenbahn sitze und dien Neid meiner Mitfahrer genieße.
Gut, das Ding ist von Apple, und ich habe mir mal geschworen, nie wieder ein Produkt dieses Herstellers zu kaufen. Das kam so: Ich besaß Anfang der 90er Jahre einen wunderbaren Laptop namens „Powerbook Duo“ den ich auch sehr geliebt habe. Eines Tages gab es ein Betriebssystem-Update – nichts Dramatisches, kein Generationenwechsel oder so, nur eine Aktualisierung von 7.4 auf 7.5 oder so. Ich rief beim Apple-Kundendienst an und fragte, wo ich das Update denn her bekäme, der junge Mann am anderen Ende fragte, was ich denn für ein Gerät hätte. Als er „Duo“ hörte, wurde er etwas kleinlaut und meinte: „Für den Duo wird es leider kein Update geben.“ Als ich ihn völlig verdutzt fragte, was ich denn jetzt machen solle, versuchte er mich mit einer witzig gemeinten Bemerkung zu trösten. Er sagte: „Sie können’s ja immer noch als Briefbeschwerer verwenden.“
Witzig gemeint oder nicht, ich bin am gleichen Tag in den Computerladen gegangen und habe mir meinen ersten Windows-PC gekauft. Und eigentlich wollte ich nie wieder … siehe oben.
Aber der Mensch mag willig sein, nur ist das Fleisch halt schwach. Und da mich die Firma Palm ja offenbar nicht mehr will, war ich plötzlich ein Heimatloser geworden, entwurzelt, ziellos treibend im weiten Meer der Marken und Modelle. Das Ergebnis: Ich habe zwar in meiner Selbstachtung etwas gelitten, freue mich aber dafür wie ein kleines Kind über mein neues digitales Spielzeug.
Allerdings fange ich schon wieder an, mich über die Firma Apple zu ärgern. Wie kann ein Unternehmen, in dem doch überwiegend zumindest durchschnittliche begabte Menschen arbeiten, eine so katastrophal schlechte und menschenfeindliche Software wie „iTune“ bauen? Ich dachte, wir wären uns inzwischen einig, dass das Ziel von Softwaredesign nicht mehr darin besteht, dem Menschen entgegen zu kommen und ihn nicht mehr zu zwingen, wie ein Computer zu denken. iTunes kann nur jemand lieben, der wie ein Apple-Designer denkt. Es ist umständlich, unübersichtlich, klobig und wahnsinnig langsam! Und niemand sagt einem, wie es funktioniert.
Ich habe ein Video („Der rote Baron“ heruntergeladen, um es im Flugzeug nach Mallorca anzuschauen. Hat prima geklappt, aber als ich den Film später wieder löschen wollte, bin ich gescheitert. Was ich auch tat – Häkchen wegklicken, ein ums andere Mal synchronisieren. Immer blieb der blöde Film auf dem Gerät. Schließlich bin ich – Google sei Dank – in eine Online-Selbsthilfegruppe namens „iSzene“ geraten, wo man mir des Rätsels Lösung erklärte („Geh ins iPhone Menü. Dort streichst du mit dem Finger von links nach rechts über das Video und es müsste dann rechts eine Schaltfläche ‚Löschen‘ auftauchen.“). Die Jungs, die da posten, sind eingefleischte Apple-Fans, aber selbst dort liest man virtuelle Seufzer wie diesen: „It´s so simple! Aber ist das irgendwo dokumentiert, oder „ahnt“ man(n)/frau das einfach so?“
Ja, das ist Apple. Ich erinnere mich an einen „Praxistest“ einer PC-Zeitschrift, die herausfinden wollten, wie lange ein Laie braucht, um einen Computer auszupacken, anzuschließen, einzuschalten, hoch zu fahren und wieder auszuschalten. Die Testpersonen bestanden aus Teams von Vater und Sohn, und der Apple hätte natürlich mit riesigem Abstand gewonnen. Nur konnten die Tester ihn nicht ausschalten (die Funktion versteckte sich irgendwo in einem Untermenü) und mussten erst im Handbuch nachschauen.
Nun, vielleicht werde ich ja jetzt mit der Zeit lernen, nicht mehr wie ein Palm sondern wie ein Apple zu denken. Aber ein bisschen wehmütig ist mir dabei schon. Es ist weniger ein Abnabeln, mehr ein Gefühl wie bei einem Ehepaar, das sich nach vielen Jahren scheiden lässt und beschließt, nochmal ganz neu anzufangen. Irgendwie fehlt einem was.