Es scheint, als würde jeder über das Metaverse als die nächste große Sache sprechen, die unser Online-Leben revolutionieren wird. Aber jeder scheint seine eigene Vorstellung davon zu haben, was dieses Metaversum eigentlich ist.
Der Begriff hat seinen Ursprung in dem Cyberpunk-Roman Snow Crash von Neal Stephenson aus dem Jahr 1992. Darin teilen sich alle Menschen auf der Welt einen „imaginären Ort“, der der Öffentlichkeit über ein weltweites Glasfasernetz zugänglich gemacht und durch eine Virtual-Reality-Brille projiziert wird.
Online-Communities gibt es mindestens seit Mitte der 1980er Jahre, aber das Metaverse könnte eine ganz neue Dimension eröffnen, oder das glauben jedenfalls die Anhänger – allen voran Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der kürzlich so weit ging, sein Unternehmen in die sich in Meta Platforms Inc. umzubenennen und es ab 1. Dezember unter dem Kürzel MVRS an der Tech-Börse NASDAC listen zu lassen.
Stellen Sie sich das Metaversum als eine virtuelle Welt vor, die Augmented Reality, Virtual Reality, holografische 3D-Avatare, Videos und andere Medien umfasst. Wenn sich das Metaversum ausweitet, wird es eine hyperreale Alternativwelt bieten, in der Menschen zusammenleben.
Fans des Metaversums stellen sich vor, dass seine Nutzer arbeiten, spielen und mit Freunden in Verbindung bleiben – von Online-Konzerten und -Konferenzen bis hin zu virtuellen Reisen um die Welt.
Das Interesse an rein digitalem Eigentum – und an der Technologie, die nach Ansicht der Befürworter die Sicherheit dauerhafter virtueller Erfahrungen gewährleisten kann – ist sprunghaft angestiegen, wobei nicht-fungible Token (NFTs) und Kryptowährungen für Schlagzeilen sorgen. Auch virtuelle Produktivitätsplattformen sind auf dem Vormarsch: Facebook und Microsoft kündigen neue Möglichkeiten der Online-Zusammenarbeit an. Nike bereitet sich sogar auf den Verkauf virtueller Turnschuhe vor und hat entsprechende Patente angemeldet.
John Egan, CEO von L’Atelier BNP Paribas, sagte kürzlich in einem Interview mit dem Time Magazine: „Dieses Metaversum-Konzept gibt uns die Möglichkeit, jedes Universum zu erschaffen, das wir uns jemals vorgestellt haben.“
Mark Zuckerberg will das Metaverse zu einer dreidimensionalen Welt ausbauen, in der das reale Leben mit einer Existenz in der virtuellen Realität in einem unbegrenzten Universum von Spielplätzen verschmelzen wird. Er prognostiziert, dass das Metaverse das Internet ablösen wird, mit dem kühnen Versprechen, dass man „fast alles tun kann, was man sich vorstellen kann“.
Bei der Präsentation anläßlich der Umbenennung seines Konzerns skizzierte er einige der Erlebnisse, die die Nutzer genießen können: Wettkämpfe gegen Hologramme olympischer Athleten oder virtuelle Konzertbesuche mit Freunden. In der Geschäftswelt soll es Meetings mit gemischter Realität geben, bei denen einige Teilnehmer physisch anwesend sind, während andere als Avatare, cartoonartige Abbilder ihrer selbst, aus dem Metaverse herüberbeamen.
Das Metaversum ist derzeit nicht mehr als ein Konzept, und potenzielle Partner wie Meta, Microsoft, Apple und Nvidia müssen erst noch die technischen Standards und in weiterer Folge die erforderliche Rechenleistung und die Umweltauswirkungen diskutieren. Angesichts der jüngsten Enthüllungen in den Facebook Papers über das offensichtliche Zögern des Unternehmens, gegen Mobbing und Fehlinformationen auf seiner derzeitigen Plattform vorzugehen, sind auch moralische Fragen zu berücksichtigen.
Im Moment scheint es für die meisten Arbeitnehmer weltweit noch ein weit entfernter Traum zu sein, einen Teil ihres Arbeitstages im Metaverse zu verbringen, und viele sind noch nicht davon überzeugt. Für die älteren von uns sind ohnehin die Erinnerungen an die erste virtuelle Welt, Second Life, vielleicht noch zu frisch.
Second Life ist ein sozialer Echtzeit-Raum, in dem Menschen über anonyme Avatare interagieren können. Es wurde 1999 von Linden Labs ins Leben gerufen und verfügte in seiner Blütezeit über eine eigene Währung, die Linden-Dollar, und finanzierte sich weitgehend durch den Verkauf von Mieten für virtuelle Immobilien und die Einnahmen aus Premium-Mitgliedschaften. Im Jahr 2013 hatte das System rund 36 Millionen registrierte Nutzerkonten, aber eine Reihe von Skandalen, darunter die Vergewaltigung virtueller Kinder, ließ die Nutzerzahlen einbrechen, und Second Life wird inzwischen oft spöttisch als „Avatar-Friedhof“ bezeichnet.
Es kann also noch einige Zeit dauern, bis das Metaverse praktisch Realität wird. In der Zwischenzeit wird die Presse wahrscheinlich mit Artikeln überschwemmt, in denen die Möglichkeiten und Vorteile, die Grenzen und negativen Auswirkungen erörtert werden. Dass es in der einen oder anderen Form kommen wird, steht außer Frage, denn die virtuelle 3D-Welt ist zu verlockend und eine zukünftige Realität, die dem Holodeck der USS Enterprise in Star Trek ähnelt, ist verführerisch.