Eigentlich habe ich eine Auszeichnung verdient. Immerhin war ich heuer zum 30sten Mal auf die CeBIT in Hannover. Was komisch ist, denn eigentlich geht das gar nicht. Als eigenständige Messe existiert die CeBIT nämlich erst seit 1986. Macht nach Adam Riese 26 Stück, da nur einmal im Jahr CeBIT-Time ist, genau wie Weihnachten. Aber vorher gab es schon die legendäre „CeBIT-Halle“ als Teil der alten Hannover Messe, und da war ich bereits 1982 zum ersten Mal.
Leider werden in Hannover keine Treuenadeln verteilt wie im Fußballverein. Dafür jede Menge pessimistische Prognosen. „Wir lange meinst du gibt es die CeBIT noch?“ ist schon seit zwei oder drei Jahren eine Standard-Begrüßungsformell unter Journalisten, von denen immer mehr auch einfach daheim geblieben sind, statt sich ins Messegetümmel zu werfen. Ihr Argument: Ich kann ja alles, was es an Neuem gibt, lange vorher schon per Internet anschauen. Wozu also die unverschämten Messepreise für Übernachtung und Essen bezahlen? Es lebe die Online-CeBIT!
Wenn das so ist, dann müsste es eigentlich der ganzen Ausstellungsbranche schlecht gehen, denn das Gleiche gilt doch für alle Großmessen. Seltsamerweise geht es den deutschen Messebauern aber besser wie je. Nach einem zweistelligen Umsatzplus im letzten Jahr liegen sie wieder auf Vorkrisen-Niveau, wie der zuständige Famlab Verband Direkte Wirtschaftskommunikation jüngst verlauten ließ. Auch kleinere Events wie Hausmessen und Fachkongresse scheinen zu boomen Aber wieso denn?
Ich denke, es liegt am Kaffee. Jedes Mal, wenn ich auf der CeBIT zu einem Messestand kam, wurde mir auch dieses Jahr sofort eine Tasse Frischgebrühten angeboten. Früher stammte er aus der mitgebrachten Maschine vom Büro und schmeckte wie Batteriesäure, vor allem nachmittags gegen Messeschluß. Heute haben alle Aussteller so ein schickes kleines Nespresso- oder Lavazza-Teil, das in Nullkommanix einen Ristretto oder Latte macchiato zaubert, wie er in der Via Veneto auch nicht besser schmecken würde. Ja, und nicht zu vergessen die berühmt-berüchtigte Messe-Currywurst, die vermutlich in Motorenöl gegart wurde und von der ich im Laufe der letzten 30 Jahre sicher ein paar Hundert heruntergewürgt habe. Immer wieder habe ich mir geschworen, das war die Allerletzte! Und immer wieder habe ich den guten Vorsatz bald wieder vergessen vor lauter Messe-Hektik. Und außerdem würde sie mir wahrscheinlich fehlen…
Das mit dem Kaffee und der Currywurst ist übrigens ernst gemeint. Denn über eine Tasse Kaffee kommt man ins Reden, und wenn man an der Wurstbude steht, lernt man manchmal interessante Leute kennen. Und darum vor allem geht es mir auf einer Messe wie der CeBIT. Ich treffe dort alte Bekannte, tausche mich mit Kollegen aus, lasse mir von richtigen Menschen Dinge zeigen und erklären und falle abends erschöpft (und vielleicht auch ein bisschen beschwipst) bei der „Messe-Mutti“ ins frischgemachte Gästebett im freigeräumten Kinderzimmer mit dem Gefühl, einen wertvollen Tag verbracht zu haben.
Ich ziehe in Hannover durch die Hallen und entdecke Dinge, die wahrscheinlich nicht einmal Google für mich finden würde, weil ich gar nicht wüsste, wonach ich das Online-Orakel fragen sollte. Merke: Man kann vieles übers Internet, aber nicht alles.
Und vielleicht klappt’s ja irgendwann auch mit der Ehrennadel. Bei meiner 50sten CeBIT, vielleicht.