Morgen beginnt die IAA. Dazu ein paar Gedanken, die mir letzte Woche auf der 25sten Trend-Tagung „Motor & Umwelt“ von AVL in Graz gekommen sind, wo ich eine Podiumsdiskussion zu leiten hatte.
In einer vernetzten Zukunft wird das Auto ebenso ein intelligentes Endgerät sein wie iPhone oder Laptop. Das vernetzte Auto wird schlauer, aber auch sparsamer sein als je zuvor. Es wird den Fahrer auf neuartige Weisen unterstützen und ihm lästige Arbeit am Steuer abnehmen. Was aber bei allem High-Tech bleiben muss ist die Freude am Fahren.
Angesichts stagnierender Absatzzahlen in Europa sind die Autobauer zunehmend und zusehens bemüht , sich gerade der jungen Generation von potenziellen Kunden gegenüber besser in Position zu bringen und setzen deshalb auf neue Technologielösungen. So wurde das Thema der diesjährigen Tagung, „Der vernetzte Antriebsstrang – Interaktion zwischen Mechanik und Software, Fahrzeug, Fahrer und Umwelt“ von fast allen Referenten bewusst großzügig interpretiert und erweitert im Sinne des vernetzten Automobils als mobile Fortsetzung einer vernetzten Wirklichkeit, in der Autos die Umwelt schonen und gleichzeitig als Teil des „digital Lifestyle“ gerade auch jüngerer Kunden empfunden werden.
So beschrieb zum Beispiel Prof. Herbert Kohler, Leiter Konzernforschung und Nachhaltigkeit bei der Daimler AG, in seiner Eröffnungs-Keynote das Auto von Morgen als „iPhone on wheels“. Ziel sei es, vor allem junge Menschen nicht mehr zu zwingen, „ihr Leben zu unterbrechen, wenn sie ins Auto steigen“. Udo Wehner von der Berliner Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV) ging so weit, das Auto als „ein weiteres Gerät in der Cloud“ zu bezeichnen. Und Dr. Reiner Höger von Continental sah den Tag nicht allzu weit entfernt, wenn wir mit dem Auto „nicht nur Benzin, sondern auch Information tanken“ werden.
Die mit intelligenter Technik vollgepackten Autos von Morgen werden zunehmend auch in der Lage sein, vorausschauend beispielsweise die Verkehrslage zu prüfen sowie Fahrweise und Verbrauch in Abhängigkeit von Geländetopographie und Wetterdaten anzupassen. LeistungsfähigeBordcomputer, die nervenaufreibende Routineaufgaben wie Kolonnenfahren oder Abstandhalten übernehmen, werden sich auf breiter Front durchsetzen. Tobias Lösche-ter Horst, Leiter Konzernforschung Antriebe bei VW, beschrieb die Zukunft so: „Autos werden lernen zu sehen und sich mit anderen Autos zu unterhalten, aber sich auch mit uns zu unterhalten.“ Wobei es wichtig sei, sicherzustellen, dass sich trotz aller Begeisterung rund um neue Assistenzsysteme und dem Zukunftsziel des autonomen, selbststeuernden Fahrzeugs „der Fahrer immer noch als Fahrer empfindet“.
Auf der Antriebsseite ist die frühe Freude über reine Elektroautos angesichts enttäuschender Abverkäufe zwar branchenweit gesunken, doch aufgegeben hat den E-Antrieb niemand, wie die Grazer Tagung gezeigt hat. Der Zukunftsforscher Lars Thomsen von der Züricher Future Matters AG ging in seinem bewusst provokanten Vortrag sogar so weit, das Ende des Verbrennungsmotors „innerhalb der nächsten 520 Wochen“ zu prophezeien. Dagegen waren sich andere Sprecher wie Prof. Peter Gutzmer, Vorstand Forschung & Entwicklung bei der Schaeffler AG, ziemlich sicher, „dass wir auch in 30 Jahren noch Autos mit Verbrennungsmotoren“ fahren werden – wenn auch nur in Form von kleineren Zusatz-Aggregaten, so genannten „Range Extenders“, die den E-Antrieb unterstützen und dafür sorgen, dass die Fahrgäste auch dann noch ans Ziel kommen, wenn einmal die Batterie leer sein sollte.
Elektromobilität könnte das Autofahren ähnlich revolutionieren wie es das Smartphone in der Kommunikation getan hat, darüber waren sich in Graz fast alle einig. Wobei aus der zunehmenden Vernetzung des Automobils auch neue Risiken ergeben, etwa wenn das Auto zum Datensammler wird und beispielsweise über so genannte „Apps“ vermehrt persönliche Daten an Dritte liefert, die diese zur Erstellung von Kundenprofilen verwenden könnten. Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht in Nürnberg, öffnete vielen Teilnehmern die Augen für dieses brisante Thema, als er auf neuartige Gefahren wie „Auto-Hacking“ hinwies und von den Autobauern mehr Anstrengungen rund um die Datensicherheit am Steuer einforderte. So sei im Grunde bereits für den Anschluss des Fahrzeugs an ein Werkstatt-Diagnosegerät heute schon eine formelle „informierte Einwilligung“ des Fahrzeughalters nötig. Und der Traum vom selbstfahrenden Auto droht seiner Meinung nach an der augenblicklichen Gesetzeslage zu scheitern, die zwingend in jedem Fall verlange, dass der Fahrer immer die volle Kontrolle über sein Fahrzeug behält.
Das Auto von Morgen wird vor allem eines sein: ein hochkomplexes Stück Technik. Dabei stellt das Beherrschen der zunehmenden Komplexität für die Designer und Entwickler zweifellos eine sehr große Herausforderung dar. Aber nur so kann die Zukunft der (Auto)Mobilität und damit einer Schlüsselindustrie der modernen Marktwirtschaft gesichert werden.