Karaoke fürs Kinderzimmer

Unsere Nachbarn haben einen kleinen Sohn, und wenn sie mal ausgehen wollen, bitten sie uns manchmal, ob sie uns das Babyfon rüberstellen dürfen. Der Grieche am Eck, zu dem sie gerne gehen, ist leider knapp außer Reichweite des Geräts, also rufen wir sie an, wenn der junge Stupor mundi wieder schreit, und sie müssen die alles stehen und liegen lassen und nach Hause stürmen, weil wir sonst wahnsinnig werden ob es blechernen Krächzens aus dem winzigen Billiglautsprecher des klobigen Geräts.

Das muss aber alles nicht mehr sein, denn jetzt gibt es das Babyfon fürs Handy! Darauf machte mich dankenswerterweise der Branchenverband BITKOM per Pressemeldung aufmerksam. Möglich machen das so genannte „Apps“ – winzige Applikationen, die es beispielsweise für Apples iPhone sowie für Mobiltelefone mit dem zunehmend beliebteren Android-Betriebssystem von Google gibt.  Sie heißen  „Babysitter Phone“, „BabyPhone Deluxe“ oder „Dial My Nanny“ (funktioniert wahrscheinlich nur bei Paaren, die  sich ein Kindermädchen leisten können) und bieten alle die gleichen Grundfunktionen:  Man legt das Mobiltelefon mit eingeschaltetem App ins Kinderzimmer und geht zum Griechen, Italiener, Franzosen oder in die kleine Kneipe am Eck.

Fängt das Blag an zu schreien, löst das einen Anruf an eine vorher festgelegte Telefonnummer aus. Voraussetzung ist also, dass beide Elternteile über ein Handy verfügen, aber das dürfte heute eher selbstverständlich sein. Wahlweise kann man auch die Festnetznummer der Groß- oder Schwiegermutter hinterlegen, die freut sich sicher, mal wieder von dem kleinen Wonneproppen zu hören, selbst mitten in der Nacht.

Doch damit nicht genug: Die App-Schreiber überbieten sich gegenseitig mit Zusatzfunktionen, die weit über das hinaus gehen, was ein gemeines Babyfon bislang zu leisten vermochte. Man kann zum Beispiel mit dem lieben Kleinen daheim ja reden – schließlich ist es ja ein Telefon! Vielleicht reicht das ja auch und er schläft wieder ein, dann kann man sein Souflaki in Ruhe zu Ende essen.

Die meisten Babyphone-Apps funktionieren im Übrigen auch als Einschlafhilfe, indem sie beruhigende Melodien oder das Lieblingslied des Kindes abspielen. Das können Musikkonserven sein oder wahlweise sogar selbst aufgenommene Stücke, falls man sich davon eine beruhigende Wirkung verspricht. Achtung: Vorher testen! Schließlich soll  das Kind ja nicht vor lauter Schreck über die Karaoke-Einlage der Eltern noch mehr zu schreien anfangen.

Auch wirtschaftlich machen Babyfon-Apps laut BITKOM Sinn, denn sie kosten in der Regel maximal ein paar Euros, während gute DECT- oder UKW-Babyphones 80 Euro und mehr kosten können. Allerdings gibt es auch spezielle Geräte, die ebenfalls einen Anruf über die Telefonnetze auslösen und damit keine Reichweitenbeschränkung haben. Sie kosten aber gleich ein paar hundert Euro.

Auf eine Gefahr weisen die Autoren des BITKOM allerdings vorsichtshalber besonders hin: „Die Akkus beider Geräte sollten einen ausreichenden Ladestand haben.“ Meine Frau vergisst ständig, ihr Handy aufzuladen, was aber nicht so schlimm wäre, denn unsere Tochter ist zum Glück längst erwachsen und aus dem Haus. Wenn sie uns womöglich mal ein Enkelchen beschert, kann sie gerne ihr Handy nebens Bettchen stellen und die Babyfon-App einschalten. Wir werden uns sicher freuen, die Stimme des Kleinen zu hören, ansonsten aber nicht weiter tun müssen, Sie wohnt nämlich in Irland…

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