Kek Galabru ist eine schmale, elegante Frau und einer etwas flachen Nase, von der sie ihre Abstammung von den Mongolen Dschingis Khans ableitet, die im 13ten Jahrhundert bis nach Kambodscha vorgedrungen sind. Von ihnen habe sie wohl auch ihr Kämpferherz geerbt, meint sie lächelnd. Denn Kek ist eine echte Kämpfernatur, auch wenn es bei ihr beim Boxen vermutlich nicht einmal für die Federgewichtsklasse reichen würde. Ich könnte jedenfalls ihren Unterarm mühelos mit Daumen und Zeigefinger umspannen.
Wenn Kek bei uns nicht so bekannt ist wie ihre burmesische Kollegin Aung San Suu Kyi, dann vielleicht deshalb, weil man sie in Kambodscha noch frei herumlaufen lässt. Der Staat ist dringend auf das Wohlwollen der internationalen Gebergemeinschaft angewiesen. Bis zu 50% des Bruttosozialprodukts des Landes stammen, so wird gemunkelt, aus Spendentöpfen fremder Regierungen und Hilfsorganisationen. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber das ist nicht weiter verwunderlich in einem Land, das laut offizieller Statistik nur 3,7% Arbeitslosigkeit hat, in dem aber Menschen unweit der Hauptstadt Phnom Penh verhungert in ihren Hütten aufgefunden werden. „Die echte Zahl dürfte wohl eher bei über 50 Prozent liegen“, sagte mir ein junger Deutscher, der an einem Hilfsprojekt im Hinterland arbeitet.
Kek Galabrun hat in Paris Medizin studiert und floh 1971vor den Mörderbanden der Khmer Rouge mit ihrer Familie wie viele Kambodschaner nach Kanada. Nach dem Abzug der Vietnamesen, die Pol Pot und seine Schergen vertrieben und das Land zehn Jahre lang besetzt hatten, war sie eine der wichtigsten Vermittlerinnen zwischen Hun Sen, dem durch Putsch an die Macht gekommenen Ministerpräsidenten, und König Norodom Sihanouk, was zum Ende des Bürgerkriegs führte. Hun Sen ist heute nicht sehr gut auf sie zu sprechen, denn mit ihrer Menschenrechtsorganisation LICADRO ist die kleine Kambodschanerin zu einem der laustärksten Gegner seines Regimes geworden, dem sie vorwirft, zum Teil an dem Handel mit jungen Frauen und Kindern beteiligt zu sein, die vor allem den ländliche Gebieten des Lande von ihren Familien vor allem nach Thailand und Malaysia als „Maids“ – in Wahrheit in die Prostitution – verkauft werden.
Kek wirkt alles andere als kämpferisch, wenn sie zu Tisch bittet. Es gibt eine kalte Suppe, aus der ich Kokosmilch und Koriander hervor schmecken kann. Ob das ein typisches kambodschanisches Gericht sei? Nein, lacht sie, das hat mein Mann gerader erfunden. Francois Torres ist Franzose, die beiden haben sich in den Studentenzeiten in Paris kennen- und lieben gelernt. Er ist ganz der Grandsigneur, öffnet mit gekonnter Bewegung eine Flasche Cote du Rhones.
Die anderen Gäste an diesem Abend – ein deutsches Ehepaar, das für eine Hilfsorganisation arbeitet, der amerikanische Militärattaché und seine Frau, der Anwalt ihrer Stiftung, der ebenfalls aus Deutschland stammt, diskutieren bei Fish Amok und französischem Weichkäse über die Verstrickung bestimmter Armeeeinheiten in Landvertreibung und Drogenhandel. Beim Dessert – frische Papaya, eine Art Kürbis, die mit Kokospudding gefüllt ist – kommt das Tischgespräch auf Mord. „Ein Menschenleben ist hier nur ein paar Dollar wert“, sagt Kek. Sie lächelt, als sie das sagt, aber sie lächelt eigentlich immer. Das ist wahrscheinlich asiatische Höflichkeit, vielleicht ist es auch ein Ausdruck von Einsicht in die menschliche Fehlbarkeit. Die Freundin des Ministerpräsidenten soll von gedungenen Killern erschossen worden sein, angeblich im Auftrag seiner Frau. Alle wissen das, keiner regt sich sonderlich auf. So ist das nun mal.
Vor Kek Galabrus Haus stehen Wachposten. Sie sollen sie beschützen, angeblich jedenfalls. Sie wurde schon für den Friedensnobelpreis nominiert. Hoffentlich lebt sie lange genug, um ihn entgegen zu nehmen. Das ist nämlich ´Grundvoraussetzung: Die Preisrichter in Stockholm vergeben die Auszeichnung niemals postum.