BILD hat angeblich drei Millionen Reporter. Und was wird aus mir?
Neulich fragte mich mein Freund Michael Kausch, ob ich glaube, dass der Journalistenberuf noch eine Zukunft hat. Die Frage ist für ihn genauso existenziell wie für mich, denn er ist Chef der renommierten PR-Agentur Vibrio und er lebt wie ich davon, dass die Medienbranche weiterhin so funktioniert wie bisher: Der Journalist schreibt, der Leser oder Zuschauer liest oder schaut zu.
Leider ist dieses Modell längst aus den Fugen geraten. Zeitungsleser schreiben ihre Nachrichten selbst oder machen die dazugehörigen Bilder, lange bevor irgendein rasender Reporter es bis zur Unfallstelle schafft, wie kürzlich beim Transrapid-Unglück im emsländischen Lathen mit 23 Toten und zehn Verletzten. Ein Spaziergänger mit Handycam schoss das Foto, das um die Welt ging, kein Profi.
Und wenn die BILD-Zeitung damit wirbt, sie habe drei Millionen „Leser-Reporter“, dann ist da was dran. Wobei diese Amateure sogar besser bezahlt werden als die Profis, denn für ein veröffentlichtes „1414-Foto“ gibt es 500 Euro – davon können die „richtigen“ Pressefotografen meist nur träumen.
Im Zeitalter von Web 2.0 und Mitmach-Internet kann jeder Leser auch sein eigener Schreiber sein, das ist längst klar. Er kann auch – siehe die Millionen von Blogs – auch sein eigener Verleger sein. Und spätestens seit in den USA jugendliche Zuschauer mehr Zeit bei YouTube verbringen als vor dem alten Dampf-Fernseher, macht sich nicht nur mein Kollege Jürgen Seitz vom Bayerischen Fernsehen Sorgen, ob und wie es mit den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem ganzen TV-Geschäft überhaupt weitergehen soll.
Ich sage es ja ungern, aber: Das habe ich schon lange gesagt! Zum Beispiel 1998 in meinem Buch „Erfolgsfaktor Internet“, wo ich unter der Rubrik „Im Internet spielt die Musik“ folgendes schrieb: „Im Internet ist theoretisch jeder Leser zugleich Autor, jeder Autor ein potentieller Verleger.“ Auch die Musikbranche bekam damals ihr Fett ab, genauso wie die Fernsehmacher. Gut, ich war meiner Zeit ein bisschen voraus, aber inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Das Geschäftsmodell der Medien und damit auch der Medienschaffenden wie ich ist in allerhöchster Gefahr.
Dass die deutschen Zeitungsverleger kollektiv das Internet verpennt haben, dass die Musikbranche sich mit Klauen und Zähne gegen die eigene Kundschaft wehrt, dass die TV-Industrie da hockt wie das Kaninchen vor der Schlange und – vergeblich – hofft, dass ihnen durch irgendein Wunder das Schicksal der Plattenmultis erspart bleiben wird: Das alles ist nicht mehr zu ändern.
Dass aber mein Berufsstand deshalb vom Aussterben bedroht ist, daran glaube ich nicht. Ja, Information ist genügend da, und sie ist umsonst. Oder hören Sie noch etwas von denjenigen, die vor ein paar Jahren noch behauptet haben, das Modell des „paid content“ werde sich langfristig durchsetzen?
Es geht auch gar nicht um Information. Es geht nicht einmal um Inhalt, denn auch den gibt es zur Genüge für lau. Es geht um Kontext: Der Konsument wird über kurz oder lang im weiten Ozean der kostenlosen Inhalte ersaufen, wenn ihm nicht einer einen Rettungsring in Form von Analyse, Perspektive und Zusammenhang zuwirft. Der Journalist schafft Ordnung und damit Relevanz im wilden Strudel der Banalitäten. Dafür wird es immer einen Markt geben.
Fragt sich nur, ob dieser Informations-Versteher und Kontext-Schaffende noch als Angestellter einer Tageszeitung, einer Wochenzeitschrift oder eines Fernsehsender arbeiten wird. Mein Tipp: Er wird es nicht. Große Kolumnisten wie Paul Krugman von der New York Times sind heute längst zu einer eigenen Marken geworden. Sie finanzieren sich aus einer Mischung von Geschäftsmodellen: Texthonorare, Fernsehhonorare, Buchhonorare, Sprecherhonorare, Beraterhonorare und vieles andere mehr. Sie spielen auf der Klaviatur der Medien und sind deshalb scheinbar allgegenwärtig. Das macht sie unabhängig: Sie sind ihr eigener Chef, und ihre Ausstrahlung nutzt dem Medium, in dem sie auftreten, ebenso wie umgekehrt.
Da ich seit Jahren genau so lebe und arbeite, bin ich ganz früh, dass ich das Modell endlich selbst verstanden habe, denn ich habe immer wieder Schwierigkeiten, eine kurze und passende Antwort zu finden auf die Frage: „Was machen Sie denn eigentlich?“ „Ich stelle Kontext her“ wäre doch eine wunderbare Antwort.
Leider sehen das aber viele meiner Kollegen nicht so, sie verstehen sich nach wie vor als Informations-Verbreiter. Sie werden Probleme damit bekommen (wenn sie nicht jetzt schon welche haben). Denn langsam, aber sicher, wird das Geld knapp. Das Anzeigenaufkommen der Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine stagniert oder ist rückläufig, das der Fachpresse stürzt richtiggehend ab. Ähnliches lässt sich über die Auflagen sagen. Und auf der anderen Seite erleben Online-Werbung und Suchmaschinen-Marketing zweistellige Zuwachsraten. Journalisten mögen keine guten Rechner sein, aber so dämlich ist keiner von ihnen, dass er nicht zwei und zwei zusammenzählen kann. Es kommt dabei leider ein Minus raus.
Das ist leider auch ein besonderes deutsches Problem, denn die Resistenz gegen alles, was Online heißt, ist unter den heimischen Verlegern besonders groß. Sie sollten sich vielleicht ein Beispiel an IDG nehmen. Die sind dabei, zumindest in Amerika den Übergang von Print zu Online erfolgreich zu meistern. Ja, sie drucken noch Texte und Bilder auf tote Bäume mit Titeln wie ComputerWorld, InfoWorld, PC World, MacWorld und CIO. Aber sie machen inzwischen mehr Umsatz mit Online-Anzeigen als mit Print.
Und sie wissen, wohin die Reise geht. Das haben sie letztes Jahr bewiesen, als sie die gedruckte Ausgabe der altehrwürdigen InfoWorld einstellten und den Titel in ein reines Internet-Magazin verwandelt haben. Laut Verlag generiert die Website von InfoWorld derzeit durchschnittlich 1,6 Millionen Dollar an Anzeigenumsatz pro Monat. Vor einem Jahr waren es für Print- und Online-Ausgabe zusammen nur 1,5 Millionen.
Und was in Verlegerohren noch erfreulicher klingen muss: Sie haben die Umsatzrendite auf 37 Prozent erhöhen können! Vor einem Jahr machte das Blatt ein Minus von drei Prozent: IDG legte also mit jeder Ausgabe drauf.
Der Journalismus wird trotz Internet überleben. Ob es die Verlage auch tun werden, wird sich zeigen. Aber nicht aufgeben: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Journalist – ein Auslaufmodell?
BILD hat angeblich drei Millionen Reporter. Und was wird aus mir?
Neulich fragte mich mein Freund Michael Kausch, ob ich glaube, dass der Journalistenberuf noch eine Zukunft hat. Die Frage ist für ihn genauso existenziell wie für mich, denn er ist Chef der renommierten PR-Agentur Vibrio und er lebt wie ich davon, dass die Medienbranche weiterhin so funktioniert wie bisher: Der Journalist schreibt, der Leser oder Zuschauer liest oder schaut zu.
Leider ist dieses Modell längst aus den Fugen geraten. Zeitungsleser schreiben ihre Nachrichten selbst oder machen die dazugehörigen Bilder, lange bevor irgendein rasender Reporter es bis zur Unfallstelle schafft, wie kürzlich beim Transrapid-Unglück im emsländischen Lathen mit 23 Toten und zehn Verletzten. Ein Spaziergänger mit Handycam schoss das Foto, das um die Welt ging, kein Profi.
Und wenn die BILD-Zeitung damit wirbt, sie habe drei Millionen „Leser-Reporter“, dann ist da was dran. Wobei diese Amateure sogar besser bezahlt werden als die Profis, denn für ein veröffentlichtes „1414-Foto“ gibt es 500 Euro – davon können die „richtigen“ Pressefotografen meist nur träumen.
Im Zeitalter von Web 2.0 und Mitmach-Internet kann jeder Leser auch sein eigener Schreiber sein, das ist längst klar. Er kann auch – siehe die Millionen von Blogs – auch sein eigener Verleger sein. Und spätestens seit in den USA jugendliche Zuschauer mehr Zeit bei YouTube verbringen als vor dem alten Dampf-Fernseher, macht sich nicht nur mein Kollege Jürgen Seitz vom Bayerischen Fernsehen Sorgen, ob und wie es mit den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem ganzen TV-Geschäft überhaupt weitergehen soll.
Ich sage es ja ungern, aber: Das habe ich schon lange gesagt! Zum Beispiel 1998 in meinem Buch „Erfolgsfaktor Internet“, wo ich unter der Rubrik „Im Internet spielt die Musik“ folgendes schrieb: „Im Internet ist theoretisch jeder Leser zugleich Autor, jeder Autor ein potentieller Verleger.“ Auch die Musikbranche bekam damals ihr Fett ab, genauso wie die Fernsehmacher. Gut, ich war meiner Zeit ein bisschen voraus, aber inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Das Geschäftsmodell der Medien und damit auch der Medienschaffenden wie ich ist in allerhöchster Gefahr.
Dass die deutschen Zeitungsverleger kollektiv das Internet verpennt haben, dass die Musikbranche sich mit Klauen und Zähne gegen die eigene Kundschaft wehrt, dass die TV-Industrie da hockt wie das Kaninchen vor der Schlange und – vergeblich – hofft, dass ihnen durch irgendein Wunder das Schicksal der Plattenmultis erspart bleiben wird: Das alles ist nicht mehr zu ändern.
Dass aber mein Berufsstand deshalb vom Aussterben bedroht ist, daran glaube ich nicht. Ja, Information ist genügend da, und sie ist umsonst. Oder hören Sie noch etwas von denjenigen, die vor ein paar Jahren noch behauptet haben, das Modell des „paid content“ werde sich langfristig durchsetzen?
Es geht auch gar nicht um Information. Es geht nicht einmal um Inhalt, denn auch den gibt es zur Genüge für lau. Es geht um Kontext: Der Konsument wird über kurz oder lang im weiten Ozean der kostenlosen Inhalte ersaufen, wenn ihm nicht einer einen Rettungsring in Form von Analyse, Perspektive und Zusammenhang zuwirft. Der Journalist schafft Ordnung und damit Relevanz im wilden Strudel der Banalitäten. Dafür wird es immer einen Markt geben.
Fragt sich nur, ob dieser Informations-Versteher und Kontext-Schaffende noch als Angestellter einer Tageszeitung, einer Wochenzeitschrift oder eines Fernsehsender arbeiten wird. Mein Tipp: Er wird es nicht. Große Kolumnisten wie Paul Krugman von der New York Times sind heute längst zu einer eigenen Marken geworden. Sie finanzieren sich aus einer Mischung von Geschäftsmodellen: Texthonorare, Fernsehhonorare, Buchhonorare, Sprecherhonorare, Beraterhonorare und vieles andere mehr. Sie spielen auf der Klaviatur der Medien und sind deshalb scheinbar allgegenwärtig. Das macht sie unabhängig: Sie sind ihr eigener Chef, und ihre Ausstrahlung nutzt dem Medium, in dem sie auftreten, ebenso wie umgekehrt.
Da ich seit Jahren genau so lebe und arbeite, bin ich ganz früh, dass ich das Modell endlich selbst verstanden habe, denn ich habe immer wieder Schwierigkeiten, eine kurze und passende Antwort zu finden auf die Frage: „Was machen Sie denn eigentlich?“ „Ich stelle Kontext her“ wäre doch eine wunderbare Antwort.
Leider sehen das aber viele meiner Kollegen nicht so, sie verstehen sich nach wie vor als Informations-Verbreiter. Sie werden Probleme damit bekommen (wenn sie nicht jetzt schon welche haben). Denn langsam, aber sicher, wird das Geld knapp. Das Anzeigenaufkommen der Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine stagniert oder ist rückläufig, das der Fachpresse stürzt richtiggehend ab. Ähnliches lässt sich über die Auflagen sagen. Und auf der anderen Seite erleben Online-Werbung und Suchmaschinen-Marketing zweistellige Zuwachsraten. Journalisten mögen keine guten Rechner sein, aber so dämlich ist keiner von ihnen, dass er nicht zwei und zwei zusammenzählen kann. Es kommt dabei leider ein Minus raus.
Das ist leider auch ein besonderes deutsches Problem, denn die Resistenz gegen alles, was Online heißt, ist unter den heimischen Verlegern besonders groß. Sie sollten sich vielleicht ein Beispiel an IDG nehmen. Die sind dabei, zumindest in Amerika den Übergang von Print zu Online erfolgreich zu meistern. Ja, sie drucken noch Texte und Bilder auf tote Bäume mit Titeln wie ComputerWorld, InfoWorld, PC World, MacWorld und CIO. Aber sie machen inzwischen mehr Umsatz mit Online-Anzeigen als mit Print.
Und sie wissen, wohin die Reise geht. Das haben sie letztes Jahr bewiesen, als sie die gedruckte Ausgabe der altehrwürdigen InfoWorld einstellten und den Titel in ein reines Internet-Magazin verwandelt haben. Laut Verlag generiert die Website von InfoWorld derzeit durchschnittlich 1,6 Millionen Dollar an Anzeigenumsatz pro Monat. Vor einem Jahr waren es für Print- und Online-Ausgabe zusammen nur 1,5 Millionen.
Und was in Verlegerohren noch erfreulicher klingen muss: Sie haben die Umsatzrendite auf 37 Prozent erhöhen können! Vor einem Jahr machte das Blatt ein Minus von drei Prozent: IDG legte also mit jeder Ausgabe drauf.
Der Journalismus wird trotz Internet überleben. Ob es die Verlage auch tun werden, wird sich zeigen. Aber nicht aufgeben: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.