Um sieben Uhr morgens ist die Luft hier in Südostindien, 20 Kilometer vom Golf von Bengalen, heiß und stickig wie bei uns manchmal im August um die Mittagszeit. Die Asphaltstrasse vor der Training Station der Byrraju Foundation, unserem Gastgeber auf dieser Pressereise ans Ende der Welt, ist bald zu Ende, es geht zuerst auf einem unbefstigten feldweg weiter, der sich aber schnell in einen ausgetretenen Büffelpfad verwandelt.
Der Weg ist von Reisfeldrn gesäumt, auf denen schon gebückte Männer und Frauen arbeiten, wahrscheinlich schon lange, denn sie wissen im Gegensatz zu mir wie schnell es heiß wird, wenn hier erst mal die Sonne aufgeht. Ab und zu begegne ich jemandem, und langsam wird mir die heimische Begrüßungsgeste – rechts Hand übers Herz, dazu lächeln und „Namaste!“ sagen – zur gedankenlosen Gewohnheit.
Ansonsten ist es so wie daheim: Ab und zu fliegen Vögel auf, nur sind es hier keine Krähen wie im Englischen Garten sondern schneeweiße Ibise oder knallgrüne Papageien. Von einem Telefondraht mustert mich ein Fischreiher kritisch, schwirrt dann rasch davon und sein türkisfarbes Rückenkleid glänzt in der Sonne.
Zwei Buben kommen mir auf klapprigen Fahrrädern entgegen, auf denen sie mannshoh Büschel frischgerupften Grases balancieren. Ein anderer fordert mich zum Stehenbleiben auf und reicht mir eine Lotosblüte, von denen er einen Armvoll nach Hause trägt. Zwei seiner Freunde kommen hinzu. Ich biete an, sie im Gegenzug zu fotografieren. Ihre Zähne strahlen weiß aus ihren dunkelbraunen Gesichtern unter dem pechschwarzen Haar.
Es ist halb acht. Ich schnaufe wie eine alte Dampflok. Die luft scheint überhaupt keinen Sauerstoff zu besitzen. Ich erwische mich dabei, wie ich anfange, mir Ausreden fürs Aufhören zurecht zu legen, so wie beim Marathon nach 30, 35 Kilometern. Mein Kopf mag zwar schon in Indien sein, aber Herz und Lunge sind noich irgendwo unterwegs. Wie heißt eigentlich „Jetlag“ auf Indisch?
Nach 45 Minuten stehe ich wieder am Tor des Training Center, fix und fertig, total erschöpft. Der Schweiß rennt runter, als stünde ich unter der Dusche. Und ich schwöre mir: Ich werde in Indien noch vieles erleben und tun – aber bitte schön langsam…