Die Zählung der Welt: eine kurze Kulturgeschichte der Volkszählung

In der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2, 1-3) wird über die große Volkszählung berichtet, die Maria und Josph angeblich zwang, in seine Geburtsstadt Bethlehem zurückzukehren:

1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 

2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 

3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.

Was danach geschah und ob es einen historischen Jesus überhaupt jemals gegeben hat, verliert sich in den Schwaden der Geschichte. Aber die Volkszählung ist eine Tatsache!

Im Römischen Reich – dem späteren Imperium Romanum – gab es seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. alle 5 Jahre Volkszählungen und Erhebungen über die Einkünfte der römischen Bürger. Für den Census und die Steuerschätzungen waren die censoren – altrömische Beamte – verantwortlich. Die Position der censoren war sehr einflussreich. Sie genossen hohes öffentliches Ansehen. Letztendlich legten sie die Höhe der Steuer fest, die jeder Bürger zu zahlen hatte, und waren dem Senat verantwortlich.

Der römische Historiker Titus Livius erwähnt den ersten census populi für das Jahr 435 v. Chr. Seit 366 v. Chr. waren mit der Durchführung des census jeweils zwei Magistrate, die censores, betraut. Jeder freie mündige Bürger hatte unter Eid über seine Familien- und Vermögensverhältnisse (professio censualis) Auskunft zu geben.

Ab 78 v. Chr. wurden die Censuslisten im neu errichteten Staatsarchiv am Kapitol, dem tabalarium, gelagert. Seit Beginn der römischen Kaiserzeit wurde der census über die Grenzen Italiens ausgedehnt. Von nun an wurden auch in den römischen Provinzen statistische Daten erhoben und ausgewertet.

Aber nicht nur in Rom wurde gezählt. Das vierte Buch Mose, auch bekannt als «Numeri» oder «Buch der Zahlen», widmet sich der Demografie, genauer: der Zählung der Israeliten. 603.550 Männer über 20 sollen es gewesen sein.

Mit der Entstehung und Existenz erster Staatsformen wurden durch deren Herrscher auch erste Volkszählungen veranlasst. So lassen sich bereits 2 700 v. Chr. Ermittlungen von Bevölkerungszahlen in alten Ägypten und 1700 v. Chr. eine Erfassung der Bevölkerung in Mesopotamien nachweisen.

Unter der Herrschaft der Ptolemäer (ca. 306 v. Chr. – 30 v. Chr.) wurden Zensuslisten als Grundlage für das Besteuerungssystem geführt, welche die Personenzahl und den Besitz der einzelnen Haushalte bezeichnete. Zusammengestellt wurden diese Listen auf der Basis persönlicher Angaben der Bewohner.

Volkszählungen, wie sie im Römischen Imperium durchgeführt wurden, sind aus der Zeit des Mittelalters nicht bekannt. Die vor allem im 12. und 13. Jahrhundert einsetzende Welle von Stadtgründungen durch die Fürsten und den König führte zu dem Wunsch, festzustellen, wer eigentlich Bürger einer bestimmten Stadt sei. Mit dem Bürgerrecht waren bestimmte Rechte und Pflichten verbunden.

Man legte also Personenverzeichnisse an, die Bürgerrollen, in denen jener Teil der städtischen Bevölkerung aufgezeichnet wurde, dem das Bürgerrecht zuerkannt worden war. Darin wurden in der Regel die Namen jedes Neubürgers festgehalten, das Datum des geleisteten Bürgereides, die Höhe des Bürgergeldes und die territoriale Herkunft des Neubürgers.

Mitte und Ende des 15. Jahrhunderts wurden in einigen Städten vereinzelt Zählungen der Bevölkerung durchgeführt, die allerdings noch nicht regelmäßig stattfanden, sondern an aktuellen Bedürfnissen ausgerichtet waren. So war die Ermittlung der Nahrungsmittelversorgung in Kriegs- und Notzeiten der Anlass für die frühesten Zählungen in deutschen Städten wie Straßburg 1444 und Nürnberg 1449.

Auch im 17. und 18. Jahrhundert gab es zwar noch keine systematische Erfassung der ganzen Bevölkerung, aber es gab Geburten- und Sterberegister in Gemeinden, mit denen man das Wachsen und Schrumpfen der Bevölkerung beobachten konnte.

Mit der Bildung moderner Nationalstaaten ging das Zählen einher. 1801 entstand unter Napoleon ein erster Zensus in Frankreich; in der Helvetischen Republik sogar schon 1798–1800.

Für die Erfassung der Bevölkerung waren auch Kirchbücher von Bedeutung. Bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und der Einführung der Standesämter am 1. Januar 1876 waren die Kirchenmatriken im Deutschen Reich die einzigen Personenstandsregister und dienten als öffentliche Urkunde.

In den protestantischen Gebieten Mitteleuropas griffen die Landesfürsten administrativ in die Registerführung ein. Die Führung der Kirchbücher wurde durch die von ihnen initiierten Kirchenordnungen mit ihrem eingeschränkten Geltungsbereich geregelt, was eine Vielzahl regional unterschiedlicher Verordnungen zur Folge hatte. Die Aufsicht über die Führung der Matrikel war in der Regel dem protestantischen Kirchenregiment unterstellt.

Im Rahmen der Verwaltungsreform unter Maria Theresia wurden in Österreich 1754 und 1762 erstmals, gleichzeitig und nach einheitlichen Modalitäten für das gesamte Staatsgebiet, Volkszählungen durchgeführt.

Am 22. März 1833 wurde in Deutschland der Deutsche Zollverein gegründet, der einen einheitlichen deutschen Wirtschaftsraum, einen gemeinsamen Markt sowie dem Verzicht auf Binnenzölle in dem Flickenteppich der über 300 Klein- und Mittelstaaten bilden sollte, die zwar miteinander verbunden waren, aber keinen einheitlichen Staat bildeten. Am 1. Dezember 1834 erfolgte erstmals eine einheitliche Bevölkerungserhebung, nach der in sämtlichen Zollvereinsstaaten in einem 3-Jahres-Rhythmus Volkszählungen nach denselben Grundsätzen durchgeführt wurden.

Die industrielle Entwicklung nach 1800 und der damit verbundenen partiellen wirtschaftlichen und handelspolitischen Vereinigung der Nationalstaaten Europas führten zu einer schrittweisen Verbesserung der Erfassung der Bevölkerung. Dies führte wiederum zur Herausbildung und Entwicklung des Systems der modernen Volkszählung.

In den meisten europäischen Ländern und in den USA führen die Regierungen heute regelmäßig Volkszählungen durch, in der Regel alle zehn Jahre. Dazu werden zahlreiche Freiwillige benötigt, die mit Papier und Bleistift ausgestattet von Haus zu Haus gehen und alle Bewohner zählen.

Das Digitalzeitalter hat natürlich auch nicht vor der Volkzählung Halt gemacht. In Ländern mit Meldepflicht wie Deutschland und Österreich hat sich die Zählung von der physischen Zählung zur sogenannten Registerzählung verlagert, einer vollständigen Erhebung der gesamten Bevölkerung.

In diesem Sinne wünsche ich jedenfalls heute schon ein schönes und beschauliches Weihnachtsfest! Ich kann doch auf Sie zählen, oder?

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