Ob Italien wirklich das Land ist, in dem die Zitronen blühen, kann ich nach einem Kurzurlaub im Spätherbst nicht mit Bestimmtheit sagen. Da§ es aber das Gelobte Land des Mobiltelefonierens ist, das stand spätestens in dem Augenblick fest, als wir in die Hotelbar des noblen Grandhotel Excelsior in Rom kamen und an allen – wirklich allen! – Tischen vornehm gekleidete Italiener saßen und mit Hochdruck telefonierten. Miteinander, vielleicht? So eine Art High-Tech-Ausgabe des Balls der einsamen Herzen? Dagegen sprach, dass sie alle gleichzeitig redeten (andererseits: Das tun die Italiener eigentlich immer) und zu unterschiedlichen Zeiten auflegten. Dazwischen flitzten die Kellner in weissen Jacken umher, servierten Drinks, brachten kleine Teller mit Knabberzeugs und gingen zwischendurch auch mal ans Telefon (ein ganz gewöhnliches schnurloses Gerät), um Tischbestellungen entgegenzunehmen. Es war ein grandioses Schauspiel, ein Blick in die Zukunft des totalen Mobiltelefon-Zeitalters; eines, das je nach Temperament und Einstellung schön oder schrecklich erscheint.
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Rom ist voller Impressionen für den Handy-Freund. Zum Beispiel der junge Mann am Brunnen vor der Kirche Santa Maria in Trastevere, der offenbar auf jemanden wartete und dabei die ganze Zeit über das Mobiltelefon krampfhaft ans Ohr hielt, obwohl er gar nicht telefonierte. Vielleicht ist sein Arm bereits in dieser Stellung eingerostet, wie der Blechmann im Zauberer von Oz?
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Ich bin nun weiß Gott kein Handy-Feind. Aber nach ein paar Tagen Italien war es sogar mir zu viel. Als ich mit meiner Frau im Restaurant „Mariano“ nahe der Flaniermeile Via Veneto saßen, holte ein Herr am Nebentisch seinen etwas betagten Telefon-Knochen aus der Tasche und fing an, langsam zu wählen. jedes Mal, wenn er mit schweinsdickem Zeigefinger eine Taste berührte, gab das Ding einen lauten, vernehmlichen Pieps von sich. Aber vielleicht bin ich auch nur, wie meine Gattin behauptet, zu pingelig. Jedenfalls schien kein anderer Gast Notiz davon zu nehmen.
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Wer allerdings glaubt, in Italien jederzeit und überall telefonieren zu können, der irrt gewaltig. Als wir unsere Eintrittskarten für die phantastische Nofretiti-Ausstellung lösten, deutete der Portier gleich auf meinen Handy-Holster und machte die unmissverständliche südländische Geste für „hier nicht!“: zweimal mit erhobenem Zeigefinger wedeln und die Augenbrauen zusammenziehen. Ich verstand, holte das Ding heraus und schaltete vor seinen Augen ab.
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Leider vergaß ich das Ausschalten beim Besuch des Petersdoms. Und so kam es, da§ mir ein Kollegen aus Berlin just in dem Augenblick erreichte, als wir vor Michelangelos „Pieta“ standen, ein Gespräch anhängen konnte über die technischen Probleme der Netzbetreiber beim Roaming zwischen verschiedenen europäischen Ländern. Mein Einwand, da§ wir beide gerade im Begriff seien, das Nichtvorhandensein dieser Probleme zu demonstrieren, ließ ihn kalt: Solange der Austauschkanal 7 im GSM-Netz nicht freigeschaltet sei, könne es keinen vollfunktionierenden Verbindung zwischen verschiedenen Ländernetzen geben.
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Wie nützlich ein Handy im Urlaub sein kann, erfuhren wir in der süditalienischen Hafenstadt Bari. Wir waren kaum zehn Minuten in den verwinkelten Gassen der Altstadt unterwegs, als ein junger Mann auf einem Mofa meiner Frau mit einer kurzen, eleganten Bewegung die Handtasche entriss und davonraste. Keine Chance, ihn zu kriegen, natürlich. Aber wenigstens konnte ich noch vom Ort der Handlung aus bei der Bank in Deutschland anrufen und Kredit- und Scheckkarte sperren lassen.
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Zum Schluss eine erfreuliche Mitteilung für alle, die sich um den Ausbaustand des GSM-Netzes Sorgen machen: Sie können mit dem Handy auch am Ende der Welt telefonieren. Ein Schild am Kap Santa Maria de Leuca am Ende des apulischen Stiefelabsatzes machte uns darauf aufmerksam, dass wir uns am „finibus terrae“ befänden. Worauf ich natürlich sofort das Mobiltelefon herausholte, einschaltete und nach erfolgreichem Einloggen mit den Daheimgebliebenen telefonierte…
Dieser Text erschien zum ersten Mal am 24. September 1995 im Cole-Blog.
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