Den Webdesignern verbindet eine tiefe Hassliebe mit Google. Jeder möchte ja mit seiner Webseite möglichst an erster Stelle unter den Suchergebnissen stehen, und um das zu erreichen wird viel Zeit, Geld und Grips investiert für das so genannte „Search Engine Optimization“, auch „SEO“ genannt. Viele kluge und fleißige Menschen verdienen jeden Tag ihr Geld damit, Google quasi auszutricksen, um ihren„Page Rank“ zu verbessern. Schließlich hängt davon ja auch der wirtschaftliche Erfolg ab: Kunden sind in der Regel nicht bereit, nach unten zu scrollen. Wer also nicht einer der Ersten ist, bei dem brechen die Konversionsraten schnell zusammen, also das Verhältnis zwischen Seitenaufrufen und tatsächlichen Kaufabschlüssen. Und das ist ja am Ende des Tages das, worum es im E-Commerce geht.
Google hüllt sich meist in Schweigen wenn es um den „Google Algorithm“ geht, also um die Meßlatte, die Google anlegt, wenn es seine „Crawler“ genannten Softwareroboter ausschwärmen lässt, um die Websites der Welt zu schätzen. Klar ist nur, dass es immer wieder Veränderungen und Anpassungen gibt, und zwar meistens ohne Vorwarnung. Die Such-Optimierer merken es nur, wenn plötzlich der Auftraggeber anruft und schimpft, weil der Verkehr auf seiner Homepage plötzlich nachgelassen hat und sein Umsatz sinkt.
In der Branche hat sich der Begriff des „Google Dance“ eingebürgert, der zwar eigentlich den Update-Prozess selbst beschreibt, aber auch sehr gut zu der hektischen Betriebsamkeit passt, die Google in den SEO-Agenturen auslöst, wenn wieder mal am Algorithmus gedreht worden ist: Da tanzt tatsächlich oft der Bär!
Wie es aussieht, ist der Tanztakt gerade ein ganzes Stück schneller geworden. Das liegt daran, dass sich die Online-Welt in den letzten Jahren massiv verändert hat: Mehr als die Hälfte aller Internet-User gehen nämlich inzwischen nicht mehr mit dem Computer, sondern mit Smartphone oder Tablet online. WalMart, das weltgrößte Handelshaus, behauptet sogar, dass im Weihnachtsgeschäft 2014 drei Viertel aller Käufer von einem Mobilgerät aus bestellt haben. Und das hat ziemlich dramatische Folgen für das Web-Design.
Es stellt sich nämlich heraus, dass eine Website, die im PC-Browser noch ganz manierlich aussieht, auf dem winzigen Bildschirm eines iPhones eine totale Katastrophe sein kann. Texte sind nur noch bruchstückhaft sichtbar, Bilder verschwinden oder werden stark verzerrt, und die ganzen schönen Videos und Animationen, die dafür sorgen, dass es auf der Homepage blinkt und zischt, bleiben auf Mobilgeräten aus dem Hause Apple sowieso unsichtbar, weil Steve Jobs selig kein Freund von Flash war.
Viele Firmen merken gar nicht, wie schlimm ihre Webseiten auf einem Tablet aussehen, weil sie sie ohnehin immer nur auf dem PC anschauen. Oder es ist ihnen einfach zu umständlich (oder zu teuer), etwas dagegen zu tun.
Es gibt ja eigentlich auch nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man baut verschiedene Versionen seiner Homepage, die angezeigt werden, je nachdem mit welchem Endgerät der Kunden reinschaut (hier kommt der mysteriöse „m.dot“ ins Spiel, der den Besucher auf die entsprechende Seitenversion umleitet), oder man stellt seine ganze Website um auf so genanntes „Responsive Web Design“ (RWD). Dann passen sich Texte und Bilder automatisch an die Bildschirmgröße an, und wenn alles viel zu klein wird, werden Dinge weggelassen wie Bilder oder Grafiken, die sich auf dem winzigen Smartphone-Bildschirm ohnehin nicht richtig darstellen lassen.
Bislang war es dem Besitzer der Website selbst überlassen, welchen Weg er gehen will, oder ob ihm das ganze Thema am Ende schlicht egal ist. Aber Google will jetzt Daumenschrauben anziehen: Beim letzten Google-Tanz am 17. April wurde die „Mobiltauglichkeit“ einer Website zu einem wichtigen, ja zu dem vielleicht entscheidenden Kriterium bei der Bewertung einer Website erklärt. Anders ausgedrückt: Eine Seite, die nicht auch auf einem Smartphone gut aussieht, fällt hinten runter – sie „rankt“ nicht.
Google bietet übrigens einen Online-Test an, mit dessen Hilfe man feststellen kann, wie gut die eigene Homepage für den mobilen Einsatz geeignet ist. Und siehe da: Ich habe Glück! Es kann jedenfalls kein Können gewesen sein, denn ich habe, ehrlich gesagt, an sowas überhaupt nicht gedacht, als ich meine Homepage bauen ließ. Womit ich vermutlich in guter Gesellschaft bin…
Bei den SEO-Agenturen schlug die Nachricht natürlich ein wie eine Bombe. Auf Twitter schrieb einer von ihnen: „April 17 is Googlegedon. If your site isn’t #mobileresponsive your SEO will take a hit.”
Die Weltuntergangsstimmung ist erklärlich: Bislang kümmerte sich Google ja nur um Inhalte. Jetzt geht es um Performance – und damit den Gestaltern an den Kragen. Langsam sickert nämlich durch, welche Maßstäbe Google in Zukunft anlegen wird bei der Beurteilung. „Unübliche Software“ ist ein KO-Kriterium, was eine freundliche Umschreibung ist für Flash-Programmierung. Texte müssen künftig ohne Zoomen lesbar sein, sonst gibt es Minuspunkte. Der Inhalt der Seite muss sich an die Bildschirmgröße anpassen, weil so genanntes „horizontales Scrollen“ in den Augen der Google-Algorithmiker eine Todsünde ist. Und Google misst jetzt auch den Abstand zwischen den Hyperlinks auf einer Seite. Ist sie zu klein, fällt die Seite im Ranking zurück. Wer je geflucht hat, wenn er mit seinen Wurstfingern vergeblich versucht hat, einen Link auf einem Smartphone zu öffnen, weiß warum.
Ich habe mich darüber mit Gregor Rechberger unterhalten, der als Senior Product Manager bei Borland in Linz arbeitet, einem führenden Anbieter von Testlösungen für Webdesigner, und er hat mir bestätigt: „Das ist für Kunden, die sich nicht um die Mobiltauglichkeit ihrer Websites kümmern, eine Form von Strafe.“
Rechberger glaubt, dass der neue Update aber nur der erste Schritt in einem ganz neuen Tanz sein wird. Denn Google hat ernsthaft vor, beim Internet eine neue Gangart einzuführen. Geschwindigkeit ist künftig Trumpf: Nur die Schnellsten sollen im großen Google-Rankingspiel weiterkommen. Alle anderen können sehen, wo sie bleiben. Das Zauberwort heißt „Page Speed“.
Geschwindigkeit ist schließlich beim Online-Shopping oft entscheidend. Studien zufolge brechen 57 Prozent aller Besucher nach spätestens drei Sekunden ab, wenn sich auf dem Bildschirm nichts tut. Zwei Drittel verlangen mindestens nach vier Sekunden einen Response, wie die die State of the Union-Studie 2014 von Radware ergeben hat. Das ist schlecht fürs Geschäft des Anbieters, aber auch für das von Google (ich sage nur: AdWords!). Die Antwortzeit einer Website könnte also demnächst zum Killerkriterium werden. Und den Letzten beißen dann die Hunde.
Bereits heute tauchen auf Smartphones, die mit dem Google-eigenen Betriebssystem Android ausgestattet sind, hin und wieder kleine rote Balken vor den Fundstellen auf mit der Aufschrift „slow“ (siehe Illu oben). Das ist ein Hinweis darauf, dass die Seite nach Ansicht des Google-Roboters zu langsam lädt.
Zwar hüllt sich Google auch hier (noch) in Schweigen, aber Experten deuten das Ganze als stilles Experiment des Suchmaschinenbetreibers, um Langsamfahrer auf der Datenautobahn zu identifizieren und ihnen einen Strafzettel zu verpassen.
Damit steigt insgesamt der Druck, denn ein Kunde, dessen Webshop bei Google nur noch unter „ferner liefen“ zu finden ist, wird vermutlich einen Tobsuchtsanfall bekommen – und sich nach Schuldigen umsehen.
Alle sind also zum Umdenken aufgefordert, Designer wie Internet-Provider. Wer bislang glaubte, Im Internet genügt es, schön zu sein, wird ganz schnell eines Besseren belehrt werden. Man muss auch schnell sein – schneller als die Konkurrenz. Wer jetzt schon keuchend über das verdammte „Internet-Tempo“ geklagt hat, wird noch tief Luft holen müssen.