„Information wants to be free“, so lautet die Mantra einer ganzen Generation von Internet-Nutzern, die im globalen Netz einen Garant für Meinungsfreiheit und Menschenrechte sehen. „Paid content“ gilt in solchen Kreisen als Schimpfwort: Künstler und Konzerne sollen ihre medialen Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen und sich anderweitig refinanzieren: Über den Verkauf von Services, zum Beispiel, die aus dem „Rohstoff“ Content durch Veredelung Mehrwert schaffen, oder durch Werbung, die um kostenlose Inhalte herum gruppiert werden. Extremisten fordern sogar ein „kommerzfreies“ Internet, getreu dem libertinären Grundsatz eines „Menschenrechts auf Informationen“: Wer etwas geheim hält oder nur beschränkt zugänglich macht, begeht ein Verbechen gegen die Menschlichkeit.
Auch wenn ich selbst eine Art Westentaschen-Libertinärer bin, der den Gedanken an ein schrankenloses Internet reizvoll findet, so bin ich doch Realist und weiß: Ohne Moss nix los. Im und mit dem Internet wird viel Geld verdient, und zu glauben, dass es anders sein kann, ist hoffnungslose Utopie.
In den USA tobt eine heftige Debatte über SOPA und PIPA, zwei Gesetzesvorlagen im US-Kongress, die Piraterie und Content-Klau verhindern sollen, und gegen die namhafte Technologiefirmen und Inhaltsanbieter wie Google oder Wikipedia mit dem äußersten Mittel ankämpfen: durch Abschalten ihrer Websites. Die Schwarzen Löcher im Internet haben Wirkung gezeigt: Selbst Abgeordnete, die an der Formulierung der Gesetzesvorlagen mitgewirkt haben, treten inzwischen auf das Bremspedal und wollen, wie Senator Marco Rubio von den Republikanern, ein Co-Autor von SOPA, das Ganze jetzt etwas langsamer angehen, um Zeit zum Nachdenken über mögliche negative Konsequenzen für die Meinungsfreiheit zu gewinnen.
Aber denken wir doch mal das Modell des „free content“ mal zu Ende. Firmen sollen ermuntert werden, die gratis von Usern zur Verfügung gestellten Informationen durch Dienstleistungen zu monetarisieren. Facebook tut das bereits im großen Stil: Sie durchforsten die Profilseiten und Postings von einer Milliarde Benutzern und verkaufen diese „veredelten“ Informationen dann an Firmen, die damit gezieltere Werbekampagnen als je zuvor ersinnen und damit hoffen, reich zu werden. Das passt uns aber auch nicht, denn wir fühlen uns ausspioniert und zu gläsernen Verbrauchern degradiert.
Was nun? Sollen sie, oder sollen sie nicht? Das ist inzwischen das große Dilemma des Internet geworden: Wir alle wollen geistiges Eigentum für lau, aber wenn die Wirtschaft darauf eingeht und tatsächlich anfängt, alternative Einnahmequellen zu erschließen, ist es uns auch nicht recht.
Es gibt natürlich auch andere Geschäftsmodelle, etwa die des alten Huts: Inhalteanbieter sollen wie Straßenmusikanten die Vorübergehenden auffordern, bei Gefallen eine kleine Spende rein zu werfen; wer gut ist, kann am Ende des Tages ganz gut davon leben, und wer nur Katzenmusik produziert geht leer aus. Das wird schon seit Jahren hier und da praktiziert, aber mal Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal gespendet? Dachte ich mir…
In den New York Times schreibt Jaron Lanier, der langhaarige Vordenker der virtuellen Realität und neuerdings von Paulus zum Saulus gemendelte Internet-Kritiker: „Meinen Freunden von der Internet-Bewegung muss ich fragen: Was habt Ihr gedacht, was passieren würde? Wir im Silicon Valley haben das Urheberrecht untergraben um das Gewerbe zu zwingen, sich mehr um Service als um Content zu kümmern – mehr um unseren Code als um ihre Dateien. Das unvermeidliche Ergebnis war immer, dass wir dadurch die Kontrolle über unseren eigenen Content verlieren würden, unsere eigenen Dateien. Wir haben nicht nur Hollywood und die altmodischen Verleger geschwächt. Wir haben uns selbst geschwächt.“
Information will in frei sein, das stimmt. Aber umsonst? Das ist mehr als eine reine Frage der korrekten englischen Übersetzung.