Warum tun sich manche Unternehmen so schwer, mit den Veränderungen des Digitalzeitalters zurecht zu kommen, und warum sind andere erfolgreich? Warum ist Apple heute mehr wert als GE, Wal-Mart, GM und McDonald’s zusammen? Warum gibt es kein einziges deutsches Unternehmen, dass es mit den „Big 4“ – Apple, Google, Facebook und Amazon – aufnehmen kann? Schlafen sie in den deutschen Vorstandsetagen? Ist der deutsche Unternehmer besonders zukunftsresistent? Sind die deutschen ein Volk von Technik-Muffeln, und was bedeutet das für die Zukunft des Standorts Deutschland und den Wohlstand in diesem Land?
Diese und andere Fragen müssen heute am Anfang eines Diskurses um die so genannte „Digitale Transformation“ stehen. Diese verlangt von Unternehmen und Managern, sich neu zu erfinden, liebgewordene Gewohnheiten und Denkweisen aufzugeben und sich dem Druck des Neuen anzupassen. „Disruptive“ Mitbewerber drängen in den Markt und verdrängen etablierte Marktführer in atemberaubendem Tempo. Welcher Hahn kräht heute noch nach Nokia, dem einstigen Giganten des Mobiltelefons; vier Jahre brauchte Apple nach Einführung des iPhone im Jahr 2007, um Nokia als Spitzenreiter abzulösen. 2014 wurde die Handysparte von Nokia an Microsoft verscherbelt, die zwei Jahre später endgültig den Stecker zogen und den unrentablen Geschäftsbereich einstellten.
Die Digitale Transformation verlangt von Unternehmen und Managern, sich neu zu erfinden, liebgewordene Gewohnheiten und Denkweisen aufzugeben und sich dem Druck des Neuen anzupassen. Großkonzerne wie Mittelständler müssen sich öffnen, ihre Geschäftsprozesse und selbst ihr komplettes Geschäftsmodell unter die Lupe nehmen und herausfinden, wo durch die Digitale Transformation Veränderungsbedarf entsteht. Und sie müssen bereit sein, sich notfalls von Liebgewordenem zu trennen, und den Mut zu haben, auch mal ganz neue Wege zu gehen. Und die Zeit drängt: In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich entscheiden, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern der digitalen Transformation gehören wird. Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland hängt entscheidend davon ab, wie zügig und gut es gelingt, die klassische Produktion zu digitalisieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickelt.
Eine der wichtigsten Aufgaben, die auf deutsche Manager wartet, ist die angefangene Vernetzung zu Ende zu führen. Insbesondere Großunternehmen haben in der Vergangenheit viel Geld in „Insellösungen“ gesteckt – Systeme, die zwar in sich abgeschlossen sind und funktionieren, die aber keinen Anschluss an den Rest des Unternehmens haben. So kommt es immer wieder zu Medienbrüchen und Blockaden, die Zeit, Geld und Ärger kosten. Es gilt, in den kommenden Jahren Brücken zwischen diesen digitalen Inseln zu bauen und so das alte Versprechen der Unternehmens-IT einzulösen: die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Mit der Digitalen Transformation einher geht ein massiver Umbruch in der Arbeitsorganisation, auf die deutsche Unternehmer denkbar schlecht vorbereitet sind. So bestehen einer Untersuchung des IT-Branchenverbands Bitkom zufolge 75 Prozent aller Vorgesetzen darauf, dass ihre Mitarbeiter während der Kernarbeitszeit am Schreibtisch zu sitzen hat. Home Office oder flexible Arbeitszeitmodelle sind nicht vorgesehen. Hier bahnt sich aber ein potenzieller Konflikt an mit den Mitgliedern der nachrückenden „Generation Y“, die gewohnt ist, ganz anders, nämlich autonom und selbstbestimmt zu arbeiten und zu kommunizieren. Unternehmen müssen sich für diese jungen Talente schmücken, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen, als künftige Arbeitgeber infrage zu kommen. Der demografische Wandel droht, in Deutschland eine Arbeitsmarktkatastrophe ungekannten Ausmaßes entstehen zu lassen, auf die Unternehmen mit Flexibilität und neuen, netzwerkartigen Strukturen reagieren müssen.
Die Fragen, die sich aus der Digitalen Transformation ergeben, tangieren also alle Bereiche eines Unternehmens, aber sie reichen auch weit darüber hinaus. Es sind gesellschaftliche Probleme zu lösen. Ängste, die bei Mitarbeitern und Kunden entstehen, müssen angesprochen werden. Digitale Transformation ist also ein ganzheitlicher Veränderungsprozess, und er erfordert ganzheitliches Denken. Damit ist sie eindeutig in der Chefetage angesiedelt