Die Älteren werden sie erkennen, den adretten Jüngling neben dem griesgrämig dreinblickenden alten Mann. Der alte ist Willi Dungl, in den 70ern in Österreich als „Fitnesspapst“ gefeierte Sporttherapeuten, der Niki Lauda nach seinem spektakulären Crash auf dem Nürburgring 1976 in Rekordzeit wieder ins Cockpit zurückbrachte und der von 1973 bis 1980 für die Betreuung des österreichischen Nationalteams bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften verantwortlich war.
Der junge Mann mit der Stirnlocke und dem grauen Sweatshirt hieß Hans Hölzl, aber bei seinen Fans war er nur als „Falco“ bekannt.
Ich saß damals auch mit am Tisch, bin aber nicht zu sehen, weil es damals noch keine Selfies gab, also musste ich aufstehen und fotografieren. Die anderen Herren in der Runde sind wie ich damals Münchner Reisejournalisten, und wir waren auf Einladung der Österreichwerbung auf Pressereise nach Gars am Kamp, wo Willi Dungl ein Biotrainings-Zentrum mit angeschlossenem Luxushotel betrieb. Dort hat er vor allem Spitzenmanager und Sportstars entgiftet und wieder aufgepäppelt, damit sie weiterhin Spitzenleistungen im Beruf oder auf der Bahn bringen.
Das hieß: Eine Woche kein Alkohol, nur von Dungl zubereitete Schonkost, viel Bewegung und zu Beginn ein Cocktail aus Waldkräutern nach einem Rezept seiner Tante, die angeblich eine echte Kräuterhexe gewesen sei. Am nächsten Morgen war der Darm leer, und du glaubst nicht, was die Kräuter alles so zum Vorschein gespült haben. Kein Wunder, dass sie es „entgiften“ nennen!
Falco war auch zum Entgiften da, und er hat es stoisch ertragen. Überhaupt war er eigentlich ein ganz netter Kerl – keine Starallüren oder so. Ich muss zugeben, dass ich nicht so auf der Höhe war mit dem Schlagergeschäft der 70er – ich war je mehr ein 60er-Typ, Beatles, Beach boys und so. Aber selbst ich wußte, dass Falco als erster (und bisher einziger) deutschsprachiger Sänger, auf Platz eins der Billboard Charts gestanden hat mit seinem Song „Rock Me Amadeus“. An netts leiderl, wie ein Schwiegervater, ein Landsmann von ihm, gesagt hätte. Wir haben drei Tage mittags und abends mit ihm am Tisch gesessen und uns wunderbar unterhalten über alles, außer Musik.
Wir Reisejournalisten waren ja hartgesottene Säufer, und eine Woche im Schongang war für uns ganz schön hart. Nach vier Tagen sind wir deshalb ausgebuchst und in Dorfwirtshaus gegangen, wo wir das größte Schnitzel bestellt haben, das sie zu bieten hatten. Wir hatten uns gerade mit einem Halben zugeprostet, da ging die Tür auf, und wer kam rein? Willi Dungl! Wir haben uns wie Sechstklässler, die beim Kartenspielen unter der Schulbank ertappt worden sind, sind weggeduckt und weggeschaut.
Dungl schien nichts bemerkt zu haben, setzte sich zu uns an den Tisch, plauderte munter über das Programm der beiden letzten Tage, verabschiedete sich und ging. Als wir bezahlen wollten, hieß es: „Ist schon erledigt, Herr Dungl hat das gemacht!“
Und Ihr fragt, warum ich Willi Dungl für einen großen Mann halte?