Ich bin beim Computeraufräumen wieder über diese entzückende kleine Geschichte gestolpert, die ich 2016 hier im Cole-Blog veröffetnlicht habe und die es verdient, wiederholt zu werden, damit auch neue Leser sich an ihr erfreuen können. Wir brauchen so viele herzrührende Geschichten, die wir kriegen können in diesen kalten Tagen von Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan und Jair Bolsonaro.
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Diese Geschichte ist so schön, dass ich sie unbedingt weitererzählen muss. Außerdem ist sie ein perfektes Beispiel dafür, wie man als Unternehmen Social Media richtig einsetzen sollte. Niemand will auf Facebook irgendwelche abgestandenen Pressetexte lesen, und auch die x-te Version Ihres Mission Statement interessiert keine Sau.
Das Adare Manor Hotel ist eines der nobelsten Herbergen Irlands. Es liegt in einem Dorf westlich von Limrick und wurde im frühen 19ten Jahrhundert als Herrschaftssitz des Earl of Dunraven erreichtet inmitten eines 3,4 Quadratkilometer großen Parks. 1897 gab sich Königin Victoria hier die Ehre, und das im Tudorstil errichtete Granitgebäude strahlt eine Erhabenheit aus, die auf Normalsterbliche ein bisschen einschüchternd wirkt.
Daran hat sich auch nicht geändert, als der verarmte letzte Earl von Dunraven das Ungetüm 1982 an eine Investorengruppe verkaufte, der daraus eine Nobelherberge machte, komplett mit einem der schönsten Golfplätze der an Golfplätzen weiß Gott nicht armen Insel, wo 2008 und 2009 der Irish Open ausgetragen wurde. Mehrfach als das beste Hotel von Irland ausgezeichnet, mit Zimmerpreisen ab 480 Euro die Nacht, ist das Adare Manor (das zur Zeit übrigens wegen Renovierungsarbeiten bis 2017 geschlossen ist) nichts für Otto-Normalurlauber.
Meine Frau und ich fuhren mal dran vorbei, aber wir haben uns nicht reingetraut. So dick ist unser Geldbeutel nicht gepolstert. Aber seitdem ärgere ich mich schon ein bisschen, dass wir damals nicht angehalten haben.
Wenn ein solches Hotel also ein Imageproblem hat, dann höchstens das der Unnahbarkeit. Hinter der hochragenden Steinfassde, so stellt man sich vor, herrscht vornehme Stille, allenfalls unterbrochen vom leisen Klingeln der Teekanne am Tassenrand, und die Bediensteten eines solchen Etablismenets stellt man sich als eine Mischung aus Jeeves und einem Gymnasialdirektor vor. Um sich in einer solchen Umgebung zu Hause zu fühlen muss man mindestens Milliardäre, besser aber Mitglied des europäischen Hochadels sein, oder?
Das Adare Manor hat eine Facebookseite, was an sich schon verwundert, denn die Queen wäre vermutlich darüber not amused. Aber umso überraschter war ich, als ich dort diese wunderbare Geschichte vom Stoffhäschen las.
Sie fängt mit einem einfachen Foto an. Das Häschen sitzt etwas traurig und vergessen in einem Plüschsessel. Jemand hat ihn, so lesen wir, beim Frühstück liegen gelassen.
Diese Geschichte wiederholt sich jeden Tag in Tausenden von Hotels auf der Welt. Was dann geschieht, ist auch meist schon Routine: Die Verlustsache kommt an die Rezeption oder ins Lager. Wenn sich der Besitzer meldet, muss jemand ein Päckchen packen und zur Post bringen. Das deutet zusätzliche Arbeit und Ärger, aber was soll man machen als ordentlich geführtes Hotel? Danach geht man wieder zur Tagesordnung über.
Ich weiß nicht, ob im Adare Manor ein besonders gewiefter Mitarbeiter an der Rezeption saß oder ob irgendjemand in der PR-Abteilung sitzt, der viel auf Facebook unterwegs ist. Was jedenfalls dann geschah sollte in einem Lehrbuch für Social Media Marketing stehen, denn das kleine Häschen begann sich selbständig zu machen und wurde zum Thema einer fast perfekten viralen Kampagne.
Das Häschen wurde zum Held einer rührenden kleinen Geschichte. Das nächste Foto zeigt ihn im Gästebett, die TV-Fernbedienung in der Hand, neben sich eine Praline als kleines Betthupferl. Darunter der Text: „Ich muss heute Abend im Adare Manor übernachten. Hoffentlich werde ich morgen abgeholt.“
Am nächsten Morgen sitzt das Häschen im Spa auf dicken Handtüchern mit Gurkenscheiben auf den die Augen, offensichtlich sehr entspannt. Da möchte man doch jetzt auch sein, oder?
Etwas später sieht man das Häschen am Empfang, wo Rezeptionistin Claire versucht, seinen Besitzer per Telefon ausfindig zu machen.
Nachmittags lässt sich Häschen im Salon Tee servieren und blickt hinaus auf den weitläufigen Park, vor sich die Etagere mit den klassichen Begleitern des britischen High Tea: Scones, Kuchen und Sandwichs.
Danach will sich Häschen ein bisschen die Beine ausstrecken und lässt sich von Claire den Weg zeigen.
Abends dann die frohe Botschaft: Das Hotelpersonal hat mein Frauchen gefunden. Ich darf aber noch eine Nacht bleiben, bis ich morgen abgeholt werde – juhuu!
Die letzte Nacht wird stillecht im großen Doppelbett verbracht.
Am nächsten Morgen ist gerade noch Zeit für eine Massage durch die hübsche Kate, dann geht es heim!
Und dann das Wiedersehen mit einer jungen Dame, die direkt aus Central Casting zu stammen scheint: ein blondes Engelchen mit glücksstrahlendem Gesicht, Häschen eng umschlungen. Hach, wie ist das alles rührend! Wie im Märchen…
Es gibt sogar noch ein letztes Foto, auf dem Häschen zu Hause mit der süßen dreijährigen Kieran im Bett liegt, komplett mit dem Facebook-Erkennungszeichen „Daumen hoch!“
Aber die Geschichte geht weiter: Die örtliche Tageszeitung bekam Wind von der Aktion und schrieb einen kleinen Artikel. Daraufhin stand das Telefon von Sarah Ormston, der PR-Chefin von Adare Manor, nicht mehr still. Sogar bis ins ferne Amerika verbreitet sich die Geschichte, und der Sender ABC berichtete im Fernsehen und auf seinem Blog.
Eine solche Reaktion hätte sich das Adare Manor nicht in seinen kühnsten Träumen erhoffen können. Und die Medienleistung ist einfach unbezahlbar! Wie auch Medienprofi Deidre Ryan anerkennend postete:
So, und jetzt sagen Sie bitte nochmal: Facebook ist für ein Unternehmen nur Zeitverschwendung…