Ein Buchstabe kann eine Welt bedeuten. Nehmen wir den kleinen Buchstaben „b“. Zumindest in Amerika macht klein oder groß oft einen ganz großen Unterschied. Anders als im Deutschen, wo grundsätzlich alle Substantive und Eigennamen großgeschrieben werden, ist es im Englischen einerseits einfacher, andererseits viel komplizierter.
Zwar kann Großschreibung auch im Deutschen ein Ausdruck der Höflichkeit sein, zum Beispiel bei der persönlichen Anrede („ich danke Ihnen!“). Im Englischen gilt sie eher als ein Zeichen von Hochachtung. Gott bekommt im Deutschen immer seinen Großbuchstaben am Anfang, egal ob es sich um den christlichen, den Islamischen oder einen der vielen indischen Gottheiten handelt. Im Englischen nimmt man es mit dem ersten Gebot wörtlich: Es gibt nur einen „God“, nämlich den judeo-christlichen, und du sollst keinen anderen neben ihm haben, oder zumindest ihn nicht mit Majuskel versehen. Während fast alle englischen Hauptwörter außer Ortsnamen generell klein geschrieben werden, beginnen Titel und anderen Ehrenbezeugungen versal („your Honor“, “ Duke of Edinburgh „, „President Clinton“, „my Cousin Angie“).
Insofern ist die Entscheidung der New York Times, das Wort „Black“ für einen Menschen dunkler Hautfarbe mit großem Anfanggsbuchstaben verwenden zu wollen, ein Meilenstein – und ein mutiger Akt angesichts des in weiten Teilen der weißen Bevölkerung immer noch grassierenden Rassismus, von denen einige vermutlich auch die Times lesen oder zumindest die Anzeigenbudgets abzeichnen.
„Die neue Richtlinie zur Verwendung des Begriffs spiegelt besser unsere gemeinsame kulturelle Identität wider“, schreibt Kulturredakteurin Nancy Coleman.
Dem Entschluss gingen wochenlange interne Diskussionen voran. Es gab Bedenken aus der Ecke der Rechtschreib-Puristen, aber am Ende obsiegten diejenigen, die wie Marc Lacey, der Herausgeber der Nationalausgabe der Times, meinten, dass die Großschreibung dieses einen Buchstabens für viele Menschen „der Unterschied zwischen einer Farbe und einer Kultur“ darstelle.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass die Times mit einer solchen Frage ringen musste. Der (farbige) Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois schrieb schon 1926 an die Redaktion und forderte sie auf, das damals noch gebräuchliche Wort „negro“ doch bitte in Zukunft groß zu schreiben. Er wurde abgelehnt. Erst nach heftigen internen Auseinandersetzungen beschlossen die Stilhüter der Times 1930 das Wort mit einem Versalbuchstaben zu versehen.
Heute gilt es natürlich als absolut verpönt, das Wort „Negro“ überhaupt zu schreiben, ob groß oder klein. Das mag auch ein bisschen an der damaligen Entscheidung liegen und an der Diskussion, die sie ausgelöst hat.
Der New York Times Stylebook ist so etwas wie die Rechtschreib-Bibel der amerikanischen Presse. Wobei es anders als in Deutschland keine festen, von der Obrigkeit vorgegebenen Rechtschreiberegeln gibt. Jede Zeitung such sich seine Schreibweisen selbst aus, und neben den New Yorkern gibt es auch einflussreiche Stilführer der Chicago Tribune, der United Press International und des Economist, die teileweise erheblich voneinander abweichen, die aber ebenfalls ihre Anhänger haben. Der Markt, so die weitverbreitete Ansicht, wird das besser regeln als irgendwelche Aufsichtsbeamte in den Bildungsministerien oder Schulbehörden.
In diesem Fall stellt das große „B“ in Black für die schwarzen Menschen in Amerika sogar eine ganz besondere Geste dar: Weder die Begriffe „white“ noch „brown“ werden in Zukunft durch die Times eine ähnliche Ehrerbietung zuteil: Sie bleiben weiter kleingeschrieben.