Digitale Transformation hat weniger mit Technologie und mehr mit Infrastruktur, mit Organisationsmodellen und mit Führungsqualität zu tun. Es geht um ein neues Bewusstsein, das vielleicht am besten mit dem Schlagwort „digital first“ beschrieben werden kann: Die Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten darauf, den maximalen Nutzen aus dem Einsatz neuer Digitaltechnologien zu ziehen.
Das heißt, nicht das Sammeln von Daten ist wichtig, sondern die Kompetenz, Zusammenhänge besser zu verstehen. „Eine wesentliche Stärke von Big Data ist die Fähigkeit, Korrelationen und Muster dort zu erkennen, wo Menschen nur Datenchaos sehen“, wie Daniel Fallmann von der Firma Mindbreeze in Linz behauptet.
Das Geschäftsmodell von Fallmann ist ein Teil der Abfallwirtschaft: das Recyceln digitaler Datenhalden. Der Chef der Linzer Firma Mindbreeze möchte eine Art „Google für Unternehmen“ schaffen: ein Gerät, das tief in das Innerste von Systemen eindringt und die dort schlummernden Informationsschätze durchsuchbar und damit auffindbar macht. Damit will er Chefs und Sachbearbeitern ein Werkzeug in die Hand geben, das vorhandenes Wissen in einen verwertbaren Rohstoff umwandelt.
Fallmanns Lösung ist eine „Black Box“, ein Schwarzer Kasten, der aussieht wie ein typischer Server und der Verbindungen zu allen vorhandenen digitalen und semidigitalen Systemen im Unternehmen herstellt, um die dort vorhandenen Daten zu katalogisieren – so wie es die Suchroboter von Google für das globale System des World Wide Web tun.In einem Report der Analystenfirma Gartner über das Mindbreeze-System heißt es: „Maschinen werden in Zukunft intuitiv genug sein, um menschliche Absichten zu verarbeiten, statt nur auf Anweisungen zu reagieren.“
In jedem Unternehmen werden täglich Tausende von elektronischen „Briefen“ empfangen, aber auch „richtige“ Briefe auf Papier mit Unterschrift und Eingangsstempel. Faxgeräte arbeiten heute längst schon zumindest intern digital, aber das Ergebnis wird als Papierdokument abgelegt. Viele Unternehmen betreiben eigene Seiten auf Facebook oder anderen Kanälen im Social Web, die gelesen, gescannt, kategorisiert und dann an die entsprechenden Mitarbeiter weitergeleitet werden. Geschieht das manuell, dauert es viel zu lang, und der Mensch macht nun einmal hin und wieder Fehler, legt die Information falsch ab und vertippt sich ganz einfach. Ergebnis: Die Information ist zwar noch da, aber nutzlos – eben digitaler Müll.
Einem Unternehmen entgeht dabei vielleicht ein Gewinn. In der Medizintechnik stehen dagegen Menschenleben auf dem Spiel. Um schnell zur richtigen Diagnose zu gelangen und wirkungsvolle Therapiemaßnahmen verschreiben zu können, sind Krankenhausärzte heute auf moderne Informationssysteme angewiesen. Ein solches System müsste idealerweise nicht nur in der Lage sein, individuelle Patientendaten, wie Krankheitsbild oder Medikamentenunverträglichkeiten, auszuwerten, sondern diese auch mit internen und externen Quellen, wie Wirkstoffdatenbanken, Medikamentenkataloge und wissenschaftlichen Veröffentlichungen, oft in unterschiedlichen Sprachen geschrieben, in Verbindung setzen. Die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort – so lautete vor einigen Jahren noch das Firmenmotto von IBM – und wurde von Insidern oft als anmaßend und irreführend belächelt.
Heute ist der modernste IBM-Computer, der auf den Namen „Watson“ hört (benannt nach dem legendären CEO Thomas J. Watson, der das Unternehmen von 1914 bis 1956 führte und den Aufstieg zu einem Weltkonzern begleitete), in der Lage, einem Krebsarzt Therapieempfehlungen zu geben, die exakt auf die persönliche Situation und das Krankheitsbild jedes einzelnen Patienten abgestimmt sind. Die Ergebnisse werden nach dem wahrscheinlichen Heilungserfolg aufgelistet. Die endgültige Entscheidung darüber, welche Behandlung angewendet soll, trifft aber weiterhin der Arzt allein. „Watson ersetzt den Mediziner nicht, er ist aber der perfekte persönliche Assistent“, sagt Matthias Kaiserswerth, der bis 2015 das IBM-Forschungslabor in Zürich leitete. Dort wird bereits an der nächsten Generation sogenannter „kognitiver“ Computer gearbeitet, die Daten nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns mithilfe von synaptischen Verfahren verarbeitet.
Diese „nächste Generation der IT“ wird in einigen Jahren jedem Unternehmen zur Verfügung stehen, und zwar über dezentrale Computerlösungen aus der „Cloud“. Schon heute lassen sich auf diese Weise modernste Computerleistungen abrufen, ohne dass ein Unternehmen selbst in teure Hard- oder Software investieren muss. Das hat konkrete betriebswirtschaftliche Vorteile: Kapitalkosten können in Betriebskosten umgewandelt und deshalb sofort steuerlich wirksam gemacht werden.
„IT as a Service verschafft Unternehmen mehr Freiraum für ihr Kerngeschäft und für Innovation“, ist Tolga Erdogan überzeugt. Der Direktor für Solutions & Consulting bei Dimension Data, einem weltweit führenden Anbieter für Netzwerk- und Kommunikationstechnologien mit Sitz in Südafrika, hält dezentrale IT-Dienstleistungen für den „Turbo für die Digitale Transformation in den Unternehmen“. Von ihnen geht seiner Meinung nach eine erhebliche Zentrifugalkraft aus, die Unternehmen immer stärker in Gewinner und Verlierer unterteilt nach dem Motto der Lottozentralen: Nur wer mitmacht, kann gewinnen!