In Zukunft werden wir alle arbeiten, wann und wo wir wollen. Das ist eine Kernthese aus meinem neuen Buch, „Digitale Transformation“, das letzte Woche im Vahlen-Verlag erschienen ist. Wenn ich den Satz aber in meinen Vorträgen wiederhole, bekomme ich häufig Kontra von Leuten, die das Beispiel des Handwerksmeisters zitieren, der viel Zeit in seiner Werkstatt verbringen muss. Manchmal hat man da den Eindruck, das deutsche Handwerk stecke noch im digitalen Mittelalter fest. Dieser Eindruck ist aber falsch.
Woher ich das weiß? Weil ich gerade den „Hagebau Report“ gelesen habe, der den Untertitel trägt: „Die deutsche Bauwirtschaft im Wandel –Herausforderungen für das traditionelle Handwerk“. Darin ist von so genannten „mobilen Generalisten“ die Rede, nämlich Handwerksmeister, die keine feste Werkstatt mehr haben, aber ein breites Spektrum an Dienstleistungen anbieten. Ihre Zahl soll in den vergangenen 10 Jahren so stark gewachsen wie sonst keine andere Branche im Bauhandwerk und beträgt angeblich schon mehr als 120.000 Betriebe in Deutschland.
Der typische mobile Generalist ist in der Regel nur noch per Handy erreichbar. Er rückt im Kleinlaster an und beschäftigt im Durchschnitt 1,6 Mitarbeiter. Seit der Liberalisierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 habe sich die Zahl solcher Betriebe fast verdoppelt, Tendenz steigend. Im vergangenen Jahr sollen diese Firmen fast 15 Milliarden Euro erwirtschaftet haben.
Das geht vor allem zu Lasten der traditionellen Handwerksbetriebe, die sich immer noch mit den Kosten für Werkstatt, Lager und Mitarbeiterstab leisten – klassicher Fall von Digitale Disruption, also. Wieder ein Beweis mehr dafür, dass wirklich jede Branche sich für die Digitale Transformation rüsten muss.
Interessant ist auch die im Hagebau-Report festgehalten Veränderung im Kommunikationsverhalten dieser mobilen Handwerker: Statt teure Zeitungsanzeigen machen sie meistens über Facebook & Co. auf sich aufmerksam, sind also im wahrsten Sinn des Wortes auf Empfehlungsmarketing angewiesen – digitale Mundpropaganda, eben.
Auch das Angebot der mobilen Generalisten ist ein anderer als bei den meisten sehr fachspezifisich ausgerichteten Traditionsbetrieben, die sich meist als „Elektrofachmann“, „Schreinerei“ oder „Trockenbauer“ bezeichnen und sich wohl auch so sehen. Wie der Name „Generalist“ vermuten lässt, verstehen sich die neue Generation von „Handwerk 2.0“ als echte Allrounder, sozusagen als Mädchen für alles. Gerade bei Renovierungen, wo ihre Dienst vor allem angefordert werden, verrichten sie oft mehrere Jobs auf einmal, vom Streichen bis zum Mauern, von der Installation zum Anschließen von elektrischen Geräten. Sie übernehmen diese Tätigkeiten, so die Autoren des Hagebau-Report, oft von Kunden, die eigentlich gerne selber Hand anlegen würden, aber keine Zeit für das Heimwerken haben.
Wirtschaftlich gesehen schließen Digitale Generalisten die Lücke zwischen den offiziellen Handwerksbetrieben und dem Schwarzarbeitsmarkt. Denn anders als der freundliche Nachbar, der nach Feierabend solche Tätigkeiten verrichtet, zahlen die mobilen Handwerker brav Steuern, und ihre Leute sind angemeldet und versichert. Das ist Teil des Trends zu mehr Transparenz, der durch die Digitale Transformation vorangetrieben wird und der auch zum Rückgang der Schattenwirtschaft in Deutschland beitragen wird. Portale wie Book a Tiger, Cleanagents oder Zeitreicher.de zeigen das im Bereich von Putzdienstleistungen schon längst. Die Zeiten der „schwarzen“ Putzfrauen neigt sich wohl dem Ende zu, und das ist gut so!
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie diese Entwicklung weitergeht. Zumal Amazon kürzlich auf den Zug aufgesprungen ist: In Amerika kann man inzwischen den Handwerker online bestellen, nach dem Motto: „Hire a Handyman“. Einfach Postleitzahl eingeben, und schon poppt der Link zu einem mobilen Generalisten in Ihre Nähe hoch.
Wer als Handwerker noch in der alten analogen Welt festhängt, wird sich wohl in Zukunft warm anziehen müssen – oder eben auch mobil machen.
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