Man lernt ja im Online-Leben viele Menschen kennen. Einige von ihnen (aber längst nicht alle) beherrschen die Kunst, gescheite Fragen zu stellen. Einer von ihnen heißt Christian Schönberg. Er ist Softwareentwickler, und er macht sich offenbar Gedanken über die Zukunft seines Berufsstand. Wir sind uns irgendwann bei LinkedIn begegnet, und dort hat er mir neulich eine lange Nachricht geschickt , auf die ich sehr ausführlich geantwortet habe, weil mich seine Fragen zur Zukunft von Software wirklich interessiert haben. Den so entstandenen Dialog fand ich wichtig genug, um ihn auch einem breiteren Leserkreis zu öffnen. Deshalb hier nochmals der O-Ton unserer kleinen Fragerunde.
Erst einmal die Originalnachricht:
„Hallo Herr Cole, da ich als selbständiger Software-Entwickler (Ein-Personen-Unternehmen) arbeite, aber leider schon sehr viele Programme und Webseiten erstellt habe, die vermutlich eher ein „Nicht-Problem“ gelöst haben, da es als Programmierer natürlich mein Ziel wäre, ein Software- bzw. Webseitenprojekt umzusetzen, das auch einen Mehrwert für eine möglichst große Zielgruppe bietet, würde mich sehr interessieren“
Ich schrieb folgendes zurück:
„Lieber Herr Schoenberg
Ich gehe mal davon aus, dass dies echte Fragen sind und nicht eine etwas umständliche Form von Schleichwerbung. Wenn Sie mich kennen, dann wissen Sie, dass ich ebenfalls Einzelkämpfer bin und mein Geld verdiene, indem ich die Internet- und IT-Szene beobachte und meine Eindrücke und Thesen in Buchform und in gutbezahlten Vorträgen vor Unternehmen und Organisationen vermarkte.
Ich selbst verwende MS-Office und ein paar andere Standardprogramme, blogge auf WordPress und bin ansonsten in den Sozialen Medien unterwegs. Ich beantworte aber gerne die meisten Ihrer Fragen in der Hoffnung, dass Sie damit etwas anfangen können.
>für welche Probleme, Aufgaben Sie in Ihrem Arbeitsumfeld noch keine bzw. nicht ausreichende Lösung gefunden haben und die z.B. mit Hilfe einer von mir als Ein-Personen-Unternehmen erstellten Software durchführbar wäre ?
s.o.
>welches Betriebssystem Sie verwenden
Windows 7 Pro, auf dem iPad IOS
>Sie installierte Softwareprogramme am Desktop (PC) oder eher die Nutzung von Webplattformen bevorzugen ?
s.o.
>Smartphones generell für Sie wichtiger werden oder bei Ihnen das Interesse schon mal höher war? Smartphones sind für die Jüngeren von uns inzwischen Standard. Desktop-PCs kennen die nur vom Hörensagen, und selbst ein Laptop ist ihnen zu klobig. Sie verwenden bevorzugt Phablets, also ein Zwischending zwischen Smartphone und Tablet, weil der Bildschirm ein bisschen größer ist.
Die Frage, wie sich ein Softwareentwickler darauf einstellen kann/muss hängt ein bisschen von der angepeilten Altersgruppe. Unternehmen sind immer noch an klassischen Websites interessiert, haben aber in der Regel nicht verstanden, dass sich die „Customer Journey“ im Web stark verändert hat. Statt wie früher als „Schaufenster im Cyberspace“ dienen Homepages heute vor allem bei jüngeren Kunden nur noch als „Durchlauferhitzer“: Die Kids haben wissen längst was sie wollen, bevor sie dort aufschlagen. Für sie sind Social Web und Blogs der Ort, wo sie sich Informationen holen und ihre Kaufentscheidung treffen.
Der Online Shop muss für sie vor allem transaktionell aufgebaut sein und zügig funktionieren. Kein Firlefanz, keine blinkenden Gifs oder doofe Werbefilmchen, sondern schnell zur Kasse und dann ab zurück ins Netz! Ob wir wirklich, wie einige Beobachter behaupten, auf dem Weg in die App Economy sind, also ob das gute, alte Web bald ausgedient hat, bezweifele ich allerdings. Allerdings bieten Apps natürlich genau den oben beschriebenen Komfort und die Funktionalität. Aber für den Weg dorthin wird das Web mit seiner besseren Interaktivität immer noch entscheidend sein.
>Sie auch Notebook, Android-Tablets, iPad, usw. verwenden oder diese eher zu klein und unpraktisch finden? Ich selbst bevorzuge unterschiedliche Formate für unterschiedliche Zwecke.
Ich arbeite und surfe auf dem Laptop (daheim mit einem gr0ßen Bildschirm und einer hochwertigen externen Tastatur). Ich lese morgens die Zeitung auf meinem iPad, den ich auch unterwegs bevorzugt für News und Mail nutze, trotz der beschissenen Tastatur und den unzähligen Tippfehlern. Ich lese abends in Bett und unterwegs Bücher auf meinem Kindle Paperwhite. Und ich habe natürlich ein modernes Smartphone, mit dem ich allerdings komischerweise tatsächlich meistens nur telefoniere oder allenfalls mal Mails checke oder über die Lufthansa-App nachschaue, ob der Flieger pünktlich ist.
Ich glaube nicht an die eierlegende Wollmilchsau, also an ein Universalgerät, das alles kann. Aber vielleicht bin ich da auch schon zu alt ;-(
>Social Media z.B. Facebook-Marketing in Zukunft wichtiger wird oder Ihrer Meinung nach eine immer unwichtigere Rolle spielen wird oder Sie sogar diese selbst als störend empfinden?
Social Media ist die Königsdisziplin in der Kundenkommunikation. Nur können wenige Unternehmen wirklich virtuos auf diesem Instrument spielen. Ihre Gehversuche dort sind deshalb meistens eher peinlich, und deshalb störend. Sie stecken immer noch in der alten Denkwelt fest, in der wir die Botschaften formuliert haben und der Kunde sie zu schlucken hatte – basta!
Dass Social Media vor allem zuhören bedeutet, verstehen sie nicht. Sie müssen lernen, dass es Aufgabe von Marketing heute ist, Wissen um den Kunden draußen im Social Web zu gewinnen und diese zurück ins Unternehmen zu bringen – aber dort auch an die richtige Stelle! Wer alles ins Silo des CRM-Systems steckt, wo außer dem Marketing niemand Einsicht hat, der kann es auch gleich sein lassen.
„The right information at the right time and at the right place“ – der alte IBM-Slogan ist heute aktueller denn je!
>was sind Ihrer Meinung nach die Trends für die nächsten Jahre (z.B. in Bezug auf Marketing Massnahmen, Software-Trends, Lösung von Big Data-Problemen, …)?
Inbound marketing (s.o.), modulare Softwareentwicklung, Software as a service, cognitive computing. So, viel Spaß damit. Würde mich interessieren, wie es bei Ihnen angekommen ist.
TC“
Ich bin gespannt, ob der Dialog weitergeht. Und wie.