Es wird wieder kälter, und ich greife deshalb öfter zu meiner irischen Mütze von Hanna Hats aus Donnegal in Nordirland, wo unsere Kids früher gewohnt haben. Haare habe ich ja seit Jahren eh‘ fast keine mehr, also muss man der Natur nachhelfen. Und so eine Tweedmütze ist wirklich etwas Feines…
Aber eine Mütze als Symbol der Freiheit? Darauf haben mich erst Dominic Sandbrook und Tom Holland gebracht, deren Podcast, The Rest is History, ich seit Jahren verfolge. Eigentlich ging es um die französische Nationalhymne, die Marseillaise, aber im letzten Teil des Podcasts kommen die Jungs auf die Bonnet rouge zu sprechen, die rote Jakobinermütze, mit der sich die echten Revoluzzer in Paris gerne schmückten.
Sie erwähnen auch eine Autorin namens Aileen Ribeiro, die ein faszinierendes Buch geschrieben hat, Fashion in the French Revolution, in der sie die Veränderungen in der Kleidung während der Französischen Revolution untersucht und verknüpft sie mit dem sich rasch wandelnden politischen Klima. In einer Zeit gewaltiger und gewaltsamer Veränderungen, so Frau Ribeiro, konnte Kleidung manchmal dazu verwendet werden, entweder Konformität oder eine Reaktion auf die vorherrschende Situation zu demonstrieren.
Die aufwendige Kleidung der französischen Gesellschaft und des Hofes in den 1780er Jahren stellt sie der Art und Weise gegenüber, wie schlichte Kleidung mit „Demokratie“ identifiziert wurde. Die Rolle, die die Sansculottes mit ihrem „pantalon“ in der Revolution spielten, wird ebenso untersucht wie die Rolle der militanten Frauen und die Entstehung des Feminismus. Und natürlich kommt sie auch auf den „bonnet rouge“ zu sprechen.
Aber zurück zu Sandbrook und Holland. Die beiden kommen auf ihre unnachmliche Art vom Hundersten zum Tausendsten zu sprechen, von der Entstehung der roten Kappe bis zu den Wetterhähnen auf den Kirchturmspitzen, die radikale Revolutionanhänger gerne mit einer Phrygischen Mütze ersetzt sehen wollten.
Apropos Phrygier: Das war ein indogermanisches Volk, das im 8. Jahrhundert v. Chr. in Anatolien herrschten. Ihre Hauptstadt war Gordion am Fluss Sangarios (dem heutigen Sakarya), etwa 80 km westlich von der heutigen türkischen Hauptstadt Ankara. Sie waren für ihre eigenartige Kopfbedeckung bekannt.
Sie war aus Wolle oder Leder und besaß einen längeren runden Zipfel, der meist nach vorn geschlagen wurde beziehungsweise in Richtung Stirn fiel. Ursprünglich ein bestand sie allerdings aus einem gegerbter Stier-Hodensack samt der umliegenden Fellpartie. Die Griechen glaubten, ein solches Kleidungsstück würde die besonderen Fähigkeiten des Tieres auf seinen Träger übertragen.
Irgendwie hat sich das alles dann auf den Pileus übertragen, im Griechischen Pilos genannt (altgriechisch πῖλος pílos; auch lateinisch pileum und pilleum), einer randlosen Filzkappe, die es irgendwie von Griechenland nach Rom geschafft hat und dort auch als pilleolus, eine kleinere Form der Kappe, ähnlich der heutigen Kippa, bekannt war, wie sie heute von orthodoxen männlichen Juden getragen wird und als Jarmulke (jiddisch יאַרמלקע yarm[u]lke oder קאפל kappl) bekannt ist. Auch die Albaner tragen heute eine weiße Filzkappe, die sie Plis oder Qeleshe nennen. Er soll auch das Vorbild für den Doktorhut gewesen sein.
Um 1790 herum entdeckten die Revolutionäre in Frankreich die Kopfbedeckung, die relativ schnell zum Symbol wurde. Im Cordeliersclub, der radikalsten der verschiedneen Jakobinervereine, war das Tragen Pflicht, wenn einer reden wollte (und das wollten damals wirklich alle!). Wer seins daheim vergessen hatte, konnte sich von einem Haufen bonnets rouge bedienen, die auf dem Rednertisch lagen.
Robespierre soll übrigens gegen die Mützenpflicht gewesen sein, weil es seine schön gestylte Perücke verunstaltet hätte.
König Louis XVI musste nach der Erstürmung der Tuilerien den endgültigen Schmach über sich ergehen lassen: Man zwang ihn, sich eine Bonnet rouge überzustülpen und einen Eid auf die Revolution zu sprechen.
In meiner radikalen Heidelberger Studentenzeit war es bei einigen Mode, eine Mao-Mütze zu tragen. Später hat man sich für den etwas schickeren Pariser Barett entschieden.
Ich fühle mich jedenfalls ganz wohl in meiner Iren-Mütze. Auch wenn sie eher ein Zeichen des gesetzten Wohlstands ist als eines roten Revoluzzers. Aber das war ich ja auch mal, und die Erinnerung tut auch gut.