Von ein paar spinnerten Kreationisten abgesehen glaubt doch keiner ernsthaft, dass wir das letzte Wort der Evolution sind, oder? Die menschliche Intelligenz ist das Produkt einer jahrtausendelangen Anpassung an eine sich ständig verändernde Umwelt. Und natürlich werden künftige Generationen „klüger“ sein als wir es heute sind. Das ist wertfrei zu sehen: Unsere Nachkommen werden deshalb weder „bessere“ noch „schlechtere“ Menschen sein, sondern lediglich die aktuelle Ausgabe der Spezies Homo sapiens. Auf dem Weg dorthin wird sich unser Denken verändern, ob wir wollen oder nicht. Aber wir haben heute wenigstens die Chance, selbststeuernd einzugreifen, indem wir uns für Veränderung öffnen. Deshalb lautet die achte These unseres neuen Buchs, „Digitale Aufklärung – Warum uns das Internet klüger macht“ auch ganz folgerichtig:
These 8: Auch der Mensch und sein Denken verändert sich grundsätzlich: Er funktioniert und denkt zunehmend digital und vernetzt. Und das in „Echtzeit“.
Ganz im Sinne von Peter Sloterdijks Aufforderung „Du musst dein Leben ändern “ geht es heute andauernd und immer wieder um die (geistes-)athletische Übung, das eigene Denken neu zu gestalten. Wenn schon nicht direkt hilfreich, dann doch tröstlich mag bei diesem anstrengendem Training die Gewissheit sein, dass die heute aktuelle Lektion vor allem darin besteht, digitale und vernetzte Systeme zu erfassen und geistig zu durchdringen, also eigentlich so zu funktionieren wie das menschliche Denken selbst, in dem ja auch unterschiedliche sensorische Impulse zu einem (vernetzten) Welt- und Selbstbild synthetisiert werden. Das menschliche Denken funktioniert, darin sind sich Kognitionswissenschaftler heute weitgehend einig, so wie ein digitales Netzwerk.
Das hat nun nichts mit der naiven Vorstellung der frühen Aufklärung zu tun, nach der der Mensch wie eine Maschine („Automaton“) funktioniere. Im aktuellen Fall geht es vielmehr darum, Strukturen und Funktionsweisen externer, technischer Systeme als ähnlich denen unseres Denkens zu verstehen und auszubilden. Es geht weniger um eine „Internalisierung“ im psychologischen Sinn, sondern um die Erkenntnis bestehender „Differenzen“ – also um Informationsverarbeitung in einem durchaus menschlichen Sinn. Die eigentliche Schwierigkeit besteht dann auch weniger in der Aufgabe der Informationsverarbeitung selbst, als vielmehr darin, sie zu bewältigen, also mit ihr klar zu kommen, während solche disruptiven Entwicklungen stattfinden, um von ihrer Dynamik auch profitieren zu können.