Dass Denkmäler entzweien können, wissen wir nicht erst seit Charlottesville. Dort marschierten Neonazis und Rassisten aus Protest gegen die geplante Entfernung einer Statue zu Ehren von Robert E. Lee, dem Oberkommandierenden der Südstaatenarmee im amerikanischen Bürgerkrieg. Viele (darunter auch ich) fragten sich, wieso man einem Vaterlandsverräter überhaupt ein Denkmal gesetzt hat, der gegen seinen Eid als Offizier der US-Armee verstieß, um zur Gegenseite überzuwechseln und einen bewaffneten Aufstand gegen die demokratisch legitimierte Regierung leitete, bei der geschätzte 620.000 Soldaten starben. Aber das ist eine komplizierte Geschichte.
Dass man aber in Amerika jetzt die vielen Denkmäler überdenkt, ist schon bemerkenswert. Donald Trump schüttete Öl ins Feuer als er fragte, ob als nächstes George Washington und Thomas Jefferson dran wären. Beide hielten schließlich Sklaven. Inzwischen werden in den Medien auch andere Namen ins Spiel gebracht, zum Beispiel George Armstrong Custer oder Andrew Jackson, die beide des Völkermords an der amerikanischen Urbevölkerung angeklagt werden, oder Benjamin Tillman, der eine Organisation namens „Red Shirts“ gründete, die zwischen 1898 und 1900 Schwarze, die ihr Wahlrecht ausüben wollten, massenweise auspeitschte und verprügelte.
In Memphis machen Touristen gerne Selfies vor dem Reiterstandbild von Nathan Bedford Forrest, einem Kavalleriegeneral der Südstaaten, der für seine Tollkühnheit bekannt war. Weniger bekannt, aber aktenkundig, ist seine Behandlung von 300 schwarzen Soldaten einer Nordstaateneinheit, die in Gefangenschaft geraten waren: Forrest ließ sie allesamt standrechtlich erschießen. Außerdem war er einer der Mitbegründer des Klu Klux Klan und diente lange als dessen „Grand Wizard“.
Wenn man schon beim Aufräumen ist, wäre der National Statuary Hall im Kapitolgebäude in Washington ein guter Anfang. Dort stehen unter andere, Statuen von John C. Calhoun, dem siebten Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, der ein aktiver Verteidiger der Sklaverei war, und Charles Brantley Aycock, der den Begriff des „Negerproblems“ prägte.
Aber Amerika ist nicht das einzige Land, das Probleme mit seinen Monumenten hat. Im spanischen Valle de los Caidos („Tal der Gefallenen“) ruhen bis heute die Gebeine des Diktators Francisco Franco und des Gründers der faschistischen Bewegung Falange, José Antonio Primo de Rivera im Schatten eines riesigen „Heiligen Kreuzes“. 2012 weihte Königin Elizabeth ein Denkmal für die mehr als 55 000 toten Crewmitglieder der britischen Bomberflotte im Zweiten Weltkrieg ein. Von den Opfern des tödlichen Bombenhagels, darunter allein mindestens 25.000 Einwohner von Dresen (andere Schätzungen sprechen von sechsstelligen Opferzahlen), war leider keine Rede.
Aber warum in die Ferne schweifen, liegt der Unmut doch so nah. Die sechs Meter hohe Marx-Statue in Trier, ein Geschenk der chinesischen Regierung zum 200. Geburtstag des Protagonist der Arbeiterbewegung, war in der Bevölkerung heftig umstritten. Und in Wien erinnert eine Statue an Dr. Karl Renner, der bedeutendste sozialdemokratische Befürworter des „Anschlusses“ Österreichs an das Nationalsozialistische Deutsche Reich.
Denkmäler, so scheint es, geben tatsächlich Stoff zum Nachdenken. Sie sind außerdem dem Wandel der Zeiten unterworfen: Dem einen sein Terrorist ist schließlich dem anderen sein Freiheitskämpfer – je nachdem, wer am Ende gewonnen hat.
Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir unseren öffentlichen Denkmälern ein Ablaufdatum verpassen würden. Nach 25 Jahren, sagen wir, wird der Klotz auf Staatskosten entfernt. Vielleicht könnte man sie auch im Sinne der Nachhaltigkeit wiederverwerten: Aus einem Lenin- könnte man ein Putin-Denkmal machen. Und mit ein bisschen Facelifting wird aus dem Helmut-Kohl-Denkmal des französischen Bildhauers Serge Mangin vor dem Springergebäude in Berlin eine Statue von Angela Merkel.
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