Warum tun sich manche Unternehmen so schwer, mit den Veränderungen des Digitalzeitalters zu Recht zu kommen, und warum sind andere erfolgreich. Warum ist Apple heute mehr wert als GE, Wal-Mart, GM und McDonald’s zusammen? Und vor allem: Warum gibt es kein einziges deutsches Unternehmen, dass es mit den „Big 4“ – Apple, Google, Facebook und Amazon – aufnehmen kann? Schlafen sie in den deutschen Vorstandsetagen? Ist der deutsche Unternehmer besonders zukunftsresistent? Sind die deutschen ein Volk von Technik-Muffeln, und was bedeutet das für die Zukunft des Standorts Deutschland und den Wohlstand in diesem Land?
Wenn heute jeder Hund den Begriff „Industrie 4.0“ durchs Dorf zu bellen scheint, warum haben dann ein Drittel aller Chefs von deutschen Fertigungsunternehmen noch nie davon gehört? Warum verlangen 70 Prozent aller Führungskräfte hierzulande von ihren Mitarbeitern absolute Präsenzpflicht während der Bürostunden? Warum klammern sich die Gewerkschaften an den Acht-Stunden Tag und bekämpfen jeden Versuch, statt dessen beispielsweise Wochenarbeitskonten einzuführen, wie es die fortschreitende Digitalisierung sowie neue Arbeitsmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie eigentlich längst möglich und wünschenswert machen?
In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich entscheiden, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlieren der digitalen Transformation gehören wird. Unternehmen müssen sich neu erfinden, liebgewordene Gewohnheiten und Denkweisen aufgeben und sich dem Druck des Neuen anpassen. Jedes Unternehmen muss sein Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen, seine Art, mit Kunden zu kommunizieren, sein Marktverständnis und seine Arbeitsabläufe. Das betrifft alle Bereiche des Unternehmens, vom Vertrieb bis zum Einkauf, vom Marketing bis zur Logistik, von der Fertigung bis zum Personalwesen.
Manche Hunde glauben, der Knochen komme zum Hund, und man muss sie zum Jagen tragen, wie mein Feund Gunter Dueck zu sagen pflegt. So etwa sieht es mit vielen Unternehmen gegenüber dem Digitalen aus.
Nicht, dass sich große wie kleine Unternehmen in Deutschland nicht seit langem mit den Fragen der digitalen Zukunft beschäftigen würden. Nur: Es bleibt allzu oft beim Nachdenken und beim Diskutieren. 58 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben sich einer Studie der Crisp Research AG zufolge bisher höchstens theoretisch mit der Digitalisierung ihres Geschäfts beschäftigt. Ebenso viele befürchten laut einer Studie von Analysten der Everton Group, dass sie nicht über genügend Ressourcen verfügen, um ihr Geschäft zu digitalisieren.
Aber auch auf die Mitarbeiter kommen Herausforderungen zu, für die die meisten nur schlecht oder überhaupt nicht gerüstet sind. Der autonome Mitarbeiter von morgen wird ein qualifizierter Mitarbeiter sein müssen. Für Mittelmaß ist in der digitalen Wirtschaft kein Platz. Wer als junger Mensch seine Qualifikation vernachlässigt, der wird bei Aldi an der Kasse landen oder als Hartz 4-Empfänger. Und er wird selber schuld sein. Man kann jedem jungen Menschen nur raten, alles zu tun, um sich bestens ausbilden zu lassen. Wobei es nicht so wichtig, welchen Job jemand lernt, sondern ob er die Fähigkeit entwickelt hat, sich schnell auf sich verändernde Situationen in der Arbeitswelt umzustellen.
Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland hängt entscheidend davon ab, wie zügig und gut es gelingt, die klassische Produktion zu digitalisieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickelt. Deutschland steht deshalb heute am digitalen Scheideweg: Die Gefahr ist tatsächlich groß, dass andere Länder vor allem in der so genannten Dritten Welt zu Deutschland aufschließen oder sogar zum Überholen ansetzen. Es ist Zeit, die Weichen für die digitale Zukunft zu stellen – und die Zeit ist knapp.