Wie war er stolz, der gute Billy, als er damals im November 1983, 28 Jahre jung und immer noch pickelgesichtig, vor die in New York versammelte Weltpresse trat und den Start von „Windows 1.0“ verkündete. Statt wie bisher lange Befehlstexte (z.B. (Systemanfrage) $p (Pfad), $g (Pfeil >), $t (Zeit), $d (Datum), $h (Backspace), $_) direkt in die Kommandozeile hinter dem blinkenden „C:“ einzutippen, genügte jetzt ein Mausklick, um eine Datei zu öffnen oder zu kopieren, Verzeichnisse anzulegen, DOS-Programme oder einen Druckauftrag zu starten, beziehungsweise mit dem Systemprogramm „Terminal“ und einem Nullmodem-Kabel mit anderen Computern zu kommunizieren!
Und wie enttäuscht war Billy Boy, als die gesamte Fachpresse seine wunderbare neue Erfindung, an der er und seine Jungs drei Jahre lang gearbeitet hatten, in der Luft zerrissen. Leider war es nur dann möglich, wirklich sinnvoll ´mit Windows zu arbeiten, wenn man neben dem PC auch noch über Maus, Festplatte, Erweiterungsspeicher und Farbgrafikkarte verfügte. Die hatte damals kaum einer, und die Anschaffung war sündteuer. Das Ding lag also wie Blei im Regal, während alle (Computer-)Welt weiterhin fröhlich mit MS-DOS arbeitete.
Windows hieß übrigens anfangs “Interface Manager”, was auch nicht gerade sexy klang. Aufs Fensterln kam man bei Microsoft deshalb, weil die Entwickler die vielen kleinen Oberflächen, die sich beim Arbeiten öffneten, liebevoll „Windows“ nannten.
Und so ging es weiter: Kaum hatte sich die Menschheit halbwegs an Windows 1.0 gewöhnt, da launchte das Unternehmen im Mai 1990 die Version „Windows 3.0“ (über eine Version 2.0 ist nichts bekannt, sie starb wohl den frühen Labortod). Und wieder war das Gezetere groß: Die neuartigen 3D-Schaltflächen waren verwirrend, und vor allem war das Ding ein so offensichtliches Plagiat von Apples Macintosh-OS, dass die Kritiker sich vor Häme überschlugen.
Ich habe in den vergangenen 23 Jahren alle Iterationen von Windows, von 95/98/2000 über XP, Vista und Windows 7 miterlebt und miterlitten. Jedesmal musste ich mich von liebgewordenen Gewohnheiten trennen, mich an ein neues „look & feel“ gewöhnen und oft viel Lehrgeld bezahlen, weil ich irgend einen saudämlichen Fehler gemacht hatte und das Produkt vieler Arbeitsstunden unwiderruflich in den digitalen Orkus verschwunden waren.
Was ich aber noch nie erlebt habe war, dass Menschen sogar dafür bezahlen wollen, wenn jemand ihren neuen Computer auf das alte Betriebssystem zurückbaut. Genau das ist aber bei Windows 8 offenbar massenhaft der Fall. PC-Händler in New York verlangen bis zu $125 für diesen Dienst, und sie haben regen Zulauf.
Ich wäre versucht, den Anfangsärger über Version 8.0 unter „kennen wir schon“ abzulegen – wenn sich nicht immer mehr Kritiker zu Wort melden würden, die eigentlich wissen müssen, worüber sie reden – die Bosse der große PC-Hersteller. So sagte neulich Todd Bradley, Chef für die PC-Sparte, in Bloomsberg-TV: „Es war ein schwacher Start.“ Wobei Bradley für seine diplomatische Wortwahl bekannt ist. David Chang, CFO von Asus, wurde im Wall Street Journal mit den Worten ziriert: ““Demand for Windows 8 is not that good right now.“ Auch andere asiatische Hersteller wie Acer und Fujitsu haben Bedenken geäußert.
Nun, vielleicht ist es ja ein besonders asiatisches Problem, wer weiß? Dass aber europäische und amerikanische Blogger mittlerweile ins gleiche Horn blasen, macht hellhörig. Rechtzeitig zum Weihnachtfest bezeichnete einer von ihnen Windows 8 als „A Christmas gift for someone you hate“. Andere griffen zur Fäkalsprache („Windows 8 is utter crap.“) Und der Gartner-Analyst Gunnar Berger kanzelte das neue Betriebssystem in seinem Blog mit einem kurzen Wort der Verachtung ab: „bad!“ Das kam beim Großkunden Microsoft gar nicht gut an, und der liebe Gunnar musste den Beitrag nachträglich entschärfen.
Das ist schon eine deutliche Aufrüstung im Vergleich zu den Abwehrgefechten, die User in der Vergangenheit gegen Neuerungsversuche im Windows-Umfeld vom Zaum gebrochen haben. Ich nehme aber an, dass sich das Problem irgendwann von ganz alleine lösen wird – nämlich dann, wenn Microsoft die Unterstützung für Windows 7 beendet. Wann das sein wird? Darüber schweigt man sich in Redmond natürlich aus, aber eigentlich lässt sich das Ablaufdatum ganz leicht ausrechnen. Die letzte Windows-Version, die das Zeitliche segnen musste, war Vista. Sie wurde im Januar 2007 auf den Markt gebracht und pünktlich im Oktober letzten Jahres zur Einführung von Windows 8, also nach etwas mehr als fünfeinhalb Jahren beendet. Windows 7 ist also im Herbst 2014 fällig, also in ungefähr anderthalb.
Ob es sich da noch lohnt, zurück zu rüsten, muss jeder selbst entscheiden. Ich habe Glück: Ich habe noch einen der letzten PCs erwischt, die von Haus aus Windows 7 an Bord hatte
PS: Microsoft glaubt ganz fest an den Erfolg von Windows 8. „Die Nachfrage nach Windows 8 übersteigt die von Windows 7 im vergleichbaren Zeitraum“, sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer laut Chip-Online. Was hätte er sonst sagen sollen…