Leiden Sie auch unter CPA? Ich sagte: Leiden Sie auch unter CPA. Also wirklich: Es wäre schon nett, wenn Sie mir wenigstens für die Dauer dieser Kolumne Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken würden. Legen Sie bitte das Handy weg, klappen Sie den Laptop zu, schalten Sie den Organiser aus und lesen Sie weiter. Und zwar am Stück, bitte sehr, und konzentriert.
Also zurück zu CPA. Das ist die Abkürzung für „Continuous Partial Attention Syndrom“ und ist die moderne Volkskrankheit schlechthin, sagt Linda Stone, Computerwissenschaftlerin, Soziologin und einer der schillerndsten Figuren der digitalen Szene in den USA. Sie hat vor Jahren bei Microsoft die Social Computing Group gegründet, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Menschen mit Computern umgehen und wie Technik unser Verhalten verändert. Davor hat Sie den Chef von Apple beraten.
Frau Stone ist davon überzeugt, dass der moderne Mensch zunehmen außerstande ist, sich auf eine einzige Sache zu konzentrieren. Vielmehr sei er ständig gezwungen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun und hat sich deshalb über Zeit die Fähigkeit angeeignet, seine Aufmerksamkeit aufzuteilen.
Bei Computern spricht man in diesem Zusammenhang von „multi-tasking“, dann nämlich, wenn die zentrale Rechnereinheit (der Mikrochip) intelligent und leistungsfähig genug ist, um parallel mehrere Programme auszuführen. Wenn Sie „alt“, „strg“ und „Entf“ auf Ihrer Tastatur drücken, öffnen Sie bei Windows den so genannten „Task Manager“ der anzeigt, welche Prozesse gerade auf Ihrem Rechner laufen. Bei mir liefen zu den Zeitpunkt, als ich diese Zeilen schrieb, neben dem Textprogramm noch 44 weitere elektronische Aufgaben im Hintergrund ab.
Nun sind Menschen zwar keine Computer, aber in gewissem Sinne sind auch wir multitaskingfähig. Das ist sogar ganz normal: Jede gute Hausfrau kann gleichzeitig in der Suppe rühren, die Kinder beaufsichtigen und nebenbei ein Telefongespräch mit ihrer Freundin führen. Wenn sie richtig gut ist, bleibt vielleicht noch genug Aufmerksamkeit übrig um mit einem Auge auf den Fernseher in der Küche zu schielen, wo gerade die letzte Folge von „Desperate Housewives“ wiederholt wird.
Bei Geschäftsleuten geht die geistige Aufgabenverteilung aber manchmal in den Grenzbereich. Ich denke an diejenigen, die mitten im Gespräch plötzlich das Telefon aufklappen und anfangen, eine SMS zu schreiben. Oder diejenigen, die im Meeting den Blackberry herausholen und E-Mails beantworten. Immer wieder passiert es mir, dass ich einen Vortrag halte und unten im Publikum arbeiten welche nebenher am Laptop. Einmal hatte ich sogar einen, der nicht einmal die Ohrstöpsel seines iPod herausnahm, während ich sprach.
Linda Stone glaubt, dass CPA eine zwangsläufige und nicht zu verhindernde Folge unserer immer enger werdenden Beziehung zur Technik ist. Sie urteilt auch nicht darüber: CPA ist für sie weder gut noch schlecht, es ist einfach so. Im Zeitalter der totalen vernetzten Kommunikation hätten Menschen den natürlichen Wunsch, selbst ein Teil des Netzes zu sein, immer online, immer kommunikationsbereit, und zwar über welchen Kanal auch immer.
Ich selbst finde, wir sollten das etwas kritischer sehen. Wir sollten uns Gedanken machen (wenn wir Zeit dazu finden), wie es auf andere wirkt, wenn wir ihnen nur mit halbem Ohr zuhören. Mich stört es jedenfalls, wenn unsere Tochter beim Abendessen unterm Tisch ihren Freunden SMS schickt, aber als Familienvater kann ich wenigstens auf den selbigen hauen. Als Kollege oder Geschäftspartner habe ich es dagegen schwerer. Vielleicht sollte man solches Verhalten einfach öfter thematisieren. Man könnte ja zum Beispiel am Anfang eines Meetings darum bitten, die Handys auszuschalten oder die Laptops zuzuklappen. Wäre wenigstens so etwas wie ein Teilerfolg.
So, das war’s, was ich sagen wollte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!