Die heiligen Bücher von Judentum, Christentum und Islam enthalten alle den Aufruf zu Gewalt.
„Tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, nehmt sie fest, belagert sie und lauert ihnen überall auf“, weist Allah den Propheten Muhammad an (Koran, 9:5). Er fährt fort: „Prophet! Führe Krieg gegen die Ungläubigen und die Heuchler! … Die Hölle soll ihre Heimat sein, ein böses Schicksal.“
Als Osama bin Laden 1996 dem Westen den Krieg erklärte, zitierte er den Befehl des Korans, die Köpfe der Ungläubigen „abzuschlagen“. In jüngerer Zeit hielt der US-Major Nidal Hasan seinen Kollegen Vorträge über den Dschihad, den „heiligen Krieg“, und die Aufforderung des Korans, die Ungläubigen zu bekämpfen und sie zu Fall zu bringen. Am 5. November 2009 erschoss er auf dem Militärstützpunkt Fort Hood 13 Menschen.
Der Islam wird im Westen oft als besonders brutal beschrieben. Religionshistoriker Philip Jenkins hat deshalb den „Brutalitätsquotienten“ von Koran und Bibel vergleichen. Jenkins ist Professor an der Penn State University und Autor von Jesus Wars, einem Buch über Gewalt in der christlichen Religionsgeschichte.
„Zu meiner großen Überraschung waren die islamischen Schriften im Koran tatsächlich weit weniger blutig und gewalttätig als die in der Bibel“, sagte Jenkins in einem Interview mit National Public Radio aus dem Jahr 2010. Die Gewalt im Koran, so sagt er, ist weitgehend eine Verteidigung gegen Angriffe.
„Nach den Maßstäben der damaligen Zeit, dem 7. Jahrhundert nach Christus, sind die im Koran niedergelegten Kriegsgesetze tatsächlich einigermaßen human“, sagt er. „Dann wenden wir uns der Bibel zu und finden etwas, das für viele Menschen eine echte Überraschung ist. In der Bibel gibt es eine bestimmte Art der Kriegsführung, die wir nur als Völkermord bezeichnen können und die ganz offiziell den göttlichen Segen genießt. Sie wird Herem oder Vernichtungsweihe genannt und bedeutet totale Auslöschung.
Im Alten Testament gibt es eine Reihe von Büchern, die schreckliche Gewaltgeschichten enthalten. Einige dieser Geschichten scheinen nicht nur zum Abschlachten feindlicher Armeen aufzufordern, sondern auch zum Mord an unschuldigen Zivilisten. Vor allem das Buch Josua (Josua 6:15-21) enthält eine Reihe solcher Erzählungen. Unter anderem weist Gott Josua und seine Anhänger an, Dutzende von feindlichen Armeen auszulöschen und befiehlt ihnen anschließend, deren Städte in Schutt und Asche zu legen. Josua und seine Anhänger töteten Männer, Frauen, Kinder und Vieh mit der „Schärfe des Schwertes“.
Im ersten Buch Samuel weist Gott König Saul an, die Amalekiter anzugreifen: „Und alles, was sie haben, sollst du vernichten und sie nicht verschonen“, sagt Gott durch den Propheten. „Aber töte Mann und Frau, Säugling und Kleinkind, Ochse und Schaf, Kamel und Esel. Als Saul sich weigerte, nahm ihm Gott sein Königreich weg.
„Mit anderen Worten“, sagt Jenkins, „Saul hat eine schreckliche Sünde begangen, indem er den Völkermord nicht vollzogen hat. Und diese Passage hallt durch die christliche Geschichte wider. Sie wird zum Beispiel oft in amerikanischen Geschichten über die Konfrontation mit Indianern verwendet – es ist nicht nur legitim, Indianer zu töten, sondern man verstößt gegen Gottes Gesetz, wenn man es nicht tut.“
Jenkins zitiert auch das Beispiel der Kreuzzüge im Mittelalter, als die katholischen Päpste die Muslime zu Amalekitern erklärten. In den großen Religionskriegen im 16., 17. und 19. Jahrhundert glaubten Protestanten und Katholiken, dass die jeweils andere Seite die Amalekiter seien und vernichtet werden müssten.
Waleed El-Ansary, der an der Xavier University in Cincinnati Islamwissenschaften lehrt, sagt, der Koran verurteile ausdrücklich religiöse Aggression und die Tötung von Zivilisten. Und er macht einen Unterschied zwischen Dschihad – legale Kriegsführung mit den richtigen Einsatzregeln – und Irjaf, oder Terrorismus.
„All diese Arten von Vorfällen – [der 11. September], Maj. Nidal Hasan und so weiter – sind alles Beispiele für irjaf, nicht für Dschihad“, sagt er. Nach dem Korankämen diejenigen, die Irjaf praktizieren, in die Hölle.
Wie also lässt sich ein friedlicher Koran mit Gewalttaten wie dem Einschlag von Flugzeugen in das World Trade Center oder dem Erschießen unschuldiger Menschen in den Straßen von Fort Hood vereinbaren?
Waleed El-Ansary glaubt, dass sich in den letzten 30 Jahren ein perfekter Sturm zusammengebraut hat, der eine gewalttätige Variante des Islam hervorgebracht hat. Der erste sei politischer Natur: die Frustration über die westliche Einmischung in der muslimischen Welt. Der zweite sei intellektueller Natur: der Aufstieg des wahhabitischen Islams, einer fundamentalistischeren Auslegung des Islams, der Osama bin Laden anhing.
Die Fundamentalisten hätten den Islam für politische Zwecke verzerrt, sagt er. Sie reißen angeblich Verse aus dem Zusammenhang und benutzen sie dann, um diese ungeheuerlichen Aktionen zu rechtfertigen.
Andererseits gibt es auch in christlichen Ländern wie den Vereinigten Staaten religiöse Rechtfertigungen für extreme Gewalt. Denken wir an die weißen Rassisten, die sich auf den mörderischen Phineas berufen, wenn sie zur Rassenreinheit aufrufen, oder an Abtreibungsgegner, die einen Arzt erschießen, der Abtreibungen vornimmt.
Ja, am Koran klebt viel Blut – aber an der Bibel mindestens genauso viel.