Da, wo „Schweizer Garde“ draufsteht, sind auch Schweizer drin – und zwar ausschließlich. Anders als die Wiener Sängerknaben, die inzwischen nicht nur Nichtwiener, sondern sogar Mädchen aufnehmen (müssen – der musikalische Nachwuchs in Wien stockt) kann nur derjenige (mit großem „DER“) Gardist im Vatikan werden, der katholisch, Schweizer Bürger und zwischen 19 und 30 Jahr alt ist, ein einwandfreier Leumund und eine abgeschlossene Berufslehre oder Matura nachweisen kann und außerdem die Rekrutenschule in der Schweizer Armee absolviert hat.
Über seine kulinarischen Präferenzen muss der Junggardist aber keinen Nachweis ablegen. Dennoch scheinen sie recht vielfältig zu sein, geradezu „multikulti.“ Anders ist die Auswahl der Rezepte nicht zu erklären, die in dem wohl ungewöhnlichsten Kochbuch zusammengestellt worden sind, das ich kenne: „Bueno Appetito – Rezepte, Geschichten und Prominente Portraits“ der Päpstlichen Schweizergarde ist nicht nur ein spannender Lesestoff, sondern es macht richtig Gusto!
Man lernt bei dieser Gelegenheit natürlich die Kommandeure der Truppe kennen, Oberst Daniel Anrig, Oberstleutnant Christoph Graf, Major Lorenzo Merga und sogar den Gardekaplan Peter Don Pascal Burri (der aus Neuenburg stammt), aber auch deren Lieblingsgerichte. Und die Schweizer Gardisten lieben nicht nur Einheimisches wie Kalbsrahmgeschnetzeltes, Obwaldener Eieromlette mit frischen Alpenkräutern und „Grittibänzi“, ein süßes Hefegebäck, das in der Schweiz traditionell zu St. Nikolaus serviert wird, dem Schutzpatron der Garde. Da findet man neben allerlei aus italienischen Kochtöpfen auch solche Exoten wie Pirogi aus den jüdischen Städels Osteuropas und Polnische Fleischvögel, die Johannes Paul II so liebte, argentinische Empanadas, eine Leibspeise von Papst Franziskus, und Regensburger Wurstsalat, ein kulinarisches Vermächtnis des Bayern Benedikt XVI).
Das Ganze wird garniert mit sehr lesenswerten Geschichten aus der 500jährigen Geschichte des Regiments, das 1506 vom damaligen Papst Julius II nach Rom geholt wurde. 150 stramme Burschen aus den Bergen marschierten damals durch die Porta del Popolo ein, wo sie zunächst als unbesiegbar galten – jedenfalls bis zum 6. Mai 1527, wo zwei Drittel von ihnen bei der Sacco di Roma durch die Landsknechte des Deutschen Kaisers Karl V. ihr Leben auf den Stufen des Vatikans ließen, um die Flucht des damaligen Papstes Clemens VII durch einen Geheimgang in die Engelsburg zu decken. Man kann den Eid nachlesen, den jeder Gardist an nämlichem 6. Mai ablegt, aber auch die Tischgebete, die beim Servieren der Gardistenmahlzeiten wiederholt werden wie diesen:
„O Gott, von dem wir alles haben
wir preisen Dich für Deine Gaben.
Du speisest uns, weil Du uns so liebst.
Segne auch, was du uns gibst.“
Es ist eine Männerwelt, in die uns dieses Buch entführt, und da ist es schon fast eine Ironie, dass die wunderbaren Fotografien, die dieses Band zu einem Fest nicht nur des Gaumens, sondern auch der Augen macht, ausgerechnet von einer Frau stammen: Katarzyna Artymiak ist gebürtige Polin, allerdings ein alter Hase in der Vatikanberichterstattung und bekam die wohl auch deshalb freien Zugang in die von Herren der Schöpfung dominierte Welt hinter den hohen Mauern des Vatikanstaates.
Vielleicht sollte man nach der Lektüre dieses wunderbaren Buches den traditionellen Ostergruß des Heiligen Vaters ergänzen: „Ora et labora – et cena!“ Arbeite, bete – und speise!
(Päpstliche Schweizergarde: Lieblingsrezepte, Geschichten und prominente Portrais aus der Schweizergarde, weberverlag.ch, ISBM 978-3-03818-016-6, 192 Seiten, €47)