Als ich 1991 zum zweiten Mal zur Motor Presse Stuttgart kam (was eine eigene Geschichte ist, die ich später hier erzählen werde), musste ich erst einmal für den Verlagsleiter Dr. Frieder Stein den Feuerwehrmann spielen. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Verlag das Projekt einer Zeitschrift für die „Generation Rock ’n Roll“ gestartet. Sie nannten es ZOUNDS – und es war ein totaler Flopp. Ich wurde also dem Chefredakteur vor die Nase gesetzt, einem alten und sehr erfahrenen Musikjournalisten, aber leider ein ziemlich miserabler Blattmacher. Ich habe als Allererstes dem Titel einen Ausrufezeichen versetzt, denn das Wort „zounds!“ ist im Englischen ein Ausruf des Erstaunens, und unsere Zeitschrift sollte das auch signalisieren.
Ich fing dann an, ganz langsam am Relaunch des Blattes zu arbeiten. Es sollte übersichtlicher, moderner und leserfreundlicher werden. Vor allem sollte es nicht nur in die Jahre gekommene Alt-Rocker ansprechen, sondern auch die junge Pop-Generation.
Das war gar nicht so einfach, denn erstens hatte ich mit dem Widerstand des alten Chefredakteuers zu kämpfen, der zugegeben viel mehr von der Musikindustrie verstand als ich, und zweitens mit dem Verlag, der längst die Hoffnung aufgegeben hatte, Zounds! sei noch zu retten – ob mit oder ohne Ausrufezeichen.
Wir haben uns aber mächtig reingekniet, und mit der Oktoberausgabe sollte ein ganz anderes Zounds! erscheinen als bisher. Zufällig hatte ich irgendwo aufgeschnapppt, dass die Beatles gerade 30 Jahr alt geworden waren, und ich habe einen 30 Seiten langen Sonderteil produzieren lassen, der ganz den Fab Four gewidmet war. Ich flog nach Liverpool und interviewte Mike McCartney, den Bruder von Paul, der ein ziemlich bekannter Fotograf war, und kaufte ihm für sehr viel Geld die Bildrechte für eine Kollektion von Fotos aus den Jugendtagen der Beatles ab, die wir auf dem Titel als „Mike McCartney’s Liverpool“ verkaufen wollten. Und ich habe – gegen den Willen des alten Chefreadakteurs – die Rap-Sängerin Betty Boo auf den Titel gehievt. Alles anders, also, alles neu – und hoffentlich alles erfolgreicher als bisher. Wir haben den Titel mit Focusgruppen getestet, und die Zielrguppe war begeistert.
Der einzige, der nicht begeistert war, war Freider Stein. Der war unentschlossen, wußte nicht so recht. Ich war in Frankfurt in der Druckerei, um die Andruckbögen abzunehmen, da rief er mich an und sagte, er habe sich entschieden, das Heft einzutellen.
Und so ist das schönste Musikmagazin, das je gemacht worden ist (meine Meinung, jedenfalls) niemals erschienen. Aber ich habe ein einziges Exemplar, das ich aus Andruckbögen gebastelt habe, in meinem Bücherregal stehen. Ab und zu hole ich es aus Nostalgie heraus, blättere darin und denke mir: „Was wohl gewesen wäre, wenn…“