Auf Quora fragt einer: „Was wollten die Briten im Zweiten Weltkrieg durch einen massiven Luftangriff auf der Insel Helgoland erreichen? Angeblich seien hier 1947 bei der bis heute größten nichtnuklearen Sprengung der Geschichte 285 Menschen ums Leben gekommen.
Die Geschichte kenne ich anders. Laut einem Bericht des NDR vom 18.04.2017 sind die 2.500 Bewohner Helgolands bereits 1945 alle evakuiert worden. Gerüchte über die Pläne der Briten, die Insel zu zerstören, seien nach dem Krieg in Umlauf gekommen und führten u.a. dazu, dass einige Helgoländer einen Brief an den Papst geschrieben haben, in dem sie ihn baten, sich für den Erhalt der Insel einzusetzen.
Die Briten schafften insgesamt 6.700 Tonnen Granaten, Raketen und Sprengstoff auf die Insel, wo sie in unterirdischen Bunkern und Tunneln lagerten. Deutsche Kriegsgefangene mussten helfen, Munition und Sprengstoff zu entladen, den die Briten zuvor vom Festland herbeigeschafft hatten. Das Ziel der gigantischen Sprengung, dem „Big Bang“ von Helgoland, sei es gewesen, wichtige Munition und Militäranlagen auf Helgoland vernichten.
Das Gerücht, die Briten hätten die Insel gänzlich vernichten wollen, stimmt laut NDR nicht. Einen solchen Befehl habe es nie gegeben. In einem Schreiben der Briten an deutsche Regierungsstellen vom Dezember 1946 soll es heißen: „Eine Sprengung der Insel Helgoland ist nicht beabsichtigt, es ist jedoch unbedingt notwendig, die Insel zu entmilitarisieren, und da hierbei einige 22 Kilometer Tunnel und Galerien zerstört oder durch Sprengmaterial blockiert werden dürften, wird unweigerlich ein großer Teil der Inseloberfläche vernichtet werden.“
Allerdings sind an der Südspitze der Insel etwa 70.000 Quadratmeter im Meer versunken. Dort hatten sich Hitlers gigantischer U-Boot-Bunker befunden. Die berühmte Felsnadel Lange Anna hingegen steht noch, auch die Hafenanlagen und Küstenschutzmauern sind noch intakt.
Auch nach dem „Big Bang“ durften die Helgoländer nicht zurück auf ihre Insel, die statt dessen als Bombenabwurfplatz von den Briten benützt wurde. Im Dezember 1949 fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung einstimmig dazu auf, bei den Alliierten eine Rückkehr der Helgoländer auf ihre Insel zu erwirken. Doch die Bemühungen bleiben erfolglos.
Am 20. Dezember 1950 besetzten zwei Heidelberger Studenten, Georg von Hatzfeld und Rene Leudesdorff, symbolisch und hissten die Europaflagge, um gegen Krieg und Wiederbewaffnung zu protestieren. Das Bild führte zu einem internationalen Presserummel, und der „Spiegel“ schrieb: Helgoland müsse den Deutschen zurückgegeben werden.
Der Witz ist nur: Helgoland war im Laufe ihrer Geschichte zwar jahrhundertelang Seefestung, Seeräubernest, bedeutender Stützpunkt der Seelotsen und zu Beginn des 18. Jahrhunderts sogar größtes Warenumschlagszentrum Europas, aber nur selten deutsches Hoheitsgebiet.
Ab 800 nach Christus taucht in Schriften erstmals der Name „Heiligland“ auf, unter dem die Insel zunächst bekannt wird. Im Mittelalter war Helgoland etwa viermal so groß wie heute. Schriften ab dem 13. Jahrhundert weisen auf den Einfluss von Dänen und Piraten hin. Mitte des 14. Jahrhunderts beschwert sich eine Hamburger Urkunde über einen dänischen Ritter, der Helgoland zu einem Seeräubernest gemacht habe. 1401 kommt es nahe der Insel Helgoland zur einer großen Seeschlacht, in der die Hamburger auch den berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker fassten. ^7^4 wurde Helgoland offiziell dänisch, aber Sturmfluten trugen immer mehr Teile der Insel ab, 1720 beispielsweise die Landzunge zwischen dem Buntsandsteinfelsen der Hauptinsel und der Düne.
1807 eroberen die Engländer Helgoland. Sie wollten von hier aus die Kontinentalsperre unterlaufen, mit der Napoleon den Handel mit England unterbinden wollte. Helgoland wurde in der Folge zum Schmugglerparadies – Insulaner, englische Besatzer und Schmuggler erleben goldene Zeiten. Doch schon 1814, nach der Niederlage Napoleons, folgt der wirtschaftliche Abstieg.
1826 wird auf Helgoland ein Seebad gegründet, und schon bald preisen Künstler und Touristen die Schönheit der Insel. Heinrich Hoffmann von Fallersleben lässt sich hier zeitweilen nieder und schreibt hier das Deutschlandlied. Der Dichter Heinrich Heine, der Helgoland sehr liebte, schrieb hier den oftzitierten Satz „das Meer riecht wie Kuchen“.
Am 10. August 1890 nahm Kaiser Wilhelm II. Helgoland für das Deutsche Reich in Besitz. Vor dem Hintergrund des sogenannten „Helgoland-Sansibar-Vertrages“ wurde die bis dahin britische Insel dem preußischen Staat einverleibt. Dafür verzichtete das Deutsche Reich auf seine Ansprüche auf das Sultanat Sansibar vor der Küste Tansanias.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges mussten die Helgoländer die Insel komplett räumen, und der Felsen wurde zu einer Seefestung ausgebaut. Als die Insulaner nach Kriegsende wieder zurückkehren durften, lag die Felseninsel in Schutt und Asche.
1937 entwickelt das Oberkommando der Kriegsmarine ein umfassendes Hafenkonzept, die sogenannte „Hummerschere“. Weiträumige Bunkeranlagen entstehen. Der Hafen wird für den Verkehr großer Kriegsschiffe und U-Boote umgebaut.
Am 18. April 1945 versuchte eine Gruppe von deutschen Widerständlern, die Insel kampflos an die Briten zu übergeben – vergeblich: Am gleichen Tag flogen 1000 allliierte Bomber den vernichtenden Angriff auf die Insel, bei der tatsächlich 285 Insulander ihr Leben verloren. Zwei Jahre später verlief der Big Bang allerdings unblutig.