Trump, das „F-Wort“ und die Politik der Wut

Heil Donald!

In der heutigen Ausgabe der Washington Post stellen Ishaan Tharoor und Ruby Mellen endlich die richtige Frage bezüglich Donald Trump und das, was er aus Amerika gemacht hat und vielleicht noch machen wird. „Ist es endlich Zeit, das F-Wort für Trump zu verwenden?“. Oder im Klartext: Ist Trump ein Faschist?

Eine Definition von Faschismus für Kinder auf helleskoepfchen.de bringt es auf den Punkt: „Der Faschismus ist eine rechtsradikale politische Bewegung, die die Werte einer Demokratie ablehnt. Die Herrschaftsform des Faschismus ist die Diktatur. In faschistischen Systemen gibt es nur eine Partei, andere Parteien neben ihr sind verboten. Gegner des Faschismus werden in einer solchen Herrschaftsform verfolgt, gefoltert und eingesperrt.“

Ganz so weit sind wir unter Trump zwar noch nicht, aber in seinem für September angekündigten Buch American Rage behauptet der amerikanische Soziologe Steven Webster von der Indiana-Universität, dass die Zahl derjenigen, die den politischen Gegner nicht nur widersprechen, sondern aktiv hassen, in den letzten Jahren enorm gestiegen ist.

Webster greift auf aktuelle Datensätze zurück, die er mit den neuesten Ergebnissen aus der Wutforschung kombiniert und mit Befragungen von Menschen im ganzen Land ergänzt, um zu dem Schluss zu kommen, dass Wut derzeit die bestimmende Kraft im politischen Leben Amerikas ist. Das hat verheerende Folgen.

Wenn Menschen von emotionaler Wut (z.B. als Reaktion auf eine Schießerei der Polizei) zu gewohnheitsmäßiger Wut übergehen (z.B. routinemäßige gewaltsame Demonstrationen gegen den Staat), verlieren sie nach Websters Worten „das Vertrauen in die nationale Regierung, verlieren ihr Engagement für demokratische Normen und Werte und schwächen ihr Engagement für Minderheitenrechte. Sie glauben, dass Menschen, die politisch nicht mit ihnen übereinstimmen, eine Bedrohung für das Wohlergehen des Landes darstellen“.

Diese Polarisierung habe zu einem bislang ungekannten Grad an Wählertreue geführt. Wer sich für eine Partei entschieden hat, ist für die Argumente der Gegenseite nicht mehr erreichbar, weil der politische Gegner ipso facto schlecht und böse ist.

Insofern erinnert die augenblickliche Situation in den Vereinigten Staaten erschreckend an die Deutschlands in den Jahren vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, als sich Nazis und Sozis – Sozialdemokraten und Kommunisten – absolut unversöhnlich gegenüber standen und sich im wahrsten Sinne des Wortes bis aufs Messer bekriegten.

Im Amerika hat die Polarisierung laut einer neuen Studie vom Pew Research Center auch zu einer Spaltung Amerikas nach Hautfarbe geführt. 81% der republikanischen Wähler sind demnach weiß, während es bei den Demokraten nur 59% sind. Haben Afroamerikaner die Wahl zwischen Joe Biden und Donald Trump, wählen fast 90% den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.

Zeitgenössische Gelehrte des Faschismus warnen davor, Trump ausdrücklich als Faschisten zu bezeichnen. Im Politmagazin Foreign Policy schreibt der Historiker Eliah Bures: „Wir sind heute nicht die 30er Jahre.“ Es gäbe jedoch einen Aspekt, in dem unsere Zeit den Zwischenkriegsjahren ähnelt. Es sei nach wie vor wahr, wie Orwell seinerzeit argumentierte, „dass das gegenwärtige politische Chaos mit dem Verfall der Sprache zusammenhängt und dass man wahrscheinlich eine gewisse Verbesserung herbeiführen kann, wenn man am verbalen Ende beginnt“. Damals wie heute ließen sich offene Gesellschaften am besten durch die Bereitschaft verteidigen, klar und deutlich – nicht hyperbolisch und manipulierend – über die Herausforderungen zu denken und zu sprechen, vor denen sie stehen.

Allerdings muss die Erosion der demokratischen Kultur während Trumps Präsidentschaft die Alarmglocken schrillen lassen . Sie ist begleitet von der ständigen Verbiegung von Normen und unerbittliche Angriffe auf diejenigen, die ihm keine absolute Loyalität zeigen, von politischen Rivalen bis hin zur freien Presse.

Zahlreiche Kommentatoren warnen vor dem Niedergang des politischen Liberalismus in den westlichen Demokratien, und verweisen auf Beispiele von Polen bis Ungarn, von AfD bis zu Marie le Pens Rassemblement National, von Brasiliens Jair Bolsonaro bis Indiens Narendra Modi.

Die typischen Trump-Anhänger zählen sich selbst zu den Anitliberalen. „Antiliberale erleben die Moderne als eine andauernde politische und spirituelle Krise“, schreibt Bures. Damit aber drohe die schmale Grenze zwischen Konservativismus und Faschismus überschritten zu werden. Obwohl sie in vielerlei Hinsicht instinktiv konservativ seien, glaubten Antiliberale, dass die Fäulnis so weit fortgeschritten ist, dass es nur noch wenig zu erhalten gibt, so dass eine reaktionäre Rückkehr oder eine radikale Regeneration (oder eine Mischung aus beidem) erforderlich ist. Unter diesem großen antiliberalen Zelt gibt es reichlich Platz für Steve Bannon und Putin, Hitler und Francisco Franco, Augusto Pinochet, Pat Buchanan und eben auch für Donald Trump.

Antiliberale stellen ja nicht nur die wirtschaftliche Freiheit in Frage, sondern auch den Wert der pluralistischen Demokratie selbst. Sie argumentieren, dass die liberalen Kernideale über Toleranz und Gleichheit in Wirklichkeit eine heimtückische Form der Tyrannei sei, die Gemeinschaften zerstört und den menschlichen Geist tötet.

In seinem kurzen Essay Der ewige Faschismus beschrieb Umberto Eco bereits 1995 kurz und genau 14 Merkmale, die den „ewigen Faschismus“ ausmachen Dazu zählen Irrationalismus, Aktion um der Aktion willen, Kritikfeindlichkeit, Angst vor Vielfalt, Appelle an eine verärgerte und gedemütigte Mittelschicht, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus, Betonung der Feinde, eine Sichtweise des Lebens als Kampf, Verachtung für die Schwachen, ein Kult des Heldentums, Machismo und Frauenfeindlichkeit, ein antiparlamentarischer Populismus, der einzelne Bürger verachtet, die nur existieren, um Lob und Beifall für den Führer zu akzeptieren; und eine Newspeak-artige Verarmung der Sprache, die komplexes Denken behindert. Andere Merkmale wie Militarismus, eine Anti-Establishment-Animus, die Missachtung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten und die Sehnsucht nach der Erlösung durch einen charismatischen starken Mann seien ebenfalls prägend für eine faschistoide Gesellschaft.

Als Eco das schrieb, war Donald Trump noch ein mäßig erfolgreicher Immobilienmakler, der gerade mit seinen Kasinos in Atlantic City eine grandiose Pleite hingelegt hatte. Er hätte es genauso gut heute schreiben können. Wenn Trump im November nicht gestoppt wird, könnte das F-Wort bald eine passende Beschreibung für die Vereinigten Staaten von Amerika als Ganzes sein.

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