Allen, die mich für ein zynisches, empathieloses Arschloch halten (und ich weiß, dass es unter meinen Facebook-„Freunden“ einige davon gibt) sei die Lektüre der Kolumne „Quergeschrieben“ von Karl-Peter Schwarz in der heutigen Ausgabe der Wiener Presse empfohlen. Ich nehme an, der Herr ist ohnehin der Erfinder des „Schwarzhumors“, aber gegen den bin ich ja ein lammfrommer Philanthrop!
Sein Thema ist „Ahnlvertilgung“, ein Begriff, den einst Helmut Qualtinger prägte und der wissenschaftlich als Senizid bekannt ist. Es handelt sich um die über weiten Teile der Menschheitsgeschichte geübten Praxis, diejenigen zu beseitigen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters keinen ausreichenden Nutzen mehr für Gesellschaft und Familie zu erbringen imstande waren.
Schwarz zitiert aus dem Buch Senizid und Altentötung des Essener Pädagogen Raimund Pousset, dessen Untertitel lautet: „Ein überfälliger Diskurs“. Meist, so Pousset, sei diese Tötung aus ökonomischen Gründen religiös verbrämt worden, oft eingeleitet durch ein rituelles Trinkgelage, and dem die Betroffenen teilenehmen durften oder auch nicht, nach dem Motto: Besoffen stirbt sich’s leichter.
Heute ist dieser Brauch weitgehend ausgestorben, oder zumindest redet man nicht mehr drüber. Aber klar ist, so Schwarz, dass die gesellschaftlichen Kosten mit der steigenden Lebenserwartung unserer Senioren ins Uferlose wachsen, und dass es viele Jüngere gibt, die wohl ganz gerne zurückkehren würden zu früheren Gewohnheiten. Die Generation der in den Ruhestand drängenden Baby Boomer isst ihren Kids quasi die Haare vom Kopf, und so herrsche, wie Schwarz schreibt, „große Freude, dass das Virus eine Arbeit erledigt, die in den Seniziden Jahrtausenden lang in Handarbeit verrichtet wurde.“ Schon geistern im Internet Posts herum mit dem Hashtag #BoomerRemover.
Ironie der Geschichte: Die Generation, die einmal „Traue keinem über 30“ zu ihrem Slogan machte, ist selbst zur Zielscheibe von Generationenhass geworden. Noch ironischer, dass die Boomer einst die klassische Familie abschaffen und in Kommunen ziehen wollten, Abtreibung für ein Grundrecht hielten und sich für die Sterbehilfe – laut Schwarz eine Form von „stillem Senizid“ – stark machten.
Allerdings gibt Schwarz selber zu, dass die Diskussion über das Alter der Seuchenopfer sich möglicherweise selbst schon überholt hat. In der Covid-Hochburg Lombardei nimmt der Anteil der 40- bis 50jährige inzwischen zu. Ob das daran liegt, dass die Alten schon hin sind, oder ob das Virus sich mittels Mutation eine neue Opfergruppe gesucht hat, ist nicht eindeutig auszumachen.
Übrigens: Boris Johnson ist erst 55…