„Im Alter schläft man eigentlich nicht. Der Schlaf zieht sich nur über die Gegenstände des Tages wie eine Art von Flor und läßt sie durchscheinen.“ Ja, der alte Goethe hat es erfasst! Aber vielleicht fehlte ihm auch nur ein Smartphone.
Auch mir fällt es mit zunehmendem Alter immer schwerer zu schlafen. So richtig 8 Stunden durchschnarchen, das ist mir schon seit Jahren nicht mehr gelungen. Bei uns älteren Herren drückt ja die Blase oft mehrmals in der Nacht, und mir kommt es so vor, als ob ich danach stundenlang mich hin- und herwälzen würde auf der Jagd nach dem flüchtigen Morpheus, Sohn des Hypnos.
Das stimmt aber offenbar gar nicht. Ich trage seit ein paar Tagen ein Smartband von Sony, das mir laufend Daten über meinen Körper liefert. Eigentlich trage ich es, um mein Puls beim Training zu messen, aber ich erfahre allerlei andere Dinge, die ich gar nicht wissen wollte, zum Beispiel, wieviel Schritte ich gegangen bin.
Vor allem aber: Mein Armband sagt mir morgens, wie lange und wie tief ich geschlafen habe. Und da stellt sich für mich Erstaunliches heraus: Wenn ich das Gefühl habe, die halbe Nacht wachgelegen zu sein, sagt es mir beispielsweise, ich hätte 6,49 Stunden schlafend zugebracht, davon 62% im Tiefschlaf und 38% im Leichtschlaf. Eigentlich perfekt. Kein Mensch braucht acht Stunden pro Nacht, und sechseinhalb ist mehr als genug – vor allem, wenn fast zwei Dritten davon in der Tiefschlaf- oder REM-Phase verbracht wird, wo die wirkliche Erholung stattfindet.
Das Ergebnis: Ich fühle mich, seit ich dieses Ding trage, tagsüber ausgeschlafen und munter. Will heißen: Allein diese Information hat konkrete Auswirkungen auf mein physisches Wohlbefinden.
Nun habe ich natürlich keine Ahnung, ob das Gerät mir auch die Wahrheit sagt. Ist aber auch egal: Es wirkt auf mich wie ein digitales Placebo. Und der Placebo-Effekt ist ja nachweislich für mindestens ein Drittel aller medizinischen Heilungserfolge verantwortlich, wie viele Studien bewiesen haben.
Irgendwann muss ich mal die Gegenprobe machen und das Armband mal abends ausziehen, bevor ich ins Bett gehe. Mal sehen, wie ich mich am nächsten Morgen fühle. Wahrscheinlich hundmüde…
Schade, dass Goethe das nicht mehr erleben durfte.