Facebook steht mächtig in der Kritik, und mancher fragt sich: Werden die das überleben? Es klingt zwar gewagt zu glauben, dass ein solcher Moloch sich vielleicht wirklich überreizt und eines Tages das Schicksal solcher Digisaurier wie Nokia, Blackberry, AOL oder Kodak teilen könnte – aber warum nicht?
Und wie immer hilft ein Blick zurück in die Geschichte um zu verstehen, was gerade abgeht und wo es vielleicht hinführen wird.
Telegramm und Telefon haben in der Zeit des Wilden Westens, also in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts, die Welt ähnlich grundlegend verändert wie die Sozialen Medien unserer Zeit. Sie haben die Welt schrumpfen lassen und die Menschen in Verbindung gebracht, das Kommunikationsverhalten verändert und das Leben ihrer Benutzer bereichert.
Aber das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten, und das Telegramm musste dem Telefon weichen
Das war 100 Jahre später wieder genauso, als das Bessere – Facebook – das Gute verdrängte, nämlich einen heute völlig unbedeutenden Social Media-Pionier namens MySpace.
2003, also ein Jahr vor Facebook gegründet, erreichte MySpace im Juni 2004 die magische Grenze von einer Million Nutzer pro Monat und schien auf dem Weg zu sein, sich an die Spitze der sozialen Medienplattformen zu setzen. Im Juli 2005 kaufte Rupert Murdoch , der mächtige Chef des Medienkonzerns NewsCorp, MySpace für $580 Millionen und kündigte an, den Dienst auf 200 Millionen Nutzer und einen Börsenwert von neun Milliarden Dollar ausbauen zu wollen.
Doch mit dem Verkauf schien die Luft aus MySpace raus zu sein: Leitende Mitarbeiter verließen im März 2009 plötzlich das Unternehme und gründeten eigene Startups. Der CEO und Mitbegründer Chris DeWolfe warf im April das Handtuch, und im Juni entließ MySpace einen Drittel seiner Mitarbeiter. In einer zweiten Entlassungswelle im Januar 2011 mussten weitere 50 Prozent der Mitarbeiter ihre Schreibtische räumen.
Was war passiert? Zum einen legte Facebook nach einem langsamen Start plötzlich massiv zu und überholte im Juni 2008 MySpace in der Zahl der Nutzer. 2007 machte MySpace dann Schlagzeilen als „Anlaufstelle für Sextäter“, wie die Tageszeitung Die Welt schrieb. Vor allem aber war die NewsCorp-Übernahme wohl der Todesstoß für die junge Firma. Sean Percival, der von 2009 bis 2011 als Marketingchef für MySpace arbeitete, beschrieb es in einer Rede auf der Konferenz By:Larm in Oslo im März 2015 so: „Mit der Zeit hat sich eine Konzernmentalität ausgebreitet. Es kamen die Anwälte, es kamen die Buchhalter. Anstelle dieses wendigen, schnellen Sportwagens wurde das Ganze zu einem behäbigen Dienstwagen mit Chauffeur. Wir hatten plötzlich 40 oder 50 Anwälte an Bord und haben daneben noch 800.000 Dollar im Monat für externen Rechtsbeistand ausgegeben.“ Das Justizministerium war hinter uns her wegen dieses ganzen Pädophilen-Zeugs. Es war das reine Chaos!“
Heute ist MySpace ein Schatten seiner Selbst. Von dem Höchststand von 76 Millionen im Jahr 2008 ist die Zahl der regelmäßigen Nutzer auf unter 15 Millionen gesunken. Murdoch, der inzwischen öffentlich zugegeben hat dass die Übernahme eine „Fehlentscheidung“ war, verkaufte den Portal für 35 Millionen an das Werbenetzwerk Specific Media, und im Februar 2018 fragte Elise Moreau in Lifewire: „Ist MySpace tot?“
Warum ist die Geschichte vom Niedergang von MySpace heute so lehrreich? Weil es zeigt, wie vergänglich auch im Internet-Zeitalter die scheinbare Übermacht der GAFA-Unternehmen ist. Eine falsche Entscheidung, einmal zu lange zugewartet, einmal den Auge vom Ball genommen – und du bist selbst Geschichte!