Schnell: Was ist die am schnellsten wachsende Weltreligion? Nein, nicht der Islam. Das Christentum schon gar nicht. Es ist der Glaube, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gefährlich sind. Anstelle eines Kruzifix oder Halbmonds ist das Symbol dieser weltweiten Bewegung, zumindest in Österreich, das Logo der ARGE Gentechnik-frei. Dort ist seit 2015 die gentechnische Abstinenz sogar in der Verfassung verankert. „Ohne Gentechnik hergestellte Produkte sind ein Aushängeschild Österreichs, und wir können zu Recht stolz darauf sein“, psalmierte die damalige SPÖ-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner anlässlich der Feierstunde „20 Jahre ohne Gentechnik in Österreich“ – und niemand widersprach.
Es gibt aber leider ein Problem: Hier wird wissenschaftlicher Unsinn gepredigt! In Wahrheit gibt es nämlich keinen einzigen belastbaren Hinweis darauf, dass Lebensmittel, die gentechnisch verändert worden sind, für den Menschen schädlich sein können – es sei, denn man isst zu viel davon…
Sie glauben mir nicht? Dann fragen Sie bitte die National Academy of Sciences, eine Vereinigung führender Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, deren Aufgabe es ist, die US-Regierung in wissenschaftlichen Fragen zu beraten und eigene Untersuchungen durchzuführen. Eine solche Studie aus dem Jahr 2016 wertete über 1000 Einzelpublikationen aus und kam zu dem eindeutigen Ergebnis: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass genetisch veränderte Lebensmittel ein höheres Risiko für die menschliche Gesundheit bilden als ihre gentechnikfreien Gegenstücke.“ Dieser Ansicht haben sich inzwischen übrigens, unter anderen, die Royal Society, die französische Académie des sciences und die American Medical Association angeschlossen.
Die Wissenschaft ist sich also völlig einig: alles Unfug! Oder anders ausgedrückt: Wer immer noch an das Gentechnik-Gespenst glaubt, hängt einem – allerdings weitverbreiteten – Irrglauben nach.
Das wäre ja nun nicht weiter schlimm: Sollen die Leute doch glauben, was sie wollen. Wer glaubt wird schließlich selig. Und wenn sie einen satten Aufpreis bezahlen wollen für Produkte, die den völlig nutz- und sinnlosen Aufdruck „ohne Gentechnik hergestellt“ tragen, sind sie doch selber schuld! Hauptsache, es schmeckt, oder?
Falsch! Denn den wahren Preis für diesen westlichen Antigen-Wahn müssen Millionen armer Bauern in der Dritten Welt bezahlen.
Die Gen-Hysterie ist nämlich mittlerweile zu einem mächtigen Marktfaktor geworden. Verbraucher in Amerika und Europa, jahrzehntelange durch Greenpeace, Grüne und andere Prediger der neuen Weltreligion indoktriniert, achten beim Einkauf streng auf solche „Gütesiegel“ wie „genfrei“ oder „ohne Gentechnik“. Deshalb sind Landwirte weltweit gezwungen, auf die Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut zu verzichten. Das kann für sie ein Todesurteil sein.
Rund 300 Millionen Menschen in Afrika leben hauptsächlich von Maniok, das als die fünftwichtigste Lebensmittelart der Welt gilt. Die Pflanze ist extrem anfällig für eine Krankheit namens cassava brown streak, die sich auf dem Schwarzen Kontinent immer weiter ausbreitet. Ein Konsortium aus amerikanischen und afrikanischen Forschungsinstituten hat eine Version des Manioksamens entwickelt, die fast vollständig gegen die „Maniok-Pest“ resistent ist – aber Bauern in der Region zögern, sie zu verwenden, aus Angst, keine Produkte mehr nach USA oder Europa verkaufen zu können.
DNA-veränderte Bananensorten, die gegen die gefürchtete Bananen-Schleimkrankheit (banana bacterial wilt) immun sind, werden in Zentralamerika nur selten angebaut, weil solche Früchte in Europe ohne das Siegel „genfrei“ unverkäuflich wären.
MLND, ein Virus, das junge Maispflanzen befällt und in Kenia jährlich bis zu 30 Prozent der Ernte vernichtet, lässt sich mithilfe von gentechnisch verändertem Saatgut vermeiden – aber in Europa oder Nordamerika will niemand dem armen Bauern den Mais abkaufen.
In einer Kolumne für die Washington Post (Are you anti-GMO? Then you’re anti-science, too) beschreibt Michael Gerson das Ergebnis als eine Form des „kulturellen Imperialismus.“
„Was die Menschen in den Hungerländern am meisten nötig haben ist bessere Produktivität“, schreibt Gerson, und schüttet Häme aus über jene Bewohner der westlichen Welt die, „fettgefressen vom Erfolg moderner Anbaumethoden am Existenzminimum knabbernden Bauern in der Dritten Welt Vorträge über alte Sorten und organische Anbaumethoden halten.“ Viele gentechnisch veränderte Pflanzen, so Gerson, könnten beispielsweise mit weniger Wasser auskommen – in Zeiten globaler Klimaveränderung womöglich ein überlebenskritischer Vorteil für Menschen in den Dürreländern – aber wir erlauben es ihnen nicht! Pflanzen, die dank Gentechnik gegen Schädlinge resistent sind, benötigen weniger Pestizide – und entlasten die gesamte Umwelt. “
Für ihn gibt es eine deutliche Parallele zur wachsenden Schar der unbelehrbaren Impfgegner: „Wer die Wissenschaft leugnet, riskiert Menschenleben!“
Aber das nehmen die echten Anhänger der Antigen-Glaubensgemeinschaft gerne in Kauf. Hauptsache, sie bekommen morgens ihr Müsli mit köstlicher, garantiert genfreier Milch serviert. Wünsche allseits guten Appetit! Und nun entschuldigen Sie mich bitte – ich muss ein bisschen kotzen gehen…