Wie Banken in – und an – der Zukunft arbeiten

Ist das die Bank von morgen?

Ist das die Bank von morgen?

Eigentlich hatte Tim Cole ganz andere Pläne. Vor vier Jahren haben sich seine Frau under ein ruhiges Häuschen im österreichischen Lungau, mitten in den Salzburger Alpen, gekauft. „Ein schöner Ausklang“, sagte sich das Ehepaar. Doch der deutsch-amerikanische Journalist, Autor und „Wanderprediger des deutschen Internets“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung bezeichnete, ist heute seltener zu Hause denn je. Schuld daran ist der Erfolg seines neuesten Buchs: „Digitale Transformation: Warum Deutschland die digitale Zukunft verschläft und was jetzt zu tun ist.“ Ein provokanter Titel, der dem Autor zurzeit reichlich Aufmerksamkeit einbringt.

„Die digitale Transformation ist im Grunde wie ein Erdbeben.“

Tim Cole beschreibt die digitale Transformation als Ergebnis von drei unabhängigen Entwicklungen: der Digitalisierung, der Vernetzung dieser digitalisierten Systeme und Veränderungen in unserer Mobilität, also der Tatsache, dass wir heute unabhängiger von Zeit und Raum geworden sind. Das Zusammenspiel dieser Phänomene verursache gerade einen disruptiven Tsunami, der viel Altes zerstören, aber auch viel Neues schaffen würde, erläutert Cole. Damit hat er wohl nicht ganz Unrecht, denn neue Unternehmen wie Airbnb und Uber nutzen diese Veränderungen gerade, um die klassischen Geschäftsmodelle von Hotels und Taxis anzugreifen – und zwar ziemlich erfolgreich.

Tim Cole ist der Meinung, dass diese Veränderungen auch die Banken betreffen würden und erzählt uns eine Geschichte: „Ich habe vor nicht allzu langer Zeit mit einem Privatbanker gesprochen. Der sagt, er betreue genau 200 Kunden. Mehr wolle er gar nicht haben, denn dann könne er nicht mehr von jedem Einzelnen wissen, wann das Pferd der Tochter Geburtstag habe.“

„Früher nannte man das Service.“

Der Kunde hat laut Cole durch die digitale Transformation die Entscheidungsgewalt über sein Kaufverhalten zurückgewonnen. Er habe unbegrenzte Marktübersicht, vollkommene Preistransparenz und einen Rückkanal, über den er feilschen, sich beschweren und im Extremfall auch einmal einen Shitstorm auslösen könne. Damit würden Unternehmen gezwungen, wieder auf Augenhöhe mit ihren Kunden zu diskutieren, ist Cole überzeugt. Doch um einen echten Dialog führen zu können, sagt er, müsse man auch umfassendes Wissen über die eigenen Kunden besitzen und ihre Bedürfnisse kennen.

Banken seien eigentlich in einer beneidenswerten Situation, glaubt Cole, denn sie hätten mehr Informationen über ihre Kunden als andere Unternehmen. Insbesondere genossenschaftlich organisierte Banken, erzählt er, hätten eine wunderbare Ausgangssituation. Sie seien noch nahe am Menschen und im genossenschaftlichen Verbund schlummere ein immenses Kundenwissen. Noch, so die polarisierende These des Autors, könnten Banken aber kaum verwertbare Erkenntnisse aus diesen Informationen gewinnen.

„Wenn die Banken wüssten, was sie wissen, wären ihre Zahlen besser“

Tim Cole vertritt die Meinung, dass vorhandene Information effizienter genutzt, gebündelt und daraus relevantes Wissen über die eigenen Kunden generiert werden müsse. Technisch, sagt er, sei das heute kein allzu großes Problem mehr. Wenn man eine ausreichend große Datenmenge zur Verfügung hätte und diese mit intelligenten und leistungsfähigen Computersystemen auswerte, etwa mit künstlichen neuronalen Netzwerken, könne man vielleicht noch nicht für jeden einzelnen seiner Kunden sagen, wann das Pferd der Tochter Geburtstag habe – aber, so der Autor, wann größere Entscheidungen und Investitionen wie ein Hausbau oder ein neues Auto anstünden. Gemäß Cole könnten neueste Verfahren wie Predictive Analysis sogar Vorhersagen über künftiges Verhalten von Kunden treffen. „Sie können Anzeichen erkennen, die darauf hindeuten, dass Herr Schmidt seine Bank oder seine Automarke wechseln möchte – und zwar bevor Herr Schmidt sich selbst darüber im Klaren ist“, erzählt Tim Cole.

„Die Bank muss zunehmend Partner des Kunden sein – in allen Lebenslagen.“

Pointiert behauptet der Autor: „Banken müssen sich dramatisch wandeln, um sich ihr wichtigstes Asset zu bewahren: die Kundenbeziehung.“ Er ist davon überzeugt, dass man mit genügend Wissen seine Kunden nur mit Dingen erfreuen könne, die sie haben wollen – und mit Dingen in Ruhe lassen, die sie stören. Cole glaubt, man müsse den Kunden abholen bevor er selbst merke, dass er ein bestimmtes Bedürfnis, einen bestimmten Wunsch habe – also dem Kunden vorauseilend die Dinge bieten, die er haben möchte.

„Ein Unternehmer sollte sich jeden Abend, wenn er ins Bett geht überlegen, welcher intelligente junge Mensch im Silicon Valley mit einer guten Idee und jede Menge Venture-Capital im Hintergrund, ist gerade dabei zu überlegen, wie er mich arbeitslos machen kann.“
Prof. Dr. Tobias Kollmann

In Zeiten von PayPal und Crowdfunding, angesichts einer mit Venture-Capital gefluteten Fintech-Szene, so der Autor, müssten Banken aufpassen, dass ihnen nicht ein Kerngeschäft nach dem anderen wegbreche. „Diese Szene muss man höllisch beobachten und dann schnell reagieren“, behauptet Cole. Die Banken dürften sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, sagt er, und plädiert dafür, auch einmal ganz neue Wege zu gehen, etwa selbst ein Start-up zu gründen und darüber nachzudenken, wie man sein eigenes Geschäftsmodell kaputtmachen könnte. Das mache nicht nur Spaß, konkludiert Cole, sondern könne dem Mutterschiff auch wichtige Impulse liefern.


Dieses Gespräch führte eine Redakteurin von Fünfwerken Design vor einigen Wochen mit mir im Auftrag von Union Invest für ein Mitarbeiter-Projekt.

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