Ich bin kein Freund von Tablett-PCs. Freunden gegenüber schimpfe ich immer über den Fortschritt, der uns zurückgebracht hat zu einem Formfaktor, der vor 4000 Jahren modern war, als die alten Kulturvölker am Euphrat und Tigris auf Tontafeln geschrieben haben. Nur weil Steve Jobs sie wie weiland Moses seine Gesetzestafeln in die Höhe hielt, dachte ich mir, muss ich noch lange nicht dabei sein.
Aber dann war ich in Amerika und im Apple Store in New York wurde fast nur Deutsch gesprochen. Jeder, aber auch jeder, wollte so ein flunderförmiges Gerät als Reisemitbringsel haben, und so habe ich auch ich mich dazu erweichen lassen, eins zu kaufen und daheim stolz meiner Frau zu zeigen. Die zeigte mir einen Vogel, jammerte über das schöne Geld und ignorierte das Ding geflissentlich.
Anfangs rechtfertige ich den Kauf vor mir selber mit dem Argument, ich könnte damit unterwegs arbeiten. Nach ein paar Tagen aber hatte ich die virtuelle Tastatur satt, das Hin- und Herschieben von Texten und Tabellen war mühsam, und immer wenn ich es brauchte, war die Batterie leer. Und so blieb der iPad mit der Zeit immer öfter im Home Office liegen und wanderte schließlich ins Wohnzimmer, wo es seinen inzwischen angestammten Platz auf dem Couchtisch fand.
Und dort hat es meine Frau entdeckt. Die ist, im Gegensatz zum mir, dem Geräte-Freak, kein Fan des Neuen. Sie arbeitet zwar auch am Computer, aber wenn irgendwas nicht funktioniert, ruft sie nach mir und ich muss es in Ordnung bringen. Den iPad hat sie anfangs mit Verachtung gestraft. Bis sie neulich mal damit herumspielte und auf einmal erstaunt feststellte, dass die Größe der Schrift ganz einfach verändern kann, indem man die Bildschirm mit Daumen und Zeigefinger berührt und auseinanderzieht. Meine Frau braucht wie ich inzwischen eine Lesebrille, aber sie ist ein wenig eitel und zieht ihn ungern an. Und jetzt? Jetzt kann sie den Text einer Webseite oder eines Word-Dokuments so weit aufziehen, bis sie wieder bequem und ohne Brille lesen kann.
Inzwischen gehört der iPad ihr. Sie hat herausgefunden, dass sie darauf ihre Lieblingssendungen im Fernsehen anschauen und eMails schreiben kann. Sie hat das Ding abends neben sich liegen, wenn sie Fernsehen schaut, weil sie damit im Programm nachschauen kann oder mal eben bei Google Einzelheiten über die Hauptdarsteller oder den Regisseur aufrufen kann. Sie nimmt es mit in die Küche und legt es beim Kochen neben den Herd, wenn sie Rezepte aus dem Internet zubereiten will. „Mother’s little helper“, habe ich das Ding mal scherzhaft genannt, und meine Frau hat genickt.
Kürzlich traf ich meinen Freund Gunter Dueck, der mal bei IBM gearbeitet hat und so schöne Bücher schreibt wie „Abschied vom Homo Oeconomicus: Warum wir eine neue ökonomische Vernunft brauchen“. Er ist ein echter Querdenker, und wir unterhielten uns über deutsche Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern Dinge wie Facebook oder Smartphones verbieten, weil sie darin nur unnütze Spielerei sehen. „Die machen einen schlimmen Fehler“, sagte Dueck. „Die Leute müssen die neuen Dinge ausprobieren dürfen und damit herumspielen. Erst dann werden sie mit der Zeit merken, ob man sie sinnvoll nutzen kann oder nicht. Und vielleicht kommt am Ende etwas ganz Anderes heraus, als es sich der Hersteller vorgestellt hat.“
Wie recht er doch hat. Aber dazu muss man ja eigentlich nur meine Frau fragen.