Die Deutschen und das Internet – ein Drama in vielen Akten. So richtig warm geworden sind die beiden ja nie, und jetzt sieht es sogar so aus, als ob die Deutschen gegenüber dem Rest der Welt zurückfallen in ihrer Bereitschaft, Nutzen aus der modernen ITK-Technik zu ziehen. Schade um den schönen Standort…
Seit dem Millenniumsjahr 2000 untersucht die britische Wirtschaftszeitschrift „Economist“ regelmäßig den Stand der „E-Bereitschaft“ der Länder dieser Erde und stellt sie in einem Ranking dar, dem so genannten „e-readiness index“. Deutschland hat in dieser Tabelle noch nie besonders gut abgeschnitten, rangierte immer irgendwo um Platz 12 oder 13 – doch was 2007 herauskam, gleicht geradezu einem Absturz aus großer Höhe. Platz 19 ist für ein Land, das sich gerne als Hightech-Standort gibt, schlicht und einfach eine Katastrophe!
Dass die Dänen, wie seit langem, auf Platz eins sonnen dürfen, also noch vor dem Land der Internet-Erfinder, USA, mag ja noch angehen. Und dass die frechen Österreicher nun erstmals deutlich am großen Nachbarn vorbeigezogen und auf Platz elf gelandet sind, können wenigstens diejenigen noch irgendwie zu einem deutschen Teilerfolg umdeuten, die in der Alpenrepublik ohnehin nur das 17te Bundesland oder einen abgespaltenen Teil Bayerns sehen. Aber Bermuda (Platz 15)?
Auch im direkten Vergleich mit den Hauptkonkurrenten um den Titel „Export-Weltmeister“ schneidet Deutschland ziemlich mies ab: einen Rang hinter Japan, die letztes Jahr noch irgendwo bei Platz 27 herumkrebsten, zwei hinter Taiwan (2006: Platz 23). Südkorea ist von Platz 18 auf Platz 16 vorgeprescht, Hongkong gar von Platz zehn auf vier enteilt. Nun könnte man als Berufsoptimist ja noch Trost aus der Tatsache ziehen, dass Deutschland in Wirklichkeit die europäische Mittelklasse markiert. Die Skandinavier sind ja eh als Internet-Freaks verschrieen, was sollen die auch an den langen Winterabenden sonst machen als sich Online-Pornos anschauen? Und die Schweizer (Platz 5) hocken in ihren engen Tälern und kommen nur per Computer irgendwie mal raus. Wenigstens konnten wir Frankreich (Platz 22) schlagen, ebenso wie Malta (24), Italien (25), Spanien (26), Portugal (27) und Griechenland (32). Und von den Beitrittsländern wie Estland (28), Slowenien (29) oder Polen (40) war im Grunde noch nicht viel zu erwarten.
Wem die Zukunft Deutschlands aber wirklich am Herzen liegt, der muss schon schlaflose Nächte verbringen beim Betrachten der Feinauswertung 2007. Der „Economist“ fällt sein Urteil erst nach eingehender Untersuchung von insgesamt sechs unterschiedlichen Kriterien, die von „Geschäftsklima“ bis „Rechtsumfeld“ oder „technische Infrastruktur“ reichen. Und da wird sehr schnell klar, wo hierzulande der Schuh drückt.
Bremsfaktor Nummer eins ist die Politik. Es gibt zwar keinen Landesvater, der nicht irgendeine E-Initiative („Bayern online“) verkündet hat. Aber was ist daraus geworden? Ein föderaler Flickerlteppich aus sinnlosen und/oder schlecht gemachten Online-Auftritten selbstverliebter Landesfürsten. Ich durfte 2005 bei der hoffnungsfrohen Eröffnung von Kurt Becks „Landesportal Rheinland-Pfalz“ eine Festrede halten. Neulich war ich wieder dort – und fand neben Schwaden von Selbstweihrauch („Beck: Gerechte Löhne für gute Arbeit“) vor allem einen an zentraler Stelle platzierten Link zur „Staats-Zeitung“. Wenigstens nicht auf Papier, sondern als PDF…
An den Noten des „Economist“ lässt sich die Misere der politischen Führungskultur in Sachen Internet ziemlich genau ablesen. Während die Differenz in den Einzelnoten zwischen Deutschland und dem jeweiligen Spitzenreiter bei „Nutzung durch Verbraucher“ mit 0,95 Punkten noch erträglich schien, betrug sie bei „Regierungspolitik & Vision“ satte zwei Zähler – ein Armutszeugnis. Zumal die Politik nicht nur in den Augen der britischen Redakteure als Dreh- und Angelpunkt für die E-Bereitschaft eines Landes gilt: „Nein anderer Wachstumsfaktor für die Wirtschaft eines Landes hat eine derartige Fähigkeit, gleichzeitig an mehreren Stellen als Katalysator für digitale Transformation zu wirken“, schreiben sie. Zum Beispiel die Fähigkeit, die Bereitschaft zu fördern, in Technologie zu investieren und damit eine zeitgemäße Infrastruktur zu schaffen. Da liegt in Deutschland nämlich auch einiges im Argen: Beim Kriterium „connectivity & technical infrastructure“ klafft zwischen der Bundesrepublik und Weltmeister Schweiz eine gä
hnende Lücke von 2,4 Punkten. Selbst Belgien schneidet da besser ab!
Die britische Studie beweist eigentlich nur, was ich als langgedienter Internet-Beobachter in Deutschland seit einiger Zeit schon instinktiv spüre: Die Internet-Begeisterung in diesem Land ist vor allem dort inzwischen deutlich abgekühlt, wo sie am dringendsten benötigt würde: In den Chefetagen von Politik und Wirtschaft. Da sitzen Leute, die keine Ahnung haben (Wolfgang „Bundestrojaner“ Schäuble) oder sich immer noch verweigern (Chefs, die keine E-Mails lesen, sondern das von der Sekretärin machen lassen). Firmen, deren Internetseite seit fünf Jahren nicht mehr aktualisiert worden sind oder die gar keine haben. Schulen, in denen sich zehn und mehr Schüler einen PC teilen müssen, und der steht auch noch die meiste Zeit im abgeschlossenen Klassenzimmer der „Computer AG“. Und da wundert sich noch einer, wenn der ITK-Branchenverband BITKOM händeringend den Mangel an Fachkräften beklagt? Mich wundert, dass es überhaupt so viele von ihnen gibt in diesem Land!
Internet und ITK sind die Lebensadern der globalisierten Wirtschaft. Mit Autos und Werkzeugmaschinen lässt sich der Export bei uns noch eine Weile künstlich am Leben halten. Irgendwann ist aber Schluss. Aber bis dahin ist Deutschland im Ranking des Economist ja vielleicht im „e-readiness index“ endgültig abgerutscht auf das Niveau von Azerbajan (Platz 68) oder Iran (Platz 69).