Kenn Williams spricht zwar ein bisschen wie Howard Carpendale in seinen besten Tagen, was daran liegt, dass Williams durch und durch Brite ist. Als Headpro am Golfclub Eichenried im Norden Münchens ist er inzwischen aber ganz zu Hause. Er hat sich dort auch eine Fangemeinde aufgebaut, darunter mein Kollege Holger Gertz von der „Süddeutschen“, der ihn einmal als „Golfschüler-Flüsterer“ bezeichnete in Anlehnung an Robert Redford und den „Pferdeflüsterer“. Williams Golf sei „mehr als Lehrer: Er ist Psychologe, Analytiker, Seelsorger…“
Vor allem ist Ken Williams ein kluger Mann, und es lohnt sich, ihm zuzuhören. Zum Beispiel sagte er kürzlich auf einer Pressekonferenz in Eichenried von den deutschen Golfspielern: „Sie wissen überhaupt nicht, wie man Golf spielt. Sie spielen nämlich immer nur nach Stableford. Das ist kein Golf. Das ist Mathematik.“
Richtiges Golf, das ist für Ken Williams der offne, ehrlich Schlagabtausch zwischen zwei Gegnern. Golf „mano a mano“, sozusagen. Beim richtigen Golf geht es darum, wer die wenigsten Schläge braucht, um ins Loch zu kommen. Vergiß‘ Vorgaben, Handicaps und andere Krücken: Das ist etwas für Golf-Behinderte. Geh‘ raus und kämpfe wie ein Mann (oder eine Frau), und möge der Bessere gewinnen.
Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas skeptisch war. Immerhin bin auch ich das Produkt deutscher Golfschulen, wo man zuerst das Stableford-Rechnen lernt und dann, wenn noch Zeit bleibt, auch ein bisschen das Golfen. So ganz geheuer war mir das allerdings nie, und ich habe mich als Amerikaner in Deutschland schon mehr als einmal auf einer Golfrunde unbeliebt gemacht mit dem Spruch: „Deutsche spielen nicht Golf, sie arbeiten an ihrem Handicap…“
Nun habe ich es aber mal drauf ankommen lassen und spiele seit neuestem bei jeder sich bietenden Gelegenheit Lochspiel, und zwar ohne Vorgabe. So am letzten Freitag mit meinem Freund Fritz B., der laut Handicap (22,5) genau drei komma zwo Schläge weniger pro Runde benötigen müsste als ich mit meinen 25,7. Und es fing auch genauso an, wie zu befürchten: Fritz nahm mir, ruck zuck, die ersten vier Löcher ab und genoss in Gedanken schon das Kaltgetränk, das der Verlierer zu bezahlen hatte. Ich habe mir künstlich Mut gemacht und es mit psychologischer Kriegsführung versucht. „Warte ab“, sagte ich, „ich komme schon noch!“ Fritz hat gelacht, und ich habe, ehrlich gesagt, auch nicht daran geglaubt.
Aber am 16er lag ich auf einmal mit einem Loch vorne! Ich weiß selbst nicht ganz, wie es geschah – Fritz schwächelte zwischendurch, und ich habe ein paar von jenen spektakuläre Schlägen geschlagen, wie sie selbst dem talentlosesten Freizeitgolfer gelegentlich gelingen. Auf der 17 knisterte es in der Luft, und das lag nicht an den berüchtigten Hochspannungsleitungen in Eichenried. Wir spielten am Ende beide eine sechs – unentschieden!
Es folgte die spannendsten zehn Minuten meines Golfer-Lebens: Das letzte Loch (Loch B9 – Eichenried hat 3×9 Löcher) ist ein tückisches, 471 Meter langes Par 5 mit Wasser rechts und einem Teich vorm Grün. Wir lagen beide mit 4 davor. Sein Chip saß, meiner landete am Ufer, rollte zurück und blieb halb aus dem Wasser heraus ragend liegen. Natürlich habe ich mir die Hosenbeine hochgekrempelt und es à la Bernhard Langer mit dem Loftwedge aus dem Wasser probiert, bin dabei aber nur nass geworden – der Ball blieb im Ufergestrüpp hängen. Fritz jubelte, und ich brauchte eine ganze Weile, bis sich das Adrenalin wieder verflüchtigt hatte. Aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist: Ich habe selten in meinem Leben so viel Spaß am Golfen gehabt wie bei diesem Spiel. Und ich bin ganz sicher: Wenn wir wie üblich nach Stableford gezählt hätten, wäre es eine stinknormale Runde wie jede andere auch geworden.
Mein Tipp: Hören Sie auf Ken Williams. Vergessen Sie die ganze Rechnerei und genießen Sie mal „Golf pur“. Es ist ein ganz anderes Spiel!