Im Juli geht in der IT eine Ära zu Ende. Dann nämlich wird Microsoft die Wartung des Windows Server 2003 einstellen. Das „Arbeitspferd des Internet“, wie ihn ein IT-Journalist einmal nannte, wird aufs Altenteil verabschiedet. Und Hunderttausende von IT-Verantwortliche fragen sich: Was kommt danach?
Die Aufgabe, die vor ihnen steht, hat durchaus historische Dimensionen. Die „größte Migration in der Tech-Geschichte“, nannte es Barbara Walter, Macom-Chefin von Spiceworks gestern in einer Diskussionsrunde, zu der Intel und Microsoft ins Münchner Sofitel eingeladen hatten. Immerhin laufen ja alleine in Europa noch rund vier bis fünf Millionen der alten Dinger noch, allerdings mehr schlecht als recht.
Alte Server sind langsam und verbrauchen viel zu viel Strom. Und sie sind anfällig, was zu der an sich absurden Situation führt, dass die Budgets der IT-Abteilungen hierzulande zu 75 Prozent in Wartung und Unterhaltung bestehender Systeme fließen und nur zu 25 Prozent in Innovation. Das behauptet jedenfalls Thomas Kellerer, der bei Intel Deutschland für die Cloud Service Provider zuständig ist. Die Folge: Dringend benötigte Business-Anwendungen wie Social Media, Mobile und Collaboration bleiben liegen oder werden ausgebremst, weil die Server schlicht und einfach dafür nicht gebaut worden sind.
Nun haben ITler ja schon immer Angst gehabt vor Veränderung. „Never touch a running system“, lautet ihr Credo. Aber jetzt bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig. „EOS“ heißt nun mal: End of Service, und da beißt die Maus keinen Faden ab.
Einige werden natürlich versuchen, weiter zu wurschteln in der Hoffnung, es wird schon gut gehen. Aber ohne Patches drohen Sicherheitslücken und Kompatibilitätsprobleme, von immer häufigeren Serverausfällen ganz zu schweigen. Neben technischen Risiken wie Daten-Manipulation, Datenverlust, Abfluss von Firmengeheimnissen drohen auch finanzielle und regulatorische Probleme, wie Prof. Andreas Gadatsch von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg warnte. Wer einen alten, nicht mehr vom Hersteller gewarteten Server betreibt, läuft im Schadensfall Gefahr, von Aufsichtsbehörden wegen grober Fahrlässigkeit zur Verantwortung gezogen werden, wobei, wie er süffisant anmerkte „,ja nicht der IT-Chef, sondern der Chef des Unternehmens dran ist, denn dann greift die Vorstands- oder Geschäftsführerhaftung.“ Und selbst wenn der Boss nicht dafür ins Kittchen wandert, kann er Ärger mit seinen Wirtschaftsprüfern bekommen, die womöglich das Testat für den Jahresabschluss verweigern werden.
Microsoft selbst versucht natürlich, die Hiobsbotschaft als gute Gelegenheit zu verkaufen, endlich in der IT aufzuräumen und klar Schiff zu machen, Kurs Internet-Zukunft. „Wir haben Anzeichen dafür, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen ihre Kosten durch Konsolidierung und Virtualisierung ihrer IT-Infrastruktur um bis zu 80 Prozent verringern können“, behauptete Jens Hansen von Microsoft, der in diesen Tagen als Chef der Worldwide Enterprise Sales Strategy nach Redmond wechselt. Die Migration von Windows Server 2003 würde sich also mehr oder weniger von selbst bezahlt machen, so sein Kalkül.
Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Klar ist aber, dass es für Kunden mehr als eine mögliche Alternative gibt. Statt brav zur neuesten Microsoft-Produktgeneration zu wechseln können sie beispielsweise zur Konkurrenz abwandern – oder ganz aus dem Betrieb einer eigenen IT-Abteilung aussteigen. „Cloud ist ja auch nicht schlecht“, sagte Ulf Simon-Weidner, beim Systemhaus Computacenter für Microsoft Solutions-Strategy & Presales zuständig. „und das merken mittlerweile selbst deutsche Firmen, die ja sonst dem Thema Cloud noch immer recht skeptisch gegenüber stehen.“
Klar ist: Mit einem Mit 13 Jahre alten Server den nächsten Schritt in die Digitale Transformation wagen zu wollen ist ungefähr so, als würde man sich mit einem Hanomag „Kommißbrot“, Baujahr 1924, auf die Autobahn begeben wollen. Rechnet man nämlich in Internet-Jahren, ist der Windows Server 2003 tatsächlich ungefähr 90 Jahre alt. Dafür halten sich die klapprigen Kisten ja noch recht wacker, denn sonst würde das Internet uns ja um die Ohren fliegen. Aber ob die moderne Unternehmens-IT damit sehr kommen wird, ist sehr die Frage.