Ein guter Handwerker braucht gutes Werkzeug. Nach dieser Devise habe ich mein ganzes Leben gelebt, vor allem was Geräte angeht, mit denen ich meinem Tagwerk nachgehe, dem Schreiben. Ich besitze einen wunderschönen Füller von Montblanc, mit dem ich dem ich allerdings zunehmend weniger arbeite. Aber es ist einfach unersetzlich, wenn du wichtige Dokumente unterschreiben musst wie Verträge, Schuldscheine oder Geburtstagkarten.
Auch elektronisch und digital kommt bei mir nur Feinstes auf den (Schreib-)Tisch. Als ich mich 1980 selbständig machte, musste es gleich eine IBM Kugelkopf-Schreibmaschine sein, aber bitte mit Korrekturband! Natürlich hatte ich den ersten IPM-PC mit 20 MB Festplatte. Und im Lauf der Jahre ist eine stattliche Kollektion von Gadgets und Geräten dazu gekommen, die, wenn ich sie heute alle noch besäße und nicht weggeworfen hätte, als sie veraltet waren oder ersetzt wurden, den Grundstock bilden würden für ein ansehnliches Technikmuseum.
Seit Jahren kaufe ich nur noch Laptops, und da bin ich meiner Marke treu geblieben, auch wenn es die Marke nicht geblieben ist. IBM, die originalen Business Machines, mussten her, und es steht immer irgendein Thinkpad auf meinem Schreibtisch. Sollte er mal nicht mehr tun, habe ich gleich drei ausgemusterte Geräte gleicher Baureihe im Schrank. Es steht halt heute nicht mehr „IBM“ drauf, sondern „Lenovo“, aber es sind für mich immer noch die besten Schlepptops, die es gibt.
Ein wichtiger Grund ist die Tastatur. Ich bin ja schließlich im Tippen ein Profi, denn ich verdiene damit meinen Unterhalt. Und im Laufe der Jahre habe ich es darin zu einer gewissen Virtuosität gebracht. Man könnte mich vielleicht sogar als einen Maestro auf dem Tasteninstrument des Digitalzeitalters nennen. Und so, wie ein meisterhafter Klavierspieler im Laufe der Zeit äußerst empfindsame Fingerspitzen entwickelt, genieße ich bei meinen Tastaturen solche Dinge wie Anschlaghärte und Oberflächenbeschaffenheit.
Und da erlebe ich seit Jahren einen schleichenden Werteverlust bei den Computerherstellern. Sie alle scheinen nur noch diese widerlichen flachen Chicklet-Tastaturen zu bauen, die dem Fingern so gut wie keinen Widerstand entgegensetzen. Wie soll man da beim Tippen auf geniale Gedanken kommen, wenn die Rückmeldung aus den Fingerkuppen ein fast schon deflatorischer ist, als würde sich einem beim Anblick einer schönen Frau in Deshabilé untenrum nichts mehr rühren.
Da lobe ich mir einen Thinkpad. Die bauen noch richtige Schreib-Tastaturen. Sie sind nach unten gewölbt, damit die Fingerspitzen darin Halt finden, und man muss vergleichsweise fest draufdrücken, um Eindruck auf sie zu machen. So macht das Schreiben Spaß, da können die Gedanken fließen und ich komme mit meinem etwas eigenwilligen Sechsfinger-Schreibsystem auf ein Tipp-Tempo, da müssen sich selbst erfahrene Sekretärinnen sputen, wenn sie mitkommen wollen.
Das Problem sind nur die Ver-Tipper. Und die werden mit den Jahren immer mehr. Ich weiß nicht, ob die Treffsicherheit mit dem Alter nachlässt (meine Frau behauptet es, wenn sie vom Toilettenputzen kommt), aber ich muss immer häufiger zurück und Dinge ausbessern oder Buchstaben auslöschen, die dort nicht hingehören.
Ich bin also ein sehr anspruchsvoller Tipper, ich denke, das ist inzwischen klargeworden. Und da ich vor einigen Jahren meine Thinkpads auf einen Ständer verbannt habe, um mehr Platz auf dem Schreibtisch zu schaffen, tippe ich hauptsächlich auf einer externen Tastatur, möglichst mit Bluetooth-Anschluss. Und da ist für mich die Firma Logitech zu dem geworden, was der Thinkpad bei den Laptops ist: ein Garant für Qualität und ungetrübtes Tippvergügen.
Auch da gönne ich mir stets nur das Beste. Und das hieß bei Logitech bis vor kurzem „diNovo Edge“. Das war die erste wiederaufladbare Bluetooth-Tastatur dieses Herstellers im Design-Look, schlank, stylisch, mit einer breiten Auflagefläche, wo man zwischendurch die Handflächen auflegen und ausruhen konnte von der Müh‘ des Reinhackens. Es war die einzige Tastatur, die ich kenne, die auf dem Wohnzimmertisch genauso gut aussah wie auf dem Schreibtisch, eine Art Fashion Statement für echte Digerati. Und es war ein feinfühliges, wunderbar abgestimmtes Instrument, sozusagen meine Stradivari, mein Steinway Grand.
Aber leider ist alles ja vergänglich, und der NiNova wurde 2013 aus dem Sortiment von Lenovo genommen. Es gab ein Wehgeheul in der Online-Gemeinde, Dutzende von Nutzern, die wie ich die diNova-Tastatur für den Gipfel der Tastaturbauerkunst gehalten haben, machten ihren Unmut auf den Logitech-Foren Luft oder beknieten die Geschäftsleitung, doch bitte, bitte einen Nachfolger zu bringen – vergebens. Man blieb hart in Lausanne, wo die Marke ihren Sitz hat. Die Schweizer sind stur, man weiß es ja…
Bei meiner Tastatur hatten sich Alterungserscheinungen bemerkbar gemacht. Kein Wunder: Ich habe auf ihr zwei Bücher geschrieben, wovon jedes über eine halbe Millionen Buchstaben enthält. Ich habe Tausende von Artikel, Briefe und Blogposts eingetippt, und ich muss dabei besonders oft die Taste „N“ verwendet haben, denn die flog eines Tages davon. Ich konnte sie zwar mühsam wieder befestigen, aber danach war die Spannkraft auch nicht mehr die alte, und mein Tippvergnügen dadurch entsprechend gemindert.
Es musste also Ersatz her. Auf Amazon fand ich ein Exemplar, aber leider nur noch in gebrauchtem Zustand, aber das kommt für jemanden wie mich überhaupt nicht in Frage. Ich ziehe auch keine gebrauchte Unterwäsche an, erst recht nicht von jemandem, den ich nicht kenne! Auf eBay bietet einer noch ein paar Stück an, allerdings „generalüberholt“ – was immer das bedeuten soll. Ein anderer schreibt dazu: „französisches AZERTY-Layout”. Warum können die Franzosen nicht auf einer richtigen Tastatur schreiben, herrgottnochmal! Ein anderer hätte schon Neuware gehabt, versendet aber aus irgendwelchen Gründen nicht nach Österreich (von wegen tu felix Austria…).
Ich habe deshalb lange auf Amazon geschaut und mich am Ende für das momentane Flaggschiff der Logitech-Flotte entschieden, das „Logitech K800 Wireless Illuminated Keyboard“. Ich musste dafür einen Hunderter abstecken, aber hey, man gönnt sich doch sonst nix, und eine Stradivari kostet auch eine ganze Menge.
Nach ein paar Tagen kam es an – und die Enttäuschung war riesig! Okay, die Tasten sind auch ein bisschen ausgerundet, aber meine Fingerspitzen passen längst nicht mehr so satt in die Vertiefung wie bei meinem alten diNovo, so dass ich beim Schnelltippen oft abrutsche und auf die Nachbartaste gerate. Meine Texte sind jetzt voller roter Schlangenlinien, die Microsoft Word im Wege der Rechttschreibkoeektur einfügt. Ich muss also beinah nach jedem Satz mit der Maus zurück und auf ein Wort klicken, das einen Fehler enthält (wie das Wort „Rechttschreibkoeektur“, das ich hier absichtlich so belassen habe zum Beweis!).
Meine neue Tastatur ist also ein deutliocher (verzeihung: deutlicher) Abstieg, wenn ich das mal als Tastatur-Virtuose sagen darf. Ja, die Tastatur ist beleuchtet, aber ich habe mir davon zu viel versprochen. Es stellt sich nämlich heraus, dass ich zwar nur mit sechs Fingern, aber dafür blind schreibe. Will heißen: Ich schau beim Tippen auf den Bildschirm und nicht auf die Tasten. Früher ging das meistens gut, aber mit meiner neuen Tastatur ist es eine Katastrophe. Wenn ich schätzen müsste, kostet mich die neue Logitech-Tastatur zwischen 10 und 20 Prozent Schreibleistung. Vielleicht sollte ich sie ja auf Verdienstausfall verklagen!
Tja, eine diNova-Tastatur mit Beleuchtung, das wäre vielleicht etwas gewesen. Aber so bleiben mir nur die Erinnerung an vergangene Tage mit „meiner“ Tastatur – und die Tippfehjler.
2 Antworten auf Nur der Tippfehjler, der bleibt