Also, Sie finden das ja vielleicht inzwischen völlig normal. Aber Sie sind ja auch ein Digitaler Eingeborerner oder so. Ich als Digitaler Dinosaurier (wie mein Freund, der DATEV- und BITKOM-Chef Dieter Kempf sich und alle anderen in seiner Altersgruppe bezeichnete) habe erst einmal gestutzt.
Diese Visitenkarte drückte mir Tobias Schwarz von den „Netzpiloten“ am Montag in Berlin in die Hand, als wir uns bei meiner „Dichterlesung“ in der Microsoft-Repräsentanz in der Straße Unter den Linden trafen. Tobias wollte mit mir ein 15-Sekunden-Interview auf Instagram machen, wie er sagte. Bei Instagram geht es ja eigentlich um Bilder, aber es gibt tatsächlich eine Video-Funktion, die aber nur eine Aufnahmedauer von maximal 15 Sekunden zulässt. Das ist sozusagen das Bewegbild-Gegenstück zu den 140 Zeichen, auf die man sich bei Twitter beschränken muss.
Ja, und dann drückte er mir diese besagte Visitenkarte in die Hand. Eigentlich total old-fashioned, dachte ich mir. Aber manche Dinge ändern sich nie.
Von wegen! Schauen Sie sich bitte die Karte nochmal genau an. Merken Sie was? Da fehlt doch etwas – keine Telefonnummer! Telefonnummern sind nämlich ein alter Hut, jedenfalls bei so total vernetzten Typen wie Tobias. Wie alt ich hingegen bin, erkennt man schon an der Unterlage, auf der ich die Karte fotografiert habe – ein guter, alter Leitz-Ordner! Digital Natives wissen vermutlich gar nicht, was das ist…
Und ich musste in diesem Moment wieder zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten an den legendären Chef der Deutschen Bank denken, Joseph-Hermann Abs. Ich durfte ihn als blutjunger Lokalreporter der „Rhein-Neckar-Zeitung“ einmal interviewen, nachdem er einen Vortrag in Buchen im Odenwald („Badisch-Sibirien“) gehalten hatte. Und am Ende des Gesprächs griff er in die Jackentasche seines Maßanzugs, holte eine lederne Brieftasche heraus und entnahm ihr eine Karte aus gehämmertem Büttenpapier, auf dem in eleganten Buchstaben geschrieben stand: „Dr. Hermann-Joseph Abs“.
Sonst stand da nichts, und ich muss ein wenig bedröppelt geschaut haben, denn er legte mir eine väterliche Hand auf die Schulter und meinte: „Junger Mann, wenn Sie mich finden wollen, dann schaffen Sie das auch. Ganz bestimmt.“
Von wegen Dinosaurier: Der Mann war seiner Zeit weit voraus.
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